D ie Kronenzeitung gilt mit 2,3 Millionen täglichen Lesern – bei einer Bevölkerungszahl von etwa 8 Millionen – als Österreichs einflußreichstes Printmedium. Herausgeber (und bis zum 1. Februar Chefredakteur) Hans Dichand gilt auch in der Politik als mächtiger und wohl auch machtbewußter Mann. Nun ist um ihn und das „Königreich Krone“ ein „vorläufig beigelegter“ Konflikt entbrannt, der die Machtverhältnisse in der gesamten Wiener Medienlandschaft von Grund auf ändern könnte. Der 82jährige Dichand hatte erklärt, zu diesem Zeitpunkt werde sein Sohn Christoph die Chefredaktion übernehmen, er selber, der Senior, bleibe Herausgeber und Hauptgeschäftsführer. Darauf aber meldet sich der Essener Medienkonzern der Westdeutschen Allgemeine Zeitung (WAZ), dem Dichand senior in den Achtzigern 50 Prozent der Anteile seines kleinen Imperiums verkaufte, mit einem scharfen Einspruch zu Wort. Erich Schumann, WAZ-Geschäftsführer und Herr über 29 Tageszeitungen in Europa (hauptsächlich im ehemaligen Ostblock), wandte sich mit ziemlich rüdem Ton an seinen österreichischen Partner und schrieb in einem Brief dem jungen Dichand wörtlich: „Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß die von Ihrem Vater ausgesprochene Berufung zum Chefredakteur rechtsunwirksam ist … Nicht nur Ihr Vater ist in der Verantwortung für seine rechtsfehlerhafte Entscheidung, sondern Sie wären es auch, wenn Sie ihr Folge leisteten…“. Gleichzeitig gab der deutsche Partner von der Ruhr in mehreren Interviews zu verstehen, daß die Zeit des alten Dichands abgelaufen sei. In einem Ton, der bei manchen Österreichern Erinnerungen an den sagenhaften „Piefke“ weckte – jenen „Reichsdeutschen“, der immer alles besser wußte, als die „schlappen Österreicher“ -, beschuldigte WAZ-Geschäftsführer Dichand senior, dieser betreibe Nepotismus (weil er seinen Sohn zum Nachfolger machen wolle). Überdies habe der Wiener Zeitungszar die Krone schlecht geführt, sie sei eine der „schlechtest verdienenden Zeitungen im Konzern“. Dichand sei als Hauptgeschäftsführer und Chefredakteur persönlich verantwortlich für die „katastrophale Situation“. Aus Wiener Sicht sieht das allerdings anders aus: die Krone war zumindest bis 2001 eine respektable Geldquelle. Damals erreichte sie einen Vorsteuergewinn von 50 Millionen Euro, der je zur Hälfte zwischen WAZ und Dichand geteilt wurde. Der Wiener Hälfte-Eigentümer meint dazu, die „Krone“ zähle nach wie vor zu den profitabelsten Zeitungen Europas. Daß es bei der Attacke auf die Wiener aber auch um eminent politische Fragen geht, zeigt sich gewissermaßen zwischen den Zeilen in den Erklärungen Schumanns. So weist der WAZ-Geschäftsführer in einem Interview des österreichischen Nachrichtenmagazins News (hinter dem Bertelsmann steht) jede persönliche Verbindung zu seinem Wiener Partner und Gegenspieler zurück. „Ich habe keine Männerfreundschaft mit Herrn Dichand … Ich bin ein echter Liberaler.“ Sein Haus, die WAZ, sei „aus der Tradition der deutschen Emigration entstanden.“ Wer aber wie Dichand „solch nationalistische Töne“ anschlage, könne kein Liberaler sein. Dann bemerkt Schumann – nachdem er vorher beteuerte, die Konzernleitung interveniere nicht in redaktionellen Richtungsfragen -, Essen habe in Wien dennoch „interveniert, wenn es (in der Kronenzeitung) zu arge nationalistische oder antisemitische Töne gab.“ Damit lassen sich die hintergründigen Absichten der WAZ-Moguln zumindest vermuten. Es geht darum, die einflußreichste Zeitung Österreichs in die Hand zu bekommen. Eine Zeitung, die immerhin von 44 Prozent aller Österreicher über 14 Jahre gelesen wird. Das ist eine Position, von der (umgerechnet auf die Bevölkerungsgröße) selbst die Bild-Zeitung in Deutschland nicht einmal träumen kann. Zugleich aber spürt Schumann, daß er sich auf rutschiges Gelände begibt: wie alle „kleineren Brüder“ haben es die Österreicher nicht besonders gerne, von den großen deutschen Brüdern belehrt und kommandiert zu werden. So versichern denn die Essener durch Schumanns Mund, es sei nicht daran, etwa einen Deutschen als Chefredakteur einzusetzen. Nur weiß man, daß es vielmehr auf jene ankommt, die hinter ihm stehen – und das sind die Herren aus Essen. Dieser Tage schlagzeilte die Krone, daß der Wiener Bürgermeister Michael Häupl – einer der mächtigsten Männer der SPÖ – als Reaktion auf die WAZ-Attacken gegen Dichand erklärt habe: „Aufgrund der Eskalation dieser Auseinandersetzung müsse festgehalten werden, daß ich größtes Interesse daran habe, daß die größte Zeitung des Landes in österreichischer Hand bleibt.“ Diese Hilfestellung des Wiener Bürgermeisters für Dichand rührt nicht nur aus einer persönlichen Freundschaft zwischen beiden. Sie ist auch deshalb beachtenswert, weil der WAZ-Konzern in weiten Teilen als SPD-nah gilt. Im Vorstand des Konzerns spielt Bodo Hombach, einstiger Kanzleramtsminister Schröders und später glückloser Balkankoordinator, eine entscheidende Rolle. Und was die Kronenzeitung betrifft, gibt es auch ein politisches Motiv für eine Abrechnung mit Dichand: der alte Herr führt im deutschsprachigen Raum die einzige Massenzeitung, die sich bisher von Linkstendenzen weitgehend freigehalten hat. Das heißt nicht, daß Dichand – der selber aus bescheidenen Verhältnissen mit sozialistischem Hintergrund stammt – etwa ein Rechter wäre. Er hat manchmal eine schillernde Position bezogen: einmal für die SPÖ, dann für Waldheim, gegen die Benes-Dekrete; niemals hundertprozentig einzuordnen. Nach allen Drohungen der WAZ-Geschäftsführung – bis hin zur Ankündigung, man werde Vater und Sohn Dichand per einstweiliger Verfügung aus der Kronenzeitung entfernen lassen – kam dann der Rückzieher: Plötzlich einigte sich Geschäftsführer Schumann mit dem von ihm geschmähten Dichand und akzeptierte dessen Sohn ab dem 15. Februar als Chefredakteur. Allerdings – es handelt sich nur um einen Waffenstillstand, denn dem Dichand-Sohn wird mit dem 65jährigen Michael Kuhn (dem bisherigen Chef des Sportressorts und stellvertretendem Chefredakteur) ein „geschäftsführender Chefredakteur“ zur Seite gestellt, der aus dem Kreis der leitenden Redakteure der Krone kommen soll, aber faktisch der Vertrauensmann der WAZ in Wien sein soll. Dichand senior hat das durchschaut: Er sprach von einer „vorläufigen Beendigung“ des Konflikts und schlug vor, die beiden Hälften-Eigentümer sollten je einen Prozent ihrer Anteile an die Belegschaft abtreten. Ein schlauer Schachzug, denn damit wären die Essener ihre 50 Prozent und damit die Möglichkeit zu Eingriffen in die Personalpolitik los. Für das herrschende Klima ist bezeichnend, daß die Essener den Wienern eine weitere Expansion der Kronenzeitung nach Westen untersagt haben.