Setzt man sich beim Kartenspielen rassistischen und sexistischen Schwingungen aus, die die Gesellschaft vergiften und eine überkommene Ordnung zementieren? Ja, betonte die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt vor kurzem in der Aargauer Zeitung. Konkret geht es um die in der Schweiz und im alemannischen Raum weitverbreiteten Jasskarten.
„Der König ist mehr wert als die Damen, so wie im Wort Herr die Idee von Herrschaft anklingt. Zudem steht die Hierarchie, die Adelstiteln am meisten Wert einräumt, für eine längst vergangene politische Ordnung und deren gesellschaftliche Realität“, meint Arndt von der Universität Bayreuth. Auch seien die Karten eindeutig rassistisch: „Es geht hier ja nicht nur darum, wer wie gezeigt wird, sondern wer überhaupt nicht repräsentiert ist. Und das sind Menschen, die nicht weiß sind.“
Kartenspiele seien „eben nicht harmlos“
Das Argument der Hersteller, sie wollten die Tradition dieses Spiels bewahren, läßt Arndt, zu deren Arbeitsgebieten westafrikanische Frauenliteratur und „Kritische Weißseinsforschung“ zählen, nicht gelten. Damit würden „längst überfällige Diskussionen ausgebremst“. Am Ende gehe es jedoch darum, „eine tradierte Machtkonstellation zu erhalten, die weiße Männer als überlegene Norm setzt“.
Nun ließe sich einwenden, gerade jetzt, wo die Gesellschaft gegen eine Pandemie und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen kämpft, gäbe es weit wichtigere Themen. Doch auch hierauf hat die Wissenschaftlerin eine passende Antwort. Die Botschaft, die das Kartenspiel aussende, sei „eben nicht harmlos“.
Denn sie laute: „Frauen haben weniger Wert, weniger Bedeutung in der Gesellschaft – und nicht-heterosexuelle Personen oder schwarze Menschen müssen gar nicht berücksichtigt werden. Solche Bilder verfestigen sich in unserem Unterbewußtsein.“ Das habe Folgen bis in den Alltag hinein.
Es kündigt sich schon Konkurrenz an
In der marktwirtschaftlich affinen Schweiz gibt es jedoch keine Nachfrage, für die kein Angebot entstehen würde. Der 22 Jahre alte Zürcher Designer und Fotograf Alain Wohlgemuth präsentierte nun „Dä ander Jass“, um mehr Diversität in das Schweizer Nationalspiel zu bringen. So gibt es in seiner Variante nicht nur Weiblein und Männlein, sondern auch Personen anderer Ethnien und anderer Geschlechtsidentitäten. „Ich habe versucht, auch transsexuelle Menschen zu integrieren“, sagte er der Boulevardzeitung Blick.
100 Sets habe er produzieren lassen und nach einer Woche seien sie alle verkauft gewesen. Ob die „diversen“ Karten tatsächlich ein Verkaufsschlager werden, läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Denn sofort kündigte sich auch schon Konkurrenz an: Drei Studenten der Universität St. Gallen wollen ein Spiel mit rein weiblichen Figuren produzieren lassen.