Politisch inkorrekter geht es kaum: Beim Interview im Laden hat der eine Besitzer eine Büchse Bier in der Hand, der andere zieht genüßlich an seiner Zigarette. Leen und Bertus führen das wahrscheinlich kultigste Friseurgeschäft Europas. Jeden Morgen, bevor die beiden die Fronttür aufschließen, warten bereits zwanzig Männer darauf, endlich unters Messer zu dürfen, dabei ein Bierchen zu zischen, Stammtischgespräche zu führen und eine zu rauchen.
Zum Erfolgsrezept gehört – Gleichstellungsbeauftrage mal weghören –, daß Frauen hier nicht hineindürfen. Der Schorem-Barbershop in Rotterdam präsentiert sich wie eine Mischung aus alter Berliner Eckkneipe und irischem Pub. Es hängen dunkelgerahmte Bilder an den Wänden, die Schränke sind genauso aus gemütlichem Holz wie der zum Laden gehörende Tresen mit einer unerhörten Auswahl an Schnäpsen. Hier darf Mann noch sein, wie er ist und wie er immer war, bevor der Gender-Wahnsinn einsetzte.
Für das Frauenverbot hat Leen eine einfache Erklärung: „Sobald ein weibliches Wesen das Geschäft betritt, gibt sich ein Mann anders – männlicher.“ Er habe sogar beobachtet, daß die Männer selbst auf seine eigene Frau uncool reagierten: Sie drücken ihr Kreuz durch, machen sich groß. Aus lässigen Kerlen werden plötzlich eitle Gockel. Im Schorem-Barbershop soll nicht herumgegockelt werden.
Wir schneiden die Ohren immer frei
Dafür liegen Männermagazine aus, in denen die Kunden ungehemmt blättern dürfen. Bertus sagt, was den Salon so anziehend macht: „Bei uns werden Männer nicht in pinkfarbene Kittel gezwängt, sie müssen nicht neben Frauen sitzen, die tonnenweise Folie in den Haaren haben. Ein Abend mit den Freunden und einer Kiste Bier ist nun mal ganz anders als ein Abend in der Stadt, wo die Jungs darum wetteifern, wer das Alpha-Männchen ist.“ Und Männer, die zu Schorem gehen, erleben wahrscheinlich ein noch besseres Erlebnis als beim Kasten Bier mit den Kumpels.
Von einer Frau die Haare schneiden zu lassen war gestern. Männer, die darauf schwören, müssen woanders hingehen. Denn die inzwischen neun Angestellten – darunter vier Lehrlinge – gehören alle zum starken Geschlecht. Leen und Bertus sagen, sie seien Friseure alter Schule. „Wir wurden noch in einer Barbierschule ausgebildet. Wenn man heutzutage in Holland Barbier werden will, muß man einen Unisex-Kurs absolvieren, mit Dauerwellen und Tönungen.“ Das können die beiden nicht, und das wollen sie auch nicht.
Wer in den Laden kommt, darf nicht nur bis zu fünf Stunden in der Schlange stehen. Er kann auch nur zwischen 14 verschiedenen Frisuren auswählen. Es sind Schnitte, die zwischen den 1920er und 1950er Jahren modern waren. Leen: „Wir schneiden die Ohren immer frei.“ Langhaarige gehören fast in die Rubrik Frauen: „Solche Kunden bedienen wir nicht.“
Schorem-Barbiere sind brave Familienväter
Und noch etwas ist hier in der niederländischen Hafenstadt ungewöhnlich: Die Friseure sind – o, mein Gott – nicht schwul. Beide haben Partnerinnen und Kinder. Dabei sehen sie nun wirklich nicht aus wie brave Familienväter: Leen trägt einen Rauschebart, dunkle Hornbrille und raucht wie ein kaputter Ofen. Bertus ist gewaltig tätowiert, hat eine Schiebermütze auf dem Kopf, einen Dreitagebart und seinen Schnäuzer wie Kaiser Wilhelm II. gezwirbelt.
Die beiden geben sich äußerlich ziemlich speziell und sind so Teil der von den Kunden geliebten Corporate Identity. Dafür müssen die Herren der Schöpfung – und das ist das einzige, das bei Schorem tatsächlich etwas weiblich ist – ziemlich gepfefferte Preise bezahlen: Jeder Haarschnitt kostet dreißig Euro, jede Rasur ebenfalls. Auf beides zusammen gibt es dann einen Rabatt: sie zahlen dann nur 55 Euro.
Diese maskuline Welt rund ums Haareschneiden und Rasieren muß den Antidiskriminierungs-Wächtern der EU vorkommen wie die Hölle auf Erden, also wie ein Supermarkt ohne Frauenparkplätze. Vielleicht baut es sie aber auf, daß Bertus‘ Biographie an andere Stelle schillernde Deformierungen besitzt: Er wohnt mit seiner Frau und seinem Sohn in einem linken Wohnprojekt. Das Haus hat er vor anderthalb Jahrzehnten besetzt. Bis heute zahlt er keine Miete.
JF 50/14