Zwei Jahre nach dem 11. September tauchen immer mehr Indizien für eine Verwicklung von Geheimdiensten auf. Umfragen zufolge fühlt sich eine Mehrheit der Deutschen von den Medien nicht oder nur unzureichend informiert. Und neunzehn Prozent halten eine Beteiligung israelischer oder US-amerikanischer Dienste für möglich. Inzwischen ist eine Flut von Publikationen erschienen. Mehrere Bücher haben es in die Bestsellerlisten geschafft. An der Geheimdienst-Kritik kommen auch die großen Medien nicht mehr vorbei. Der Spiegel widmete dem Thema diese Woche seine Titelgeschichte. In einem sehr polemischen Beitrag werden Buchautoren wie Andreas von Bülow und Ekkehard Sieker scharf angegriffen. Das Nachrichtenmagazin widerlegt drei Argumente der Verschwörungstheoretiker glaubhaft. Insgesamt wirken die Reaktionen der Medien jedoch gereizt. Ein Teilnehmer einer Podiumsdiskussion am letzten Sonntag in Berlin drückte es so aus: „Die stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Zum zweiten Mal trafen sich Journalisten, Juristen und Geheimdienstexperten aus vier Ländern zu einer großen Podiumsdiskussion im Berliner Tempodrom. „Unbeantwortete Fragen und die Forderung nach Antworten“ lautete das Motto dieses Symposiums. Veranstalter war die 9/11-Wahrheits-Allianz. Der Mitveranstalter Nicolas Levis warf dem Spiegel vor, US-Regierungspropaganda zu verbreiten. Der Monitor-Reporter Ekkehard Sieker sprach von Methoden der Inquisition, mit denen sich das Blatt vom unabhängigen Journalismus verabschiedet habe. Sieker hatte die Fälschungen der US-Dienste bei der Übersetzung des spektakulären bin-Laden-Interviews aufgedeckt. Zu Beginn der Veranstaltung wurde eine Filmdokumentation des amerikanischen Guerilla News Network gezeigt. Darin erheben Bürgerrechtler und Pazifisten aus den USA schwere Vorwürfe gegen die eigene Regierung. So habe die Bush-Administration zahlreiche Warnungen, unter anderem aus Deutschland und Frankreich, bewußt ignoriert. Die Terroranschläge seien als Rechtfertigung für die US-Militärpräsenz in Zentralasien mißbraucht worden, kritisieren die Bush-Gegner weiter. Dies behauptet auch Andreas von Bülow (SPD), einer der wortgewaltigsten Kritiker der US-Außenpolitik. Die Angriffspläne für Afghanistan seien bereits am 9. September 2001 abgeschlossen gewesen, sagt von Bülow. Ein weiteres prekäres Detail wurde in dem Filmbeitrag zur Sprache gebracht. Der Chef des pakistanischen Geheimdienstes, Mahmoud Ahmed, war vom 4. bis zum 13. September 2001 zu Gast in den Vereinigten Staaten. Der pakistanische Geheimdienst ISI gilt als Bindeglied zwischen der CIA und al-Qaida, Ahmed als Finanzier al-Qaidas. Vor dem 11. September soll Ahmed – nach Angaben des FBI – 100.000 Dollar an Mohammed Atta, den Hauptattentäter, überwiesen haben. Erinnert wurde auch an das Buch von Zbigniew Brzezinski „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Darin hatte der Ex-Sicherheitsberater dreier US-Präsidenten schon 1997 Zentralasien als Schlüsselpunkt für Amerikas Weltherrschaft bezeichnet. Ohne ein apokalyptisches Ereignis à la Pearl Harbor sei eine imperialistische Mobilmachung für eine Besetzung dieser entfernten Region jedoch undenkbar, so Brzezinski damals. Ein weiterer Aspekt, dem sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion widmeten, war die Einschränkung der Bürgerrechte. Gefangene können ohne Anklage beliebig lange festgehalten werden. Das Briefgeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung – all das gibt es in den USA nicht mehr. Die Konferenz verlief angesichts des großen Polizeiaufgebots friedlich. Das erste Treffen mußte am 30. Juni unter Tumulten vorzeitig abgebrochen werden. Anwesende Antifa-Vertreter hatten in der Aula der Humboldt-Universität Horst Mahler als Gast ausgemacht. Nur ein sofortiger Polizeieinsatz hatte damals eine Eskalation verhindert (siehe JF 29/03). Diesmal war linksextremistischer Protest langfristig vorbereitet. Auf Antifa-Internetseiten wie indymedia.org wurde verkündet: „Nazis mobilisieren ins Tempodrom.“ Die Thesen der Debattanten seien identisch mit denen der Neonazi-Szene, weil der Mossad und die Juden für alles verantwortlich gemacht würden, hieß es bei indymedia.org. Mit der Realität haben diese Parolen nicht viel zu tun. Zu dem Symposium kamen vornehmlich junge Leute, die ihren Wissensdurst stillen wollten. Immerhin kassierten die Veranstalter, die 9/11-Truth-Alliance, elf Euro von jedem Besucher. Die Teilnehmer stellten sieben unbeantwortete Fragen, auf die sie Antworten von den deutschen und amerikanischen Behörden verlangen: Warum ist die US-Luftabwehr am 11. September 2001 nicht aktiv geworden? Welche Erkenntnisse haben die Geheimdienste aus der Überwachung der Hamburger Terrorzelle vor deren Abreise in die USA gewonnen? Warum wurden fünf verschiedene FBI-Ermittlungsvorgänge gegen al-Qaida-Terroristen vor dem 11. September 2001 gestoppt? Welches Ergebnis erbrachten die Untersuchungen auffälliger Börsengeschäfte unmittelbar vor den Anschlägen? Warum überwies der pakistanische Geheimdienstchef 100.000 Dollar an Mohammed Atta? Welche Anschlagswarnungen erhielt das Weiße Haus im Sommer 2001? In welche US-Geheimdienstoperation war die Flugschule in Florida verwickelt, als Atta und seine Freunde dort ihre Flugausbildung begannen?