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Dem Vergessen preisgeben

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Der Anblick beschmierter Kriegsgräber und Ehrenmale ist längst zu einer betrüblichen Gewohnheit geworden. Daß den im Krieg gefallenen und vermißten deutschen Soldaten in der Bundesrepublik nicht immer in der Form gedacht wird, die ihnen zusteht, scheint fast sechzig Jahre nach Kriegsende kaum noch jemanden zu berühren. Neu ist jedoch, daß sich die Denkmalstürmereien nicht mehr auf den Kreis Autonomer beschränken. So ist in der kleinen Ortsgemeinde Marienfels, im rheinland-pfälzischen Rhein-Lahn-Kreis an den westlichen Ausläufern des Taunus gelegen, nun das Ehrenmal für 20.000 gefallene und vermißte Soldaten des Zweiten Weltkriegs in das Visier der öffentlichen Mandatsträger geraten. Keine Erneuerung des 2001 ausgelaufenen Pachtvertrags Vor über dreißig Jahren errichtete der Kameradschaftsverband der Soldaten des 1. Panzerkorps der ehemaligen Waffen-SS e.V. in der Gemeinde ein Denkmal für seine Gefallenen. Dieses Ehrenmal stand sinnbildlich für die freundschaftlichen Beziehungen der ehemaligen Soldaten zu den Bewohnern der Ortschaft. Im Kriegswinter 1939/1940 hatten Angehörige der Einheit Privatquartier in Marienfels bezogen. Seit 1971, dem Jahr, in dem der Gedenkstein auf dem kleinen Dorffriedhof errichtet wurde, traf sich der Kameradschaftsverband alljährlich in der Taunusgemeinde, um gemeinsam mit den Bewohnern am Volkstrauertag der gefallenen Soldaten zu gedenken. Die Verbundenheit der Veteranen mit Marienfels war derart intensiv, daß sogar die Urne eines früheren Vorsitzenden unmittelbar vor dem Ehrenmal bestattet wurde. Als im Mai 2001 der Pachtvertrag für das Ehrenmal auslief, ersuchte die Kameradschaft die Gemeinde um Verlängerung. Nach dem Willen des Gemeinderates von Marienfels soll das Andenken an die 20.000 Soldaten jedoch alsbald ein Ende haben. In einem der JUNGEN FREIHEIT vorliegenden Schreiben des Bürgermeisters von Marienfels, Axel Harlos (SPD), ließ dieser den 1. Vorsitzenden des Kameradschaftsverbandes, Claus Cordsen, wissen, daß es zu keiner Verlängerung des Pachtvertrages kommen wird. Der Kameradschaftsverband solle neben der zinslosen Überlassung einer „Sicherheitssumme“ von 3.000 Euro selber dafür Sorge tragen, daß der Abriß des Denkmals erfolgt. Ansonsten würde die Gemeinde die Entfernung des Ehrenmals selbst durchführen lassen – finanziert mit der 3.000-Euro-Kaution, deren Restbetrag als Ordnungsgeld in die Kassen von Marienfels flösse. Sollte der Teilnehmerkreis der alljährlichen Gedenkfeier auf Mitglieder des Kameradschaftsverbandes, deren Familienangehörige und Zeitzeugen des Kriegsgeschehens beschränkt bleiben, sähe Marienfels als Zugeständnis von einem sofortigen Vollzug der Entfernung ab – mit jederzeitigem Widerrufsrecht. Diese Forderung lehnte der Kameradschaftsverband ab. „Wallfahrtsort für Rechtsextremisten“ Im Gespräch mit der JF ließ Ortsbürgermeister Harlos zumindest Zweifel darüber offen, welche Motivation den von der Gemeinde vorgetragenen Beschränkungen zugrunde liegt. Obwohl Harlos bisher von befürchteten Versammlungen von Neonazis keinerlei Kenntnis nehmen konnte, sei allein die Sorge, das Denkmal könne sich zu einem „Wallfahrtsort für Rechtsextremisten“ entwickeln, als Grund für den Ratsbeschluß ausreichend. Etwas konkreter äußerte sich das parteilose Mitglied des Gemeinderates, Froni Schreiner. Der Veteranenverein öffne sich ihrer Meinung nach für „rechte Personen“. Der evangelische Gemeindepfarrer von Marienfels, Mathias Moos, sprach gegenüber der JUNGEN FREIHEIT gar von einer unheilvollen Allianz, die sich in den letzten Jahren mehr und mehr offenbare. Diese fände vor allem in den „martialischen Reden“ des Kameradschaftsverbandes ihren Ausdruck, die das Pfarramt der Gemeinde in der Vergangenheit dazu veranlaßt hätten, die Feierlichkeiten zum Volkstrauertag getrennt von der Gefallenenehrung des Kameradschaftsverbandes zu begehen. Das Bewußtsein der Bevölkerung habe sich, so Moos, in der Vergangenheit gewandelt. Die Akzeptanz für das Anliegen des Kameradschaftsverbandes sei gesunken. In diesem Zusammenhang müsse man verstehen, daß auch das Denkmal nicht für die Ewigkeit Bestand haben könne. Mit Blick auf den ehemaligen Ostblock sei laut Moos der Abriß von Denkmälern überdies schon lange keine Besonderheit mehr. Solange der Kameradschaftsverband nicht auf die Forderungen der Gemeinde einginge, gebe es auch von seiten der Kirche keine weitere Gesprächsbereitschaft. Seitens der Veteranen habe es Zusicherungen gegeben, daß Personen, die sich an ihrem äußeren Erscheinungsbild als Rechtsextremisten zu erkennen geben, von Gedenkveranstaltungen ausgeschlossen bleiben. Mehr könne man nicht zusichern. Claus Cordsen betont, daß es außerdem stets das Ziel der Kameradschaft gewesen sei, Konfrontationen zu vermeiden. So war man etwa in der Vergangenheit um Deeskalation bemüht, wenn man sogar Gedenkveranstaltungen vorverlegte, um geplanten Gegendemonstrationen von linksextremer Seite keinen zusätzlichen Zündstoff zu liefern. Auch habe man der Gemeinde als Geste des guten Willens eine Spende in Höhe von 3.115 Euro in der Hoffnung überreicht, daß diese auf ihre entwürdigenden Maßnahmen verzichten möge, „ohne das Recht der Gemeinde, jederzeit den Abriß zu fordern, anzutasten“, wie Cordsen versichert. Der Gemeinderat läßt sich jedoch nicht mehr dazu bewegen, den geplanten Abriß des Ehrenmals für die 20.000 Gefallenen zu überdenken.

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