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Kriegsberichterstattung: Werden die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Aufgabe gerecht?

Kriegsberichterstattung: Werden die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Aufgabe gerecht?

Kriegsberichterstattung: Werden die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Aufgabe gerecht?

Journalisten in der Stadt Wassylkiw in der Oblast Kiew
Journalisten in der Stadt Wassylkiw in der Oblast Kiew
Journalisten in der Stadt Wassylkiw in der Oblast Kiew Foto: picture alliance / Photoshot | –
Kriegsberichterstattung
 

Werden die Öffentlich-Rechtlichen ihrer Aufgabe gerecht?

Kriege sind immer auch mediale Großereignisse. Der milliardenschwere deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte dabei besonders brillieren. Doch seit Tagen werden Zweifel laut. Versagen ARD und ZDF? Und was sagen die Sender dazu?
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Kriege sind immer auch mediale Großereignisse – nicht erst, seit es TV und Internet gibt, aber heute mehr denn je. Der Umgang mit Nachrichten aus Kriegsgebieten ist ein Phänomen für sich, das sich derzeit etwa auf Twitter beobachten läßt.

Da werden alle Informationen geteilt, die einem irgendwie unterkommen, ob sie stimmen oder nicht. Da wird ein palästinensisches Propagandamädchen plötzlich zur ukrainischen Widerstandsheldin; oder eine vor mehreren Jahren stattgefundene Explosion kurzerhand in die gegenwärtige Ukraine verlegt. Es entsteht ein Informationsdschungel, in dem es für viele kaum mehr möglich ist, zwischen Wahrem und Falschem zu unterscheiden.

Umso wichtiger ist die Rolle des professionellen Journalismus vor Ort, der mit eigenen Augen auf die Geschehnisse blickt. Und wem sollte man eher zutrauen, diese zweifellos herausfordernde „Großlage“ zu stemmen, wenn nicht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinem acht Milliarden Euro schweren Budget?

Doch wieder einmal werden Zweifel laut, ob der ÖRR seinem Auftrag gerecht wird. Kritik hatte es bereits gegeben, als Rußlands Präsident Wladimir Putin am 21. Februar seine Rede zur Anerkennung von Donezk und Lugansk als unabhängige Staaten hielt und in ARD und ZDF das normale Programm weiterlief. Als dann am 24. Februar die Invasion in die Gesamtukraine folgte, reagierten die Sender durchaus tagesaktuell. Das „Morgenmagazin“ wurde sogar erstmals auch am Samstag und Sonntag ausgestrahlt.

Abzug mitten in der „Großlage“

Für Kritik sorgte nun wiederum etwas anderes: Die ARD entschied, daß Russland-Korrespondentin Ina Ruck mitten in der „Lage“ die Ukraine verließ. Gleichzeitig griff man für Einschätzungen aus erster Hand auf Journalisten anderer Medien zurück, darunter etwa Moritz Gathmann vom Cicero – und das, wo sich zuvor ausgerechnet ein ARD-Korrespondent in Moskau beschwert hatte, daß er von privaten Sendern für kostenlose Einschätzungen angefragt werde.

Das Fachportal Medieninsider faßte es so zusammen: „Bedingt berichtsbereit“. Auch der Medienjournalist Daniel Bouhs bedauerte, „daß die ARD derzeit so schlecht in der Ukraine aufgestellt ist“. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Natterer schrieb bei Twitter: „Wieder ein Grund den ÖRR in seiner jetzigen Form abzuschaffen.“

Inzwischen hat die ARD gehandelt: Ein Korrespondent befinde sich auf der ukrainischen Seite eines Grenzübergangs, ein anderer begleite seit Mittwoch einen Hilfskonvoi in der Ukraine, teilte ein Sprecher am Donnerstag nachmittag gegenüber der JUNGEN FREIHEIT mit. „Wir bereiten zudem die Einreise weiterer Teams vor.“ Die Frage, wovon die ARD den Einsatz von Reporten in Kriegssituationen abhängig macht, blieb unbeantwortet. Unklar ist auch, ob die Korrespondentin Ruck selbst darum bat, das Land verlassen zu dürfen, oder aber herausbeordert wurde.

Wie sieht es beim ZDF aus? Fürs „Zweite“ ist die erfahrene Kriegs- und Krisenreporterin Katrin Eigendorf im Einsatz, die zuletzt unter anderem in Afghanistan unterwegs war und sich am Donnerstag aus dem westukrainischen Khmelnizkyj meldete. Daneben ist ein weiterer Reporter in der Ukraine vor Ort, sowie mehrere in den Grenzregionen.

Auf JF-Nachfrage teilte das ZDF mit, bei der Gefahrenbeurteilung stehe „die Einschätzung der Beschäftigten vor Ort an oberster Stelle“. Zusätzlich würden die Sicherheitsbeauftragten des ZDF einbezogen.

Öffentlich-rechtliche übernehmen fremdes Material

Auffällig bleibt: Kein Reporter der Öffentlich-Rechtlichen befindet sich zur Zeit oder befand sich noch vor kurzem in der Hauptstadt Kiew, die im Zentrum des Geschehens steht – auch wenn bisweilen ein anderer Eindruck entsteht. So waren etwa am Mittwoch abend im „heute journal“ Bilder einer ukrainischen Mutter mit Kindern im Keller zu sehen. Der Film machte zum Teil den Eindruck einer Reportage. Eine kurze Recherche ergibt, daß die Aufnahmen offenbar eigentlich von der BBC stammen und vom ZDF übernommen worden sein müssen.

An anderen Stellen verwendete das ZDF Bilder von der Nachrichtenagentur AP. Transparent gemacht wurde dies nicht. Dem unbedarften Zuseher wird das kaum bewußt sein, auch wenn es sich nicht um eine neue Praxis handelt.

Andere Medien weit überlegen

Meilenweit voraus sind den Öffentlich-Rechtlichen einmal mehr die Privatmedien. Bild-TV hat allein in Kiew zwei Reporter im Einsatz, dazu kommt ein weiterer von der Welt. Die Zuseher konnten in der vergangenen Woche live dabei sein, wie Bild-Vize Paul Ronzheimer sich aus der Ostukraine in Richtung Zentrum durchschlug. Die journalistischen Mängel im Bild-Handwerk bleiben freilich ein Thema für sich.

Zur Frage, inwiefern es auch für das Springer-Blatt eine Option ist, seine Reporter aus der Ukraine zurückzuziehen, äußert sich ein Sprecher von Axel Springer auf Nachfrage nicht konkret. Man bewerte die Lage kontinuierlich, hieß es am Freitag morgen lediglich.

Der Spiegel ist laut Medieninsider vom 2. März mit fünf Reportern vertreten, RTL und n-tv mit drei. Auch das große internationale Vorbild für die Öffentlich-Rechtlichen, die BBC, ist ARD und ZDF weit überlegen. Einem Bericht der Press Gazette zufolge hatte die britische Rundfunkanstalt ab dem 27. Februar sieben Korrespondenten in der Ukraine im Einsatz. Ob sich diese auch aktuell noch vor Ort befinden, ist unklar.

BBC-Reporter Clive Myrie meldete sich zuletzt jedenfalls immer noch aus der Hauptstadt zu Wort. Seine Begründung am Dienstag: „Niemand von uns wird gezwungen, hierher zu kommen. Es ist Teil unseres Jobs. Wir alle haben das Gefühl, dass wir die Geschichte dieses Krieges erzählen wollen, und zwar akkurat und fair.“

Journalisten in der Stadt Wassylkiw in der Oblast Kiew Foto: picture alliance / Photoshot | –
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