Der Schauspieler Hannes Jaenicke sprach vom „Überleben“, Karl-Theodor zu Guttenberg prophezeite ein Ende der „Gemütlichkeit“ und vernahm bereits ein „zynisches Lachen aus dem Kreml und aus Teheran“. Martin Richenhagen, Ex-Vorstand des US-Agrarmaschinenriesen AGCO Corporation, geißelte Donald Trump als „kriminellen Lügner, Womanizer und Rassisten“. Der Journalist Cherno Jobatey deklinierte Trump mit dem Duden in der Hand gar als „Faschisten“ durch und flehte geradezu um Erlösung durch ein weibliches Wahl-Momentum: „Ich persönlich glaube, die Mädels reißen uns raus.“
Wie definiert man Faschismus? Journalist und Moderator @ChernoJobatey hat in den Duden geschaut. Sein Fazit über Donald #Trump: „Ich glaube, Joe #Biden hat Recht, wenn er sagt, er ist ein Halbfaschist“. #USWahl #USAElection2024 #maischberger @DasErste pic.twitter.com/6JuO5YcOQa
— Maischberger (@maischberger) November 5, 2024
Begleitet vom permanent sorgenvollen Blick von Moderatorin Sandra Maischberger wirkte der Auftakt der ARD-Wahlberichterstattung zum Kampf ums Weiße Haus wie eine Mischung aus Scherbengericht und Bittgottesdienst für eine Art schwarze Madonna an. Es ist noch nicht einmal Mitternacht an diesem Dienstagabend – es stehe Spitz auf Knopf, noch sei „alles offen“, wie alle Beteiligten ein ums andere Mal betonten. Doch den Studiogästen steht die böse Vorahnung ins Gesicht geschrieben.
Beatrix von Storch (AfD) stemmt sich gegen Kassandrarufe
Einzig Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, setzte einen Kontrapunkt. Trump habe bereits vier Jahre Präsidentschaft hinter sich „und er hat geliefert, er hat Sachen getan, die angekündigt hat, er ist vom Stil her authentisch“. Trump sei eben nicht „so ein glatter Typ, der irgendwelche Wolkenkuckucksheime“ baue, sondern er habe etwas geschafft, was die Menschen geschätzt hätten. „Er hat ihr Leben besser gemacht“, das sei die Wahrnehmung der Menschen. Auch wenn man seine Worte nicht auf die Goldwaage legen dürfe, habe sie sich für Donald Trump ausgesprochen. Damit ist sie die Einzige in der Runde mit diesem Votum.
Ihr gegenüber sitzt die CDU-Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvize Serap Güler. Die ehemalige Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Familienministerium wird als „Verteidigungspolitikerin“ vorgestellt. Serap Güler ist klug genug, Beatrix von Storch nicht in Bausch und Bogen zu widersprechen.
Und man merkt ihr ein gewisses Unbehagen an angesichts der fast verzweifelt wirkenden Beschwörungen des Gottseibeiuns, die ihrem Zwiegespräch mit Beatrix von Storch vorausgegangen waren. So konzentriert sich Güler zunächst auf Details aus ihrem eigentlichen Ressort, der Migrationspolitik.
Serap Güler (CDU) mit dem Trump-Realitätscheck
Vor seiner ersten Amtszeit habe Trump den Bau einer Mauer an der Südgrenze der USA angekündigt, die von Mexiko bezahlt werden sollte, erinnert sich Güler. Nur 80 Meilen davon seien gebaut worden. Amerikas Südgrenze sei abertausende Meilen lang und Trump Teilstück sei vom amerikanischen Steuerzahler bezahlt worden – mit 15 Milliarden Dollar. Dann gibt Güler ihre Flucht ins Detail und räumt übergangslos ein: Ja, der Wirtschaft sei es unter Trump gut gegangen, „die Lebenshaltungskosten waren günstiger als jetzt“, sagt sie.
Dann ebenso übergangsloser ein Schwenk ins Globale. „Aber ob er jetzt alles, was er ankündigt, beispielsweise den Krieg in 24 Stunden (in der Ukraine, Anm. d. Red.) wirklich lösen oder beenden zu können, ob er das alles umsetzen kann, das ist alles sehr, sehr fraglich“, sagt Güler.
„Hauptsache, da kommt jetzt Frieden und das Morden hört auf“.
Doch so schnell will von Storch die CDU-Frau nicht aus der Migrationsthematik entlassen. Trumps „Hauptversprechen“, das auch im aktuellen Wahlkampf eine zentrale Rolle gespielt habe, sei die Migration, „unabhängig davon, wer am Ende dafür bezahlt“, entgegnet von Storch. Schließlich seien die Migrationszahlen unter Trump deutlich zurückgegangen und hätten sich unter seinem Nachfolger Joe Biden wieder verzehnfacht, referiert von Storch. „Das ist die Parallelität auch zu Deutschland“, fügt sie an.
„Ja, er hat die Migrationszahlen runtergekriegt, das ist richtig“, räumt Güler ein, aber die Migration sei nur eines von vielen Themen, und versucht wieder auf den Angriffskrieg Rußlands gegen die Ukraine zurückzukommen. Auch hier hält sich Güler von den apokalyptischen Prognosen ihrer Vorredner fern. Was den Ukraine-Konflikt angehe, könne es durchaus sein, „daß, wenn Putin nicht folgt, wie er (Trump, Anm. d. Red.) möchte, zum Beispiel sich weiterhin weigert, an Friedensgesprächen teilzunehmen, daß er der Ukraine gegenüber sagt, dann kriegt ihr jetzt alles, auch das ist durchaus möglich“, sagt Güler.
Diesmal läßt sich von Storch auf das Thema Ukraine-Krieg ein. Das „hauptsächliche Ziel“ müsse doch sein, „daß dieses Sterben aufhört, und zwar so schnell wie möglich“. Es sei müßig, darüber zu philosophieren, daß Trump jetzt mit Putin reden könnte und daß dies zu einem Frieden führen könne, „der uns nicht paßt.“ Und von Storch wiederholte: „Hauptsache, da kommt jetzt Frieden und das Morden hört auf“.
Wie viel Wert ist der AfD die Freiheit?
An dieser Stelle geht Güler in die Konfrontation: „Entschuldigung, Hauptsache ist Frieden? Ich glaube, die Ukraine möchte mehr als Frieden, sie möchte den Frieden in Freiheit leben.“ Von Storch sei ja nicht die einzige in Deutschland, für die es leider überhaupt keine Rolle zu spielen scheine, „daß Menschen nicht nur in Frieden, sondern auch in Freiheit leben möchten“, fügt Güler hinzu.
„Hauptsache, da kommt jetzt Frieden hin“, sagt @Beatrix_vStorch (@AfD) über #Verhandlungen im Ukrainekrieg.
„Die #Ukraine möchte mehr als Frieden, sie möchte in Freiheit leben“, erwidert @SerapGueler (@CDU).#maischberger @DasErste pic.twitter.com/HkxEoXin0Q
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Und es werde von vielen, die immer wieder Diplomatie und Verhandlungen forderten vergessen, „daß Putin der Einzige sei, der nicht verhandeln wolle“, schließt Güler ein langes Plädoyer für den Freiheitswillen großen Mehrheit in der Ukraine. Beatrix von Storch schweigt auf die Frage, was für einen „Friedens“, sie sich vorstelle. Sie verstummt regelrecht, regungslos und minutenlang. Leider fragt die Moderatorin auch nicht weiter nach, was für einen Frieden sich die AfD-Frau vorstellt. Man hätte gern gewußt, welchen Stellenwert Beatrix von Storch einem „Frieden in Freiheit“ zumißt.
Kleine Worte, große Wirkung
Mehr Geistesgegenwart beweist Maischberger, als von Storch dann von einem „angeblichen Sturm aufs Kapitol“ im Zusammenhang mit den Ausschreitungen von Trump-Anhängern am 6. Januar 2021 in Washington spricht.
Nach dreimaligem Nachfragen verzichtet von Storch schließlich auf das „angeblich“ und spielt ihren Lapsus herunter. So bleibt der Eindruck, daß in der AfD noch einiges zu klären bleibt – zum Beispiel, ob ein Frieden für die Ukraine nicht doch nur ein „angeblicher“ ist, wenn es kein Frieden in Freiheit ist.