BERLIN. Nach einem AfD-freundlichen Gastbeitrag von Elon Musk in der Welt am Sonntag hat sich eine Welle der Entrüstung breitgemacht – doch auch Fürsprecher melden sich zu Wort. Gesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte auf X: „Daß man sich politische Macht jetzt immer einfacher kaufen kann, wird der Demokratie noch sehr stark schaden.“ Dadurch würden sich Zeitungen „ihr eigenes Grab“ schaufeln.
Härtere Worte fand sein Parteikollege SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. „Daß der Springer-Verlag Elon Musk überhaupt eine offizielle Plattform bietet, um Wahlwerbung für die AfD zu machen, ist beschämend und gefährlich“, sagte Miersch dem Handelsblatt. Der Vorgang zeige, „wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind“. Die gesamte bayerische SPD-Landtagsfraktion kündigte indes an, X zu verlassen.
Ebendieses Blatt kritisierte ebenfalls den Gastbeitrag von Musk. Die Welt am Sonntag lasse sich vor den „antidemokratischen Karren spannen“, kommentierte Teresa Stiens im Handelsblatt. Im Spiegel monierte Marina Kormbaki: „Das ist ein Tabubruch.“ Der frühere Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios Ulrich Deppendorf monierte auf X: „Der Musk Aufruf in der Welt am Sonntag ist der Tiefpunkt in der so traditionsreichen Geschichte des Springer -Verlags.“
Grüne monieren mutmaßliche Geschichtsvergessenheit
Ähnlich äußerte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag Konstantin von Notz Kritik. „Einem westlichen Oligarchen wie Musk eine Plattform zu bieten, für diese Demokratiefeinde und Rechtsstaatverächter zu werben, ist schlicht geschichtsvergessen“, schrieb von Notz auf X – der Plattform von Elon Musk.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) gab zu dem Gastbeitrag eine eigene Pressemitteilung heraus. „Die Verantwortlichen der ,Welt‘ haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster: „Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden mißbrauchen lassen.“
Musks Gastbeitrag ist kein Einzelfall
Doch genau auf eine Einflußnahme von ausländischen Milliardären und Autokraten wiesen einige Nutzer auf X hin. So schrieb Rußlands Präsident Wladimir Putin noch im Juni 2021 einen Gastbeitrag in der Zeit. Im Tagesspiegel und der Welt erschienen bereits Gastbeiträge von George Soros, der sein Vermögen mit Devisenspekulation schuf und dieses nun für progressive Zwecke ausgibt.
Ebenso veröffentlichte die Welt regelmäßig Beiträge von dem slowenischen Kommunisten Slavoj Zizek. In seinem neuesten Buch schrieb Zizek: „Was wir heute brauchen, ist eine Linke, die ihren Namen zu nennen wagt, keine Linke, die ihren Kern schamhaft mit einem kulturellen Feigenblatt verhüllt. Und dieser Name lautet Kommunismus.“
Musk kenne die AfD nicht
Diese Diskrepanz sorgte unter anderem beim Ökonom Rainer Zitelmann für Verwirrung: „Wie absurd ist es, KEIN Problem damit zu haben, wenn dieser Wirrkopf in der WELT schreibt (siehe Foto über seinem Bett), aber zu kündigen, weil Elon Musk einen Artikel schreibt?“ In einem Gastbeitrag im Focus analysierte Zitelmann: „Die Aufregung verrät viel über die politische Unkultur in Deutschland.“
Wie absurd ist es, KEIN Problem damit zu haben, wenn dieser Wirrkopf in der WELT schreibt (siehe Foto über seinem Bett), aber zu kündigen, weil Elon Musk einen Artikel schreibt? @JPBurgard pic.twitter.com/zbG5P1z9Vz
— Dr. Dr. Rainer Zitelmann (@RZitelmann) December 28, 2024
Dennoch habe Musk ein veraltetes Bild von der AfD, meinte Zitelmann weiter: „Musk stellt die AfD als wirtschaftsliberale Partei dar, doch inzwischen haben Antikapitalisten immer mehr Einfluß gewonnen.“ Dies müsse dem Tesla-Chef bekannt sein – so hatte die AfD doch gemeinsam mit linken Antikapitalisten gegen die Gigafactory in Grünheide demonstriert.
„Welt“ verteidigt Gastbeitrag
Verteidigt wurde der Gastbeitrag vom noch amtierenden Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Ulf Poschardt, und seinem Nachfolger Jan Philipp Burgard. „Die aktuelle Diskussion um den Text von Elon Musk“ sei „sehr aufschlußreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit“, zitiert die FAZ aus einer gemeinsamen Stellungnahme.
Welt-Kolumnisten Don Alphonso kommentierte auf X: „Vier unumstößliche Wahrheiten deutscher Journalisten zu den USA, mit denen man nichts zu befürchten hat: Biden ist topfit / Harris rettet die Welt / Trump verliert die Wahl / Musk darf man nicht drucken“.
Seine Welt-Kollegin Anna Schneider verwies auf X auf einen Meinungsbeitrag aus April 2022 mit dem Titel: „Nur Pseudo-Liberale leiden an der Meinungsfreiheit“. Ebenso monierte sie das Verhalten der Kritiker: „Politiker (grün/rot/divers) würden also gerne privaten Medienhäusern sagen, wem sie „eine Bühne bieten dürfen“, und langsam fällt einem zu diesem ganzen Kindergarten wirklich nichts mehr ein“.
„Welt“-Meinungschefin wirft hin
Allerdings reagierten nicht alle Welt-Redakteure gleich auf den Gastbeitrag. Eva Marie Kogel, Leiterin des Meinungsressorts, reichte aus Protest gegen die Veröffentlichung des Textes ihre Kündigung ein. Die Entscheidung, Musks Beitrag zu drucken, stieß innerhalb der weiteren Redaktion ebenfalls auf scharfe Kritik.
Der Spiegel zitiert das Branchenportal Medieninsider, laut dem der Redaktionsausschuß bereits vor der Veröffentlichung Bedenken äußerte. In einem internen Schreiben hieß es, der Artikel sei „eine getarnte Wahlwerbung für eine in Teilen rechtsextreme Partei“ und dürfe nicht ohne umfassende Diskussion erscheinen. Trotz der Warnungen der Redaktion hielt die Verlagsleitung an der Veröffentlichung fest.
Steinmeier kritisiert Musk
Bundespräsident Steinmeier nutze die offizielle Auflösung des Bundestages am Freitag bereits dazu, die Äußerungen von Musk zu kritisieren. Während seiner Rede, rief er alle Parteien auf sich einen fairen Wahlkampf zu liefern, der mit „transparenten Mitteln“ geführt werde. „Einflußnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie“, erklärte Steinmeier. Sei sie verdeckt wie mutmaßlich in Rumänien „oder offen und unverhohlen wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird“.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier greift @elonmusk und seine Plattform X scharf an: »Einflußnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie … offen und unverhohlen auf der Plattform X.« #bundespräsident #steinmeier pic.twitter.com/EhT0IzPSNh
— Dieter Stein (@Dieter_Stein) December 27, 2024
Steinmeiers Hinweis auf X zielte wohl auf eine Äußerung des Besitzers der Plattform X Elon Musk ab. Der US-Milliardär hätte sich für die AfD ausgesprochen. Er schrieb auf X: „Only the AfD can save Germany“. (sv)