Die Sache ist unerhört: Die Firma des Kulturstaatsministers Wolfram Weimer verkauft exklusive Treffen mit dessen Kabinettskollegen an andere Unternehmen für bis zu 80.000 Euro. Wörtlich wirbt die Weimer-Media-Group als Gegenleistung für den stolzen Preis beim „Ludwig-Erhard-Gipfel“ unter anderem mit „Einfluß auf die politischen Entscheidungsträger“. Vier Minister haben bereits zugesagt, von dem Unternehmen heißt es, man erwarte „die halbe Bundesregierung“ – eventuell auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Nach herkömmlichem journalistischen Verständnis müßte diese brisante Enthüllung von Apollo News den Blätterwald zum Rauschen bringen. Ein Skandal, der einen Korruptionsverdacht gegen ein Regierungsmitglied und dazu engen Vertrauten des Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) nahelegt, ist normalerweise ein gefundenes Fressen für jeden Journalisten. Doch die Sache findet, von kleineren Meldungen und Beschwichtigungen abgesehen, in den Medien praktisch nicht statt.
Das war schon so, als die JUNGE FREIHEIT aufdeckte, daß der Publizist – anders als von ihm gegenüber dem Bundestag behauptet – seine Verlagsgruppe nicht verlassen hat, sondern gemeinsam mit seiner Frau Christiane Götz-Weimer auch nach dem Eintritt in die Bundesregierung weiter zu gleichen Teilen allein die Gesellschafter-Anteile hält.
Steuergelder für Weimer
Das war auch nicht anders, als diese Zeitung enthüllte, daß der von seinem Unternehmen veranstaltete „Frankfurt Finance & Future Summit“ vom Land Hessen mit Steuergeldern „gesponsert“ werde, wie sich die Staatskanzlei von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gegenüber der JF ausdrückte. Ein Minister, dessen Firma öffentliche Mittel enthält, hätte das Potential für einen großen Aufreger – gerade in der ständig von Hysterie getriebenen Medienlandschaft. Hätte. Aber die Leitmedien ignorierten den Sachverhalt.
Uns so war es auch ganz zu Beginn der Affäre, als der Journalist Alexander Wallasch herausfand, daß Weimer in seinem Medium „The European“ Texte von anderen Webseiten veröffentlichte und sie genau wie die Autoren, die nie für ihn geschrieben hatten, als seine eigenen vermarktete.
Doch es blieb und bleibt ruhig in der etablierten Medienszene. Daß die Öffentlich-Rechtlichen nicht darüber berichten, dürfte bei der Staats- und Regierungsnähe und der seit 2015 eingeübten ARD-ZDF-Tradition des Verunglimpfens politischer Opposition nicht überraschen. Aber die anderen? Im Zweifel stehen die investigativen Journalisten im Fall Weimer als „Rechtsausleger“ in der Kritik. Oder die Enthüllungen werden als AfD-Kampagne verunglimpft.
Kann das auch daran liegen, daß Wolfram Weimer wie kein zweites Regierungsmitglied mit den großen Medien verbandelt ist?
Weimer und die „Welt“
Das Leitmedium des Axel-Springer-Verlages, Welt, gewährte dem Minister am Dienstag ein Interview, in dem dieser die Korruptionsvorwürfe als rechte Kampagne abtun konnte. Das schriftlich geführte Interview enthält zwar kritische Fragen. Aber die Journalisten intervenieren auf die zum Teil hanebüchenen Antworten nicht. Weimer darf zum Beispiel sagen: „Die rechten Netzwerke orchestrieren jedes Mal Kampagnen, und die AfD politisiert es hernach. Es ist politisch ziemlich durchschaubar. Die Rechten setzen gezielte Diffamierung als Waffe der politischen Auseinandersetzung ein.“
Ein für jeden Journalisten erkennbares Ablenkungsmanöver, das die Enthüller zu politisch nicht genehmen Tätern macht. Sowohl der von der JF zuerst veröffentlichte Handelsregisterauszug, der Weimers Lüge enttarnte, er habe die Verlagsgruppe verlassen, als auch die von Apollo News präsentierten Flyer mit der Werbung an die Teilnehmer des Ludwig-Erhard-Gipfels, „Einfluß auf politische Entscheidungsträger“ nehmen zu können, liegen öffentlich vor. Doch die Welt stellt keine einzige bohrende Nachfrage. Normalerweise würde solch ein Interview in seriösen Medien nicht abgenommen und auch nicht veröffentlicht.
Was auch auffällt: Es fehlt der übliche Transparenzhinweis, daß der Minister einst Chefredakteur der Welt war, nämlich von 2000 bis 2002. Hat das seltsame Interview vielleicht damit etwas zu tun?
Weimers Kontakt zu Döpfner
Umgekehrt darf man sich fragen, warum die Zeitung ihm deswegen heute noch verbunden sein sollte. Die Antwort könnte in den beiden Jahren davor liegen. Von 1998 bis 2000 war Weimer stellvertretender Chefredakteur der Welt. Mit dem damaligen Chefredakteur arbeitete er ausgesprochen eng zusammen und beerbte ihn dann auch, als dieser in den Vorstand des Axel-Springer-Verlags wechselte.
Der Name dieses Chefredakteurs ist Mathias Döpfner – einer der mächtigsten Medienmanager des Landes. Seit 2002 ist er Vorstandsvorsitzender des Konzerns. In dieser Position ist es sein gutes Recht, über die Berichterstattung seines Leitmediums zu wachen. Wer den Springer-Konzern kennt, der weiß, wie unwahrscheinlich es ist, daß man ohne Döpfners Zustimmung einen kritischen Artikel über dessen Buddy veröffentlichen kann.
Weimer und die „FAZ“
Die FAZ veröffentlichte am Dienstag ebenfalls einen Bericht über die Vorwürfe gegen den 61jährigen. Der Text des einst angesehenen Medienredakteurs Michael Hanfeld liest sich, als stamme er aus der Presseabteilung des Kulturstaatsministeriums. Er beginnt damit, an dem Politiker „arbeiten sich einige Publikationen seit einiger Zeit ab“.
Diese ihre Kontrollaufgabe noch wahrnehmenden Medien kanzelt der Autor als „publizistische Querfront“ ab. Er schreibt von „Rechtsauslegern“. Und: „In null Komma nichts wird daraus eine polemische Kampagne im AfD-Stil.“ Damit hat er das Framing des in der Kritik stehenden Ehepaars übernommen, bevor er den Minister überhaupt zu Wort kommen läßt. Christiane Götz-Weimer hatte am Tag zuvor behauptet: „Seit Jahren versuchen AfD-Politiker vergeblich, zum Gipfel eingeladen zu werden. Die Kritik am Ludwig-Erhard-Gipfel aus rechten Kreisen ist notorisch und erklärt sich damit.“
Dann stellt der FAZ-Redakteur die rhetorische Frage: „Wie ist das also? Verkauft Wolfram Weimer ‚Einfluß auf politische Entscheidungsträger‘?“ Doch dann folgt nicht etwa eine kritische Würdigung dieser ungeheuerlichen Praxis oder die Einschätzung eines Experten. Nein, der Kulturstaatsminister darf die Frage selbst beantworten: „Das ist schlicht eine Lüge, gegen die ich mich juristisch zur Wehr setzen werde.“
Die „FAZ“ ist Weimers Medienpartner
Die Zitate des Ministers, die die Thesen der FAZ untermauern sollen, lesen sich dann ähnlich wie jene in der Welt. Es ist die Sprachregelung, auf die sich Weimer offenbar festgelegt hat, um Berichterstattung über den Skandal zu unterdrücken bzw. sie in beschwichtigende Bahnen zu lenken. Bei der FAZ ist das mehr als gelungen.
Wie kann das einer Zeitung passieren, die mit dem Slogan wirbt, „Freiheit beginnt im Kopf“? Auch hier drängt sich ein Verdacht auf, der alles andere als schmeichelhaft ist: Die FAZ ist offizieller „Medienpartner“ des „Frankfurt Finance & Future Summit“ – einer ähnlichen Veranstaltung der Weimer Media Group wie der „Ludwig-Erhard-Gipfel“. Mit der Familie Weimer ist die Zeitung also sogar wirtschaftlich verbunden. Eine kritische Berichterstattung bedeutete einen ökonomischen Interessenkonflikt.
Am 2. November 2024 veröffentlichte die damals zur FAZ gehörende RheinMainMedia GmbH eine zwölfseitige „Anzeigen-Sonderveröffentlichung“ zu den „Finance & Future Days“. Der Untertitel dieses Werbeblättchens heißt „Das Wirtschaftsfestival der WEIMER MEDIA GROUP“ (Großschreibung im Original). Veröffentlicht wurde sie in der FAZ, verantwortlich für den Inhalt war die Weimer Media Group – also eine Koproduktion des heutigen Ministers mit der Zeitung, die ihm nun einen Freibrief erteilt.
Hinzu kommt: Christiane Götz-Weimer war nach eigenen Angaben Redakteurin bei der FAZ. Sie gehörte auch zu den ersten Redakteuren des Sonntags-Ablegers, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das war 2001 – eine Beziehung, die auch ein Vierteljahrhundert später nicht abgerissen ist.
Staranwalt verschickt Weimers Pressemitteilung
Nun läßt Weimer seine Pressemitteilung zu der Affäre vom bei vielen Medien gefürchteten Rechtsanwalt Christian Schertz verschicken. Schertz ist ein Presserechtler, der zahlreiche Prominente vertritt und immer wieder erfolgreich gegen die Medienberichterstattung über seine Mandanten klagte.
In seiner aktuellen „Presseerklärung für Christiane Goetz-Weimer und Wolfram Weimer“ vom Dienstag heißt es sozusagen als Warnung an die mehrheitlich linke Branche gleich am Anfang, die Berichterstattung sei „losgetreten insbesondere von rechtspopulistischen Medien“. Und im letzten Satz droht er im Namen seines Mandanten-Ehepaares den Empfängern: „Wir sind insofern auch ausdrücklich beauftragt, rechtliche Schritte für unsere Mandanten zu prüfen.“
Medienpartner der Weimer-Veranstaltungen sind neben der FAZ unter anderem auch Focus (dessen Chefredakteur Weimer übrigens von 2009 bis 2010 war), RTL, ntv und der Stern. Wenigstens letzterer zeigt, wie Unabhängigkeit geht. Das Magazin schrieb, wer die Vorwürfe gegen Weimer als rechte Kampagne abtue, mache es sich „zu leicht“.
„Stern“ und „Cicero“ scheren aus
An den Kulturstaatsminister gerichtet, begründet das Medium diese Einschätzung so: „Denn für den Verdacht, der jetzt über Ihnen und damit über der gesamten Bundesregierung einschließlich des Kanzlers schwebt, sind Sie ganz allein verantwortlich.“ Weimer müßte seine Gesellschafteranteile verkaufen oder zurücktreten: „Die Zeit läuft. Und sie läuft ab.“
Auch der Cicero, einst von Weimer gegründet, zeigt eine beeindruckende Distanz zu seinem langjährigen Chefredakteur. Knallhart entlarvt das „Magazin für politische Kultur“ dessen Taktik: „Anstatt die erhobenen Vorwürfe zu entkräften und sich zu erklären, wird der Versuch unternommen, über die Absender der Botschaft braune Soße zu kippen.“ Wenn man die Vorwürfe nur ausreichend als „rechts“ rahme, so schreibt dort Matthias Brodkorb, „ohne ihre Richtigkeit zu bestreiten, steigen etablierte Leitmedien möglicherweise nicht in die Berichterstattung ein. Und dann kann Wolfram Weimer mangels öffentlichen Drucks weiterhin Staatsminister bleiben.“





