Rehkitze sind ja sooo süüüß! Aber auch dem Messerwerk des Mähers schutzlos ausgeliefert. Vor der Wiesenmahd werden darum die Flächen nach Kitzen abgesucht. Dabei kommt verstärkt Drohnentechnik zum Einsatz.
Nach der Geburt können die Kitze der Mutter noch nicht über längere Strecken folgen. Daher legt die Ricke ihr Kitz im hohen Gras ab, wenn sie es zum Äsen vorübergehend verläßt. In der hohen Wiese ist das Kitz vor der Entdeckung durch Raubwild, Krähen und Greifvögel gut geschützt.
Nicht aber vor dem Mäher! Die Bambis haben keinen Fluchtinstinkt. Bei Gefahr ducken sie sich dicht ins Gras. Dem bis zu zehn Meter breiten Schneidwerk können sie nicht entkommen. Leider fällt die Geburt der Rehe im Mai/Juni auch in die Zeit, in der die Landwirte ihre Wiesen mähen, um Heu für das Vieh zu gewinnen. Immer wieder kommt es daher dazu, daß Kitze vom Mähwerk grausam verstümmelt oder getötet werden.
Die Tarnung der Rehbabys im hüfthohen Gras ist perfekt
Die Landwirte sind in der Pflicht, vor der Mahd Rettungsmaßnahmen zu treffen, zum Beispiel Flatterbänder oder knisternde Tüten aufzuhängen, um die Rehe zu vertreiben. In der Regel informieren die Bauern die Jagdpächter, die das Grün mit angeleinten Jagdhunden nach Kitzen absuchen, bevor der Lohnunternehmer oder Landwirt den Traktor startet.
Zudem sind die Bauern angehalten, ihre Felder nicht von den Rändern her nach innen, sondern umgekehrt von innen nach außen zu mähen, damit Wildtiere wie Feldhasen die Chance zur Flucht haben. Unterlassen die Flächeneigentümer dies, können hohe Strafen fällig werden. 2019 wurde ein Landwirt im Saarland, der fünfzehn Kitze „ausgemäht“ hatte, wegen Jagdwilderei zu 7.200 Euro Strafe verurteilt. Die meisten Bauern sind jedoch daran interessiert, daß kein Kitz zu Schaden kommt, denn Tierkadaver in der Silage können bakterielle Verunreinigungen verursachen und das damit gefütterte Vieh vergiften.
Die Landwirte stellen die Geodaten zur Verfügung
Die klassische Methode der Kitzsuche ist, daß möglichst viele Personen in einer Kette die Wiesenfläche langsam durchstreifen. Vorteil: Dabei werden auch Gelege von Bodenbrütern entdeckt und in Sicherheit gebracht. Nachteil: Auf vielen Hektar Fläche wird längst nicht jedes Bambi entdeckt, denn die Tarnung der gerade mal ein Kilo wiegenden Rehbabys im hüfthohen Gras ist perfekt. Darum nutzen immer mehr Jägerschaften oder private Freundeskreise und Vereine zur Kitzrettung Flugdrohnen mit Wärmebildkamera, um die Tiere aufzuspüren. Doch dabei ist einiges zu beachten: Zum Steuern einer Kameradrohne benötigt man eine Betreiberregistrierung von der Internetseite des Luftfahrbundesamtes (www.lba.de) für 20 Euro. Außerdem einen Kompetenznachweis („kleiner Drohnenführerschein“) mit einer Onlineprüfung durch das LBA.
Die Drohnen dürfen nicht über größeren Menschenmengen und nur mit direkter Sichtverbindung fliegen und eine Höhe von 120 Metern nicht überschreiten. Zu Gebäuden sind mindestens 150 Meter Abstand einzuhalten. Mittlerweile gibt es von Ländern Fördermittel für Kitzrettungsdrohnen. Wichtig ist eine präzise Absprache mit dem Landwirt, wann gemäht werden soll. Es bringt ja nichts, wenn man die Wiesen am Vortag absucht und das Wild nachts wieder hineinläuft. Entscheidend ist auch, nicht zu spät zu beginnen, weil die Sonne sonst Steine und Maulwurfshügel erwärmt, die dann auf dem Monitor der Wärmebildkamera für Verwirrung sorgen.
Wird ein Kitz entdeckt, wird es mittels Transportkarton „umgeparkt“ und später wieder freigelassen. Ganz wichtig: Unbedingt Handschuhe tragen und das Kitz am besten zusätzlich mit Grasbüscheln anheben. Haftet ihm nämlich menschlicher Geruch an, nimmt es die Ricke später nicht mehr an. Die Liegestellen werden anschließend mit Deospray verstänkert, damit kein Wild dorthin zurückkehrt. Und merke: Wo ein Kitz gefunden wird, liegt meist auch noch ein zweites in der Nähe.
Wo ein Rehkitz ist, ist meist auch ein zweites
Ist nach der Mahd wieder Ruhe eingekehrt, finden sich Kitz und Mutter durch Rufe wieder. Nicht nur Kreisjägerschaften sind bei der Kitzrettung aktiv; in den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche regionale Vereine zu diesem Zweck gegründet. Zum Beispiel die „Wildtierhilfe Amerang e.V.“, die „Rehkitzrettung Freilassing und Umgebung“ oder das „Drohnenprojekt – Leben retten e.V“ der 27jährigen Sabrina aus dem Berchtesgadener Land. Ihr Verein hat inzwischen drei Drohnen im Einsatz und rettet pro Saison bis zu fünfzig und mehr Kitze.
Wer mithelfen will, Tierleid zu vermeiden, sollte seine Aktivitäten mit anderen Initiativen vor Ort koordinieren. Die Landwirte stellen meist gerne die Geodaten der Flächen zur Verfügung, mit denen die Drohnen programmiert werden können. Schließlich ist noch zu bedenken, daß eine Kitzrettungsaktion oft ein langer Tag wird. Aber das Erlebnis, ein Bambi auf dem Arm in Sicherheit zu bringen, treibt auch dem unsentimentalsten Grobian das Wasser in die Augen.
Ergänzung: Im vergangenen Jahr hatte der Bund die Anschaffung der Kitzrettungsdrohnen noch mit drei Millionen Euro gefördert. Dieses Programm wird unter Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) nicht fortgeführt.
JF 23/22