ERFURT/SONNEBERG. Der MDR hat sich sich von einem leitenden Mitarbeiter seines Radio-Nachrichtensenders „MDR Aktuell“ distanziert, der nach dem AfD-Wahlerfolg in Sonneberg zum Boykott und zur Isolation des Landkreises aufgerufen hatte. Konkret schrieb der Chef vom Dienst des Senders, Michael Voß, auf Twitter: „Schützt die Demokratie und boykottiert den Landkreis Sonneberg im Tourismus, in der Wirtschaft und auf allen Ebenen.“
Das ist der Landkreis #Sonneberg. Seine Bewohner haben heute in einer freien demokratischen Stichwahl einen Politiker der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Thüringer #AfD zum Landrat gewählt.
Macht mit: Schützt die #Demokratie und boykottiert… pic.twitter.com/NRxQKVzxYS
— Michael Voß (@michael_voss) June 25, 2023
Voß begründete seinen Aufruf ausdrücklich mit der Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann zum Landrat. Die Bürger hätten „in einer freien demokratischen Stichwahl einen Politiker der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD zum Landrat gewählt“, empörte sich Voß noch am Wahlabend.
MDR will Vorgang aufarbeiten
Auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT distanzierte sich der Sender nun aufs Schärfste von den Äußerungen: „Der Tweet spiegelt in keinster Weise die Sichtweise des MDR! Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von dieser Aussage. Der MDR steht mit seinen Angeboten für sorgfältigen, ausgewogenen und neutralen Journalismus – diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst.“
Ein Sprecher des Senders kündigte weiter an, der Vorgang werde intern aufgearbeitet. „Der MDR erwartet von allen seinen Mitarbeitenden auch auf Social Media ein verantwortungsbewusstes Agieren, dafür haben wir auch Richtlinien und wir sensibilisieren unsere Mitarbeitenden zudem regelmäßig. Wir werden dies intern professionell aufarbeiten.“
AfD kündigt parlamentarisches Nachspiel an
Mit den Äußerungen wird sich nun auch der Thüringer Landtag beschäftigen. Die AfD-Fraktion kündigte an, den Boykottaufruf zum Thema in der kommenden Plenardebatte am 5. Juli zu machen. Der medienpolitische Sprecher der Fraktion, Jens Cotta, sagte der JF: „Natürlich ist seine Aussage von der Meinungsfreiheit gedeckt. Er kann das sagen, aber es lässt tief blicken und sagt einiges über sein grundsätzliches Demokratieverständnis aus.“
Kritik an den Boykottaufrufen kam auch aus der Mitarbeiterschaft des Senders. So schrieb der Leiter des „MDR-BildungsCentrum“, Frank-Thomas Suppee, an seinen Kollegen: „Lieber Michael, wir arbeiten ja beim selben Sender und ich teile deinen Vorschlag nicht. Sonneberg ist nicht Rußland und ein demokratisch gewählter Landrat nicht Putin. Ich habe ein anderes Demokratieverständnis.“
Lieber Michael, wir arbeiten ja bei.m selben Sender und ich teile deinen Vorschlag nicht. Sonneberg ist nicht Russland und ein demokratisch gewählter Landrat nicht Putin. Ich habe ein anderes Demokratieverständnis.
— Frank-Thomas Suppee (@FSuppee) June 26, 2023
(ho)