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Angst vor einer Luftnummer

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Deutschland geriet in Panik. Seit Wochen hatte vor allem die Springer-Presse getrommelt, in Berlin sei Anfang Oktober ein gefährlicher „Islamisten-Kongreß“ geplant. Zuerst schlug das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles Alarm. Auf einer Internet-Seite sei der Kongreß für bis zu 800 Teilnehmer in Berlin angekündigt. Der genaue Ort sei vorerst geheim. Auf der Seite seien „radikale Aussagen“ zu finden, vor allem sei keine eindeutige Distanz zum Terrorismus herauszulesen. Im Gegenteil, als Terror werde dort das Vorgehen der Israelis und US-Amerikaner in Palästina sowie im Irak bezeichnet. Schnell war die Bild zur Stelle und vermeldete, der Verfassungsschutz habe Hinweise, daß der Kongreß als Plattform für potentielle Dschihad-Kämpfer genutzt werden soll. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, forderte deswegen ein Verbot. Mittlerweile hat es der Kongreß, von dem lediglich eine Internetseite mit einer Handvoll Ansprechpartner real existiert, bis in die Abendnachrichten geschafft. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dachte als erster lautstark über ein Verbot nach; Walter Lindner, Sprecher des Auswärtigen Amtes, erklärte, es werde keine Visa für die Teilnehmer geben; Bayerns Innenminister Günther Beckstein forderte, daß alles getan werden müßte, um eine solche Veranstaltung zu verhindern. Auch die CDU-Bundestagsfraktion, besonders ihr innenpolitischer Sprecher Wolfgang Bosbach, drängt Schily zum sofortigen Handeln und meinte damit Verbot. Am Montag hat schließlich der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch den geplanten Kongreß verboten. Bei der Bekanntgabe begründete der zuständige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) seinen Schritt damit, daß der Aufruf die Grenzen des rechtlich Erlaubten überschreite. „Ich will diese Hetze hier nicht haben, ich akzeptiere diese Hetze nicht“, tobte Körting. Die Bundestagsfraktion der Grünen und die Berliner CDU lobten unterdessen Körtings Schritt. Dialog ende dort, wo „Gewalt verherrlicht und Antisemitismus gepredigt“ werde, so die Bündnisgrüne Silke Stokar. Dabei gibt es viele offene Fragen. Zum Beispiel die nach den Kongreßteilnehmern. Selbst die in Deutschland lebenden und organisierten „Islamisten“ sind von einem solchen Kongreß überrascht. Weder der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) noch der Islamrat haben nach eigenen Aussagen Kenntnis von einem solchen Großtreffen und distanzieren sich vorsorglich. Der ZMD gilt als besonders streng in seiner Islam-Auslegung, der Islamrat gilt als von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) dominiert, der Verfassungsschützer radikal-fundamentalistische Ansichten anlasten Sind die Organisatoren nur Wichtigtuer? Selbst die beiden Hauptorganisatoren, die in Berlin lebenden Libanesen Gabriel Daher und Fadi Madi, sind weitgehend unbekannt. Die Financial Times Deutschland berichtet, die beiden seien den Sicherheitsbehörden schon länger bekannt – sie wollten sich hauptsächlich wichtigmachen. Sie hätten wahrscheinlich weder das Geld noch die Verbindungen, einen Kongreß mit solchen Ausmaßen überhaupt auszurichten. Madi tritt vor allem als Globalisierungskritiker und strammer Antiimperialist auf – etwa durch die Unterstützung eines am 6. Mai diesen Jahres veröffentlichten Aufrufs „zu einem antiimperialistischen Lager in Assisi“. Dort gibt er an, er sei „Vorsitzender der Bewegung gegen die USA, Israel, Globalisierung und Hegemonie, Vorsitzender der internationalen Union der NGOs für die Unterstützung der palästinensischen Intifada, regionaler Koordinator in der arabischen und islamischen Welt für eine weltweite Liga gegen Imperialismus und Zionismus“. Die sonstigen Unterzeichner entstammen allesamt eher der linken als der islamistischen Szene. Madi befand sich in Beirut, um für Unterstützung für die Konferenz zu sorgen. Als er am letzten Samstag von dieser Reise aus dem Nahen Osten in Berlin ankam, unterrichteten die Behörden ihn sofort über seine Ausweisung, und noch am selben Abend mußte er zurück nach Beirut reisen. Generalbundesanwaltschaft Kay Nehm stimmte einer beantragten Ausweisung des mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis hier lebenden Madi zu. Zudem bestätigte Nehm, daß gegen ihn wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein Verfahren eingeleitet werde. Madi protestierte in Beirut gegen die Ausweisung: Diese sei „ohne jeglichen Beweis der Vorwürfe“ ebenso wie das Verbot des Kongresses auf Druck der USA erfolgt. Gabriel Daher trat in der Vergangenheit als Vertreter der Deutsch-Libanesischen Gemeinde auf und nicht als islamistischer Haßprediger. „Wir sind keine Terroristen“, zitiert ihn die Welt. Ziel des Kongresses sei „die Sendung einer Botschaft der Solidarität an die vergessenen Menschen unter der Besatzung in Palästina und Irak“. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT berichtet Daher von „100 bis 200 Anmeldungen“. Daher profitiert davon, daß im lauten Schlagzeilen-Getöse die vielen Ungereimtheiten um den Kongreß unter den Tisch fallen. So prangt über dem Aufruf beispielsweise das Logo der Organisation „Humanity on Hold“, einer in den USA ansässigen Hilfsorganisation. Organisator Daher will sich nicht so recht dazu äußern. Bereits am Sonntag – noch vor dem offiziellen Verbot -hatte er angekündigt, sich nicht mehr für die Vorbereitung zuständig zu fühlen. Am Montag verbreitete er schließlich eine Erklärung im Internet, in der er sich entschuldigte, „daß die Turbulenzen in den Medien den hier lebenden arabischen Moslems geschadet haben“.

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