Er schüttelt seinen Protest gegen den ÖRR nicht einfach so aus dem Ärmel, der Wissenschafts- und IT-Journalist Peter Welchering gehört vielmehr zu den großen Mahnern seiner Zunft. Seine Widerworte sorgen auch deshalb für Aufhorchen, weil er seinen langjährigen Dienstherren in Frage stellt: „Nein, das ZDF ist nicht mehr reformierbar. Macht den Laden dicht“, forderte er jüngst im Cicero. Auch die anderen Anstalten seien als „Neun-Milliarden- Konzern“ nicht mehr tragbar, sondern benötigten einen Neustart, sprich: neue Staatsverträge.
Nur so würden in Zukunft Fälle verhindert, wie der seines jüngst aufs Abstellgleis geschobenen Kollegen Andreas Halbach oder der aus dem NDR-Programm geworfenen Julia Ruhs. Bei seinem Einspruch nimmt Welchering lange Anlauf, zitiert Philosophen wie Edmund Husserl, schreibt ellenlange Essays. Doch die Arbeit lohnt, der „Denker“ unter den ÖRR-Kritikern wird gehört – sowohl im „Mainstream“ als auch bei den „Alternativen“.
Welcherings YouTube-Kanal: Fundgrube für fundierte ÖRR-Kritik
Seit 1983 im Geschäft, hat Welchering im Lauf seiner Karriere zahlreiche Debatten angestoßen: Als junger Journalist beim NDR, wo er zu den berüchtigten „KGB-Hacks“ der achtziger Jahre recherchierte, in den 2000ern dann auch beim Deutschlandfunk, wo er etwa zum „Bundestrojaner“ arbeitete – selbst die Wortschöpfung soll von ihm stammen.
Später klärte der immer Unausgelastete, der neben seiner Reportertätigkeit dichtet, fotografiert, philosophiert, auch über den NSA-Skandal auf. Als Lehrer bringt er seinen Erfahrungsschatz in die journalistische Nachwuchsförderung ein, etwa an der Stuttgarter Merz-Akademie, der Universität Göttingen oder bei den Heise-Medien. Welcherings öffentlich-rechtliche Zeiten sind vorbei, sein X-Konto und sein Youtube-Kanal „sachlich richtig“ sind zu gefragten Adresse für fundierte Kritik an den Sendeanstalten avanciert.
Bis zum Berufsverband DJV hatte ihn seine Reporterumtriebigkeit geführt, wo er sich schnell mit den Funktionären verkrachte. Ähnlich beim ZDF, dem er Ende 2024 aus „berufsethischen Gründen“ die rote Karte zeigte. Sein Schreiben an Intendant Norbert Himmler wurde ein Politikum. In ihm erläuterte der Computernerd, daß er den Umgang des Senders mit der Affäre „Schönbohm“, als Jan Böhmermann den Leiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik an den Fakten vorbei verunglimpfte, sowie die naive Haltung zu den angeblichen „Correctiv“-Enthüllungen im Fall Potsdam nicht mittragen könne.
Nicht Gegner, sondern enttäuschter Parteigänger des ÖRR
Der in Borken geborene Westfale und Wahlfriesländer, der Beiträge für das „Historische Wörterbuch der Philosophie“ verfaßt und in der Jury des begehrten Alternativen Medienpreises sitzt, habe vor seinen Volontären nicht mehr über die „Notwendigkeit journalistischer Standards“ referieren können, ohne an seinen eigenen Rundfunk zu denken.
Sein Widerspruch sprengt regelmäßig die journalistisch zulässige Zeichenzahl, etwa in der Zeitschrift Journalistik, wo er auf etwa sieben Seiten Reformvorschläge macht: Mitbestimmung, keine Luxusgehälter, kein Parteienproporz, mehr Rechte für Journalisten. Welchering versteht sich nicht als Gegner, sondern als enttäuschter Parteigänger des ÖRR. Daß das ZDF ihn kurz vor dem Ruhestand verloren hat, ist insofern ein Tiefschlag.






