Die Europawahl am 13. Juni verspricht in Italien Spannung. Verantwortlich dafür ist ein bekannter Name: Alessandra Mussolini. Die Enkelin des einstigen Ministerpräsidenten und Faschisten-Führers und hatte kurz vor Weihnachten mit einigem Radau die regierende Alleanza Nazionale (AN) von Vizepremier Gianfranco Fini wegen dessen Israel-Reise und der damit verbundenen endgültigen Distanzierung vom „Duce“ verlassen und mit der Libertà d’azione (Aktionsfreiheit) eine neue Partei gegründet (siehe JF 52/03). Was zunächst als „Politgag“ belächelt wurde, entpuppte sich vor einer Woche als Bündnis von beachtlicher Größe. Alessandra Mussolini ist es gelungen, Italiens zersplitterte außerparlamentarische Rechte zusammenzuführen. Mit dem Bündnis Alternativa Sociale (AS/Soziale Alternative) wollen Neue Rechte, radikale Nationalisten und faschistische Nostalgiker ins Straßburger Parlament einziehen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Beim letzten EU-Urnengang 1999 erzielte die Movimento Sociale-Fiamma Tricolore des Mussolini-Anhängers Pino Rauti 1,3 Prozent und konnte so einen Abgeordneten nach Straßburg schicken: Der 52jährige Journalist Roberto Bigliardo sitzt dort zusammen mit der AN in der Fraktion Union für das Europa der Nationen. Und durch Absprachen mit Silvio Berlusconis Wahlbündnis Casa delle Libertà in Sizilien sitzt seit 2001 mit Luigi Caruso aus Siracusa ein Fiamma-Politiker im Römischen Senat. Und die Fiamma ist auch 2004 wieder an Bord. „Wir werden Fini das Fürchten lehren“, kündigte Rauti-Nachfolger Luca Romagnoli bei einer Kundgebung in Neapel an. Etwa 3.000 AS-Anhänger waren gekommen. Darunter auch umstrittene Bündnispartner: Roberto Fiore, Chef der Forza Nuova, und Adriano Tilgher von der Fronte Nazionale. Fiore gilt als einer der Hintermänner des Bombenanschlages auf den Bahnhof von Bologna 1980 und lebte zehn Jahre im „Exil“ in England. Dort häufte er sich ein beträchtliches Vermögen an, von dem nun der landesweite Parteiaufbau finanziert wird. Tilgher überwarf sich 1997 mit Rauti und gründete eine eigene Partei, deren regionale Bastionen sich vor allem im armen Süden befinden. Während die neue Mussolini-Partei vor allem auf unzufriedene Frauen und enttäuschte Fini-Wähler setzt, versuchen Rauti und Romagnoli die Mussolini-Nostalgiker zu binden. Die Formationen von Fiore und Tilgher gelten dagegen vor allem bei rechtsorientierten Jugendlichen als „Geheimtip“. „Zu viert werden wir schwer zu besiegen sein“, kündigte Alessandra Mussolini siegessicher an, „wir haben ein riesiges Projekt vor uns.“ So unterschiedlich, die Strategien auch sein mögen – Mussolini und Romagnoli plädieren für den Parlamentarismus, Fiore und Tilgher setzen auch auf den „Kampf um die Straße“ -, so einig ist sich das Quartett, wenn es darum geht, einen Gegner zu finden: „Der Feind heißt Fini“, sagt die 41jährige Parlamentsabgeordnete Mussolini, und ihre Gefolgsleute applaudieren stürmisch. Finis Israel-Initiative war auch von anderen AN-Traditionalisten scharf kritisiert worden. Fini hatte nach einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem wegen der 1938 in Italien eingeführten Rassengesetze um Entschuldigung gebeten und dabei versichert, seine Meinung zu Benito Mussolini – den er noch 1994 als den „größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hatte – geändert zu haben. Daraufhin hatte Mussolini ihren Rückzug aus der Partei und die Gründung einer eigenen Bewegung angekündigt. Innerhalb der AN wird die Sammlung am rechten Rand mit Unbehagen verfolgt. „Wir gehen unseren demokratischen Weg weiter“, tönte Fini, doch der parteiinterne Widerstand kommt nur langsam zum Verstummen. Die verbliebenen Mussolini-Anhänger innerhalb der AN sind gut organisiert, die offiziell als AN-Parteigruppe anerkannte Destra Sociale (Soziale Rechte) hat mit dem Präsidenten der Region Latium Francesco Storace einen Spitzenfunktionär in ihren Reihen. Dieser macht seit Finis Israel-Besuch auf Rebellion: „Wenn Fini so weitermacht, müssen sich die männlichen Parteimitglieder eines Tages noch beschneiden lassen“, polterte Storace und legte nach: „Es gibt nichts, wofür sich Faschisten entschuldigen müßten.“ Nach der Rückkehr Finis aus Israel lud Storace wütend alle Gegner des Parteichefs zu einem Treffen – und sie kamen zu Tausenden. Austreten wolle er nicht, aber er fordere Respekt vor den Wurzeln der Partei, so Storace. Genau von diesen Wurzeln aber hatte sich Fini schon 1995 beim Parteitag von Fiuggi gelöst. In Israel ging er einen Schritt weiter, indem er in sein negatives Urteil über den Duce auch die Zeit der Partisanenkämpfe um die vom damaligen Großdeutschen Reich abhängige Repubblica Sociale Italiana (RSI, 1943-1945) in Norditalien einbezog. Das ging den Alten zu weit, die zum Teil noch für die RSI gekämpft hatten. Aber auch viele junge AN-Mitglieder stießen sich an den Bildern Finis mit der jüdischen Kippa auf dem Kopf. Fini nahm die Rebellion gelassen. Er weiß, daß nur ein Fünftel der Wähler seiner Partei früher den neofaschistischen MSI gewählt hat. Der Rest sind meist einstige Christdemokraten. Umfragen geben Fini eine Zustimmung, die weit über die AN-Wählerschaft reicht. Dieses Wählerpotential gehört zur Mitte und ist mit strammrechten Parolen nicht zu ködern. Für die neue Formation um Mussolini und den Duce-Getreuen könnte sich so eine neue Option auftun. „Wenn Fini die Rechte aufgibt, stehen wir parat“, heißt es in einer Erklärung. Erinnerungen an die Zeit vor 1990 werden wach, als der von Rauti und dem legendären Giorgio Almirante geführte altfaschistische MSI bei Wahlen mehr als sieben Prozent erzielte. „Wenn diese neue Rechte nicht wieder auseinanderbricht, dann kann es gut sein, daß wir eine Renaissance des alten Parteiensystems erleben: Finis AN wird zur neuen Christdemokratie und seine Widersacher zur Wiedergeburt der alten Sozialbewegung“, analysiert die Turiner La Stampa. Doch erst muß Fini parteiintern noch einiges erledigen. Letztes Wochenende sorgte die Meldung für Aufsehen, daß Kommunalpolitiker aus Pesaro bei Rimini wie vor 70 Jahren ein Mussolini-Profil in eine Felswand meißeln lassen wollen. Die Anführer dieser Kampagne gehören alle Finis AN an – peinlich für das Image des „Saubermanns“.
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