BRÜSSEL. Die EU-Kommission hat einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der Kommunikationsdienstleister wie Telegram und WhatsApp verpflichten würde, Chats ihrer Nutzer automatisch vor dem Versenden zu überprüfen. Ziel sei die Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet. „Mit den derzeitigen Regelungen, die auf eine freiwillige Aufdeckung und Meldung durch die Unternehmen setzen, werden Kinder nachweislich nicht ausreichend geschützt“, teilte die EU-Kommission mit.
Sie berief sich auf eine global durchgeführte Studie aus dem Jahr 2021, laut der mindestens jedes fünfte Kind Opfer von sexueller Gewalt wurde und mehr als jeder Dritte Minderjährige bereits im Internet mit sexuellen Avancen konfrontiert worden sei.
Kritik vom Kinderschutzbund
Kritik kam vom Chaos-Computer-Club (CCC) und Bürgerrechtsorganisationen. Sie verwiesen auf die Fehleranfälligkeit heutiger künstlicher Intelligenz und befürchten eine potentielle Beschränkung von Freiheitsrechten. „Eine ‚künstliche Intelligenz‘, die auf Mißbrauchsinhalte untersucht, wird auch Inhalte fälschlicherweise als illegal markieren“, teilte der CCC mit. Wenn jede einzelne Nachricht verdachtsunabhängig durchsucht werde, schlage die Software wahrscheinlich auch bei normalen Fotos und Videos an.
Auch der Kinderschutzbund lehnt das flächendeckende Scannen verschlüsselter Kommunikation ab. Vorstandsmitglied Joachim Türk gab an, daß die überwältigende Mehrheit illegaler Online-Aktivitäten nicht via Messenger-Dienste, sondern über Foren und im Darknet stattfinde.
Facebook-Mutter stellt sich quer
Bereits Mitte April hatte sich der Facebook-Mutterkonzern Meta kritisch zu den Plänen geäußert: „Scantechnologien, die versuchen, proaktiv auf Nachrichteninhalte zuzugreifen, sei es auf dem Gerät einer Person oder anderweitig, ohne die Zustimmung und Kontrolle der Person, könnten von Kriminellen, Hacker oder autoritären Regimen mißbraucht werden und die Sicherheit der Menschen gefährden.“
Lob für das EU-Vorhaben kam von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): „Ich freue mich, daß wir in der Europäischen Union in diesem besonders wichtigen Thema voran gehen. Wir werden den Kommissionsentwurf jetzt genau prüfen und uns intensiv in die Verhandlungen im Rat einbringen.“ (st)