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Kroatien stirbt aus Carl Gustaf Ströhm

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Den mittel- und osteuropäischen Staaten, die an den Toren der EU auf Einlaß warten, werden viele Verheißungen gemacht. Und doch weiß niemand so recht, worauf man sich da einläßt – weder die alten noch die kommenden EU-Länder. Dieser Tage hat der kroatische Demograph und Professor an der Zagreber Universität, Jakov Gelo, seine Landsleute auf ein paradoxes Dilemma aufmerksam gemacht. Da das, was er schildert, nicht nur auf sein Land zutrifft, lohnt es sich, das Thema näher zu betrachten. Kroatien, das seit vielen Jahren – gewiß nicht nur aus eigenem Verschulden – wirtschaftlich dahindümpelt, werde, wie Gelo diagnostiziert, im 21. Jahrhundert durch Aufnahme in die EU zwar eine ökonomische Expansion erleben. Doch, so schränkt der Bevölkerungsexperte sofort wieder ein – zugleich werde das Land mit einer „demographischen Katastrophe“ konfrontiert. Die Geburtenrate in Kroatien liege bei 1,3. Um die jetzige Bevölkerungszahl aufrechtzuerhalten, müßte sie mindestens 2,1 betragen. Während derzeit die Bevölkerung schrumpfe, wachse die Arbeitslosigkeit – und zugleich fehle es (was zunächst paradox erscheint) an Arbeitskräften: etwa im Tourismus, aber auch in der Bauwirtschaft und dem Schiffbau. Innerhalb seines Raumes sei Kroatien sehr unterschiedlich bevölkert. In weiten Teilen des Landes gebe es faktisch entvölkerte Gebiete: nicht nur viele Adria-Inseln, sondern ganze Landschaften auf dem Festland seien fast menschenleer – etwa die fruchtbare slawonische Ebene sowie die Gebiete, die etwas weiter entfernt von Zagreb sind. Professor Gelo vergleicht Kroatien mit jenen Mittelmeerstaaten, die bereits in die EU aufgenommen wurden und die gleichfalls einen Nachholbedarf an Entwicklung hatten: zum Beispiel Spanien, Griechenland und Portugal. Alle diese weniger entwickelten Länder erlebten nach ihrer Aufnahme in die EU einen Entwicklungsschub. Aber dadurch besserte sich keineswegs ihre demographische Situation. Spanien etwa befinde sich ebenso wie Kroatien in einer „sehr schlechten“ demographischen Lage. Gemeinsam mit Italien und Kroatien gehöre es zu den demographisch am meisten gefährdeten Staaten Europas. Das bedeute: die EU-Mitgliedschaft Spaniens habe die negative Bevölkerungsentwicklung nicht gestoppt. Kroatien müsse mit einer ähnlichen Entwicklung rechnen. Die kroatischen Politiker, von denen Gelo offensichtlich nicht viel hält – denn er wirft ihnen vor, sich wie Herrscher und nicht wie Diener des Staates zu benehmen – müßten den Ernst des Problems endlich erkennen. Die Bevölkerungsentwicklung sei sehr ungünstig und verschärfe sich immer mehr. Je länger man warte, desto schlimmer werde es: es verringere sich die Zahl der gebärfähigen Frauen. Gelo erinnert daran, daß die bis 2000 im Amt befindliche HDZ-Regierung im Parlament ein Programm zur demographischen Erneuerung vorgelegt habe. Die seit drei Jahren amtierende Links-Regierung der Wendekommunisten habe hingegen nichts Eiligeres zu tun gehabt, als diese bescheidenen Maßnahmen abzuschaffen. Die neuen Machthaber hätten das Problem ignoriert und damit verschärft. Der Professor fordert von allen Parteien und Politikern Kroatiens eine gemeinsame Anstrengung im Sinne aktiver Bevölkerungspolitik. Junge Ehen müßten finanziell und sozial gefördert, das Kinderkriegen müsse durch aktive Sozial- und Familienpolitik des Staates attraktiv werden. Andernfalls drohe der Untergang Kroatiens – und, so könnte man hinzufügen, nicht nur Kroatiens.

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