Letzter Sonntag, Berlin-Reinickendorf: Vor der Julius-Leber-Kaserne postiert sich starke Polizeipräsenz. Bis zum Bendler-Block in Berlin-Tiergarten säumen Polizeifahrzeuge den Weg der Rekruten, die am Abend vereidigt werden sollen. Öffentliche Gelöbnisse erfordern noch immer massiven Polizeischutz. Zuletzt hatten linksradikale Störer in Hamburg die Durchführung eines Gelöbnisses junger Rekruten beinahe unterbunden. Diesmal blieb den selbsternannten Antifaschisten der Triumph jedoch vorenthalten. Die rigorosen Sicherheitsmaßnahmen von Polizei und Bundeswehr zeigten ihre Wirkung. Selbst Journalisten mußten sich Tage zuvor angemeldet haben. Das Areal war weiträumig abgesperrt. Die wenigen Störer, die dann spontan auf das Gelände des ehemaligen Oberkommandos der Wehrmacht stürmten, konnten von den Sicherheitskräften an einem Durchbruch zur Zeremonie gehindert werden. So wurde das Gelöbnis vom 20. Juli zu einem Festakt der deutsch-französischen Freundschaft. Die Festredner waren wohlkalkuliert ausgewählt. Nach Peter Struck sprach Michèle Alliot-Marie, die französische Verteidigungsministerin. Der deutschen Wehrpolitik liegt die Zusammenarbeit mit Frankreich am Herzen: Kürzlich war ein deutscher Offizier an der Militärparade anläßlich des französischen Nationalfeiertages maßgeblich beteiligt – nun ist die französische Politikerin Festrednerin bei der Vereidigung deutscher Rekruten. Die 250 Rekruten des Wachbataillons, die seit dem 1. Juli ihren Dienst für das Vaterland ableisten, haben keinen leichte Aufgabe. Zwar befinden sich unter ihnen viele Berliner, die davon profitieren, in ihrer Heimatstadt eingesetzt zu werden und nicht in der Kaserne schlafen zu müssen. Ihr Dienst an sich ist jedoch hart. Jeder wichtige Staatsgast, der in Tegel – in unmittelbarer Nähe der Julius-Leber-Kaserne – landet, erhält ein militärisches Zeremoniell. Dazu müssen die Soldaten Gewehre aus dem Ersten Weltkrieg präsentieren, weil diese besonders schwer sind und den besten Klang erzeugen, wenn sie abgesetzt werden. Peter Struck verteidigte in seiner Rede die Wehrpflicht Das Abschreiten der Soldaten mit einem Staatsgast ist ein althergebrachter Ritus, der dem Gast folgendes vermitteln soll: „Das sind meine Soldaten. Und sie dienen Dir und Deinem Schutz, solange Du mein Gast bist.“ Und genauso schritten Deutschlands und Frankreichs Verteidigungsminister die Angehörigen des Wachbataillons ab. Das Musikcorps spielte die Marseillaise. Struck hielt seine Ansprache, in der er die Wehrpflicht verteidigte. Er erinnerte an das Eurocorps in Straßburg, das es jetzt seit zehn Jahren gibt, und lieferte einen Überblick über die „außergewöhnliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich“. Nach der Rede der französischen Politikerin erfolgte die Vereidigung der Rekruten. Sie gelobten in Gegenwart des 16. französischen Jägerbataillons, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Den 250 Bundeswehrangehörigen stand etwa 600 Gelöbnisgegner gegenüber. Sie folgten dem Aufruf von 30 antimilitaristischen Organisationen zu einer Demonstration gegen das Gelöbnis. Diese militanten Pazifisten profitieren davon, daß die Bundeswehrsoldaten die Freiheit in diesem Land für Leute wie sie verteidigen. Von ihnen gelangten etwa dreißig, mit Trillerpfeifen bewaffnet, in das militärische Sperrgebiet. Sie konnten jedoch abgefangen werden. Die Gelöbnis-Gegner sind gut organisiert. Anläßlich des Gelöbnisses kursierte eine eigens produzierte Zeitschrift mit dem Titel Gelöbnix. Darin finden sich zahlreiche Aufsätze, die die Wehrpflicht und die Bundeswehr als Institution aufs Korn nehmen. So setzt sich einer der Autoren in einem Artikel unter der Überschrift „Militär und Männlichkeit“ mit der Rolle der Frauen in der Bundeswehr auseinander: „Die Konstruktion Mann als Krieger steht im Gegensatz zur sorgenden (…) Frau.“ Dies sei eine „diskriminierende Ideologie“, weil von zwei „gegensätzlichen Wesen“ ausgegangen werde. Die Bundeswehr diene dem „Fortbestehen der Herrschaft der Männer über Frauen“, führt der Autor weiter aus. Die geschlechterspezifischen Stereotypen würden durch die deutsche Bundeswehr in der Gesellschaft stark verstärkt. Mag ja sein, daß der Gelöbnix-Autor selber oftmals am Schminkkasten seiner Mutter gewesen ist – die von ihm kritisierten Geschlechterrollen sind dennoch so außergewöhnlich nicht. Foto: Demonstration gegen das Gelöbnis am 20. Juli: Die militanten Pazifisten profitieren von der Bundeswehr
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