Berlin befindet sich wieder in Islamismusangst. Am 13. November soll am Kurfürstendamm demonstriert werden – für die „Befreiung Jerusalems“. Weltweit wird am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan der „Al-Quds-Tag“ gefeiert. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. So ziehen in London, Madrid, Paris und eben auch Berlin vor allem schiitische Muslime mit Transparenten und Palästina-Fahnen durch die Hauptstadtstraßen und protestieren gegen das israelische Vorgehen im Nahen Osten. Dieser Festtag ist eine Erfindung des Iran unter Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, dort wurde er 1980 das erste Mal begangen. In Berlin feiern seit 1985 Schiiten die „Befreiung Jerusalems“. Der Al-Quds-Tag fand dort bislang kaum öffentliche Beachtung, er war eine von vielen hundert kleineren Demos, die das ganze Jahr über in der deutschen Hauptstadt stattfinden. Doch das hat sich inzwischen gewaltig geändert. Seit einigen Tagen sorgt die „Kampagne gegen den ‚Al-Quds-Tag'“ für beträchtlichen Medienwirbel. Mit ungewöhnlich großem Aufwand wird gegen die 1.000-Mann-Demo mobil gemacht. Hinter der Kampagne stehen die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Amadeu-Antonio-Stiftung, das Middle East Media Research Institute und das American Jewish Comittee. Kahane arbeitete für die Staatssicherheit der DDR Bereits am 7. November fand an der Freien Universität Berlin eine Auftaktveranstaltung gegen den Al-Quds-Tag statt – bei der unter anderem die Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Annetta Kahane, als Moderatorin auftrat. Ansonsten sind sowohl Kahane als auch das Bündnis gegen den Al-Quds-Tag eher aus dem „Kampf gegen Rechts“ bekannt. Die Amadeu-Antonio-Stiftung unterstützt teils linksextremistische Initiativen und Bündnisse, die vor allem gegen Konservative und Liberale ins Visier nehmen (JF 18/04). Kahane selbst gilt spätestens seit Bekanntwerden ihrer Arbeit für die DDR-Staatssicherheit als umstritten. Kahane, die von der Berliner PDS als Kandidatin für das Amt der Ausländerbeauftragten für die Hauptstadt vorgesehen war, wurde wegen ihrer Spitzeldienste als ungeeignet betrachtet. Dem Bündnis gehören neben Parteimitgliedern von Grünen und SPD auch bekannte Linksextremisten wie der Thüringer Verdi-Funktionär Angelo Lucifero (JF 9/04) an. Aber auch der gesamte hessische Landesverband der orthodox-kommunistischen Vereinigung Verfolgter des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) unterstützt die Kampagne gegen den Al-Quds-Tag. In einer Erklärung „Gemeinsam gegen Antisemitismus und radikalen Islamismus“ grenzt das Bündnis den Feind ein und gibt die Marschroute an. Angegriffen wird nicht nur die vermeintliche Radikalität der Al-Quds-Tag-Marschierer in Deutschland, sondern vor allem die große Bereitschaft, „den Islamismus als Ordnungsfaktor in den sogenannten islamischen Ländern zu akzeptieren und mit ihm in einen ‚Dialog der Kulturen‘ zu treten.“ Dies kann durchaus als linker Kulturimperialismus verstanden werden. Yavuz Özoguz begleitet den Al-Quds-Marsch seit Jahren; im letzten November saß er sogar selbst im Lautsprecherwagen. „Der bärtige Deutschtürke aus Delmenhorst“ (Der Tagesspiegel) kann die Aufregung um die seit Jahren stattfindende und verhältnismäßig kleine Demonstration nicht verstehen. „Der Antisemitismusvorwurf ist Unsinn“, sagte Özoguz im Gespräch mit der jungen freiheit. „Wer das behauptet, hat sich nie ernsthaft mit uns beschäftigt.“ Özoguz ist der Betreiber des Internetportals „Muslim-Markt“, einer der größten deutschsprachigen muslimischen Anlaufstellen (JF 35/04). Özoguz fehlt die Aufregung seiner Gegner So will er in diesem Jahr auf der Al-Quds-Demonstration vor allem gegen Antisemitismus sprechen – und wird wohl bei den Gegnern für Verwunderung sorgen. „Antisemitismus entsteht doch vor allem dann, wenn das Judentum mit dem aggressiven Zionismus gleichgesetzt wird – und da vertreten wir eine andere Meinung“, erklärt Özoguz. Er spricht ruhig freundlich und gelassen, es fehlt ihm die Aufregung seiner Gegner. Bereits im letzten Jahr sahen sich Özoguz und seine Mitstreiter einer Medienkampagne ausgesetzt. In diesem Jahr habe dies allerdings eine neue Qualität, so Özoguz. Als ob man mit Kanonen auf Spatzen ziele. Özoguz muß lachen: „Wir freuen uns doch über öffentliche Wahrnehmung.“ 2003 konnte das linke Bündnis die Empörung gegen den Al-Quds-Tag noch nicht in eine machtvolle Gegendemo ummünzen. Frank Jansen, Redakteur des Berliner Tagesspiegels, fing die traurige Stimmung im Novemberregen so ein: „Nahe dem Stuttgarter Platz wehen Israel- und US-Fahnen. 100 Linke, Schwule und andere Islamisten-Gegner haben sich versammelt. Der Protest, der sich in den vergangenen Tagen in einem Aufruf mit mehreren hundert Unterschriften artikuliert hat, bleibt dünn.“