Es soll ja immer noch Menschen geben, die nicht wissen, was „Downton Abbey“ ist. Falls Sie vor der Wende aufgewachsen sind, hilft zur Erklärung am besten sicherlich der Verweis auf die englische Erfolgsserie „Das Haus am Eaton Place“ aus den siebziger Jahren. Denn dem dort erprobten TV-Rezept, fortlaufende Geschichten aus der Zeit zwischen 1912 und 1930 aus der Sicht von Dienern und Bedienten zu erzählen, folgt auch die von Julian Fellowes ersonnene Serie über ein hochherrschaftliches englisches Aristokraten-Anwesen in Yorkshire. Über fünfzig Episoden in sechs Staffeln wurden von 2010 bis 2015 produziert. 2019 folgte der erste Kinofilm. Nun knüpft ein zweiter daran an, der dem Namen nach „eine neue Ära“ einleitet.
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Kleine Nickligkeiten und Intrigen unter dem Gesinde, Adel, der verpflichtet, in der Etage darüber. Die aparte Lady Mary, verkörpert von Michelle Dockery und ihre Eltern Robert (Hugh Bonneville) und Cora Crawley (Elizabeth McGovern), die sich um eher großkalibrige Probleme kümmern und überall gepflegte Manieren, die die Sehnsucht nach einer Zeit wachrufen, in der es so etwas wie Stil und Etikette noch gab: Davon leben die Serie und der neue Film, der am Donnerstag anläuft.
Anders als bei den neun Folgen einer Staffel der Fernsehserie müssen Kinoproduktionen bei der Geschichte schneller zu Potte kommen. Das wirkt sich freilich positiv auf das Erzählte aus. Reichlich betulich schritten doch die auf mehrere Handlungsstränge verteilten großen und kleinen Dramen in den TV-Episoden voran. Und manches verlor man als Zuschauer dabei schon mal aus den Augen. Wie sie die Handlung verdichten können, erprobten die Serienmacher bereits im ersten „Downton Abbey“-Kinofilm. Die Handlung band Autor Fellowes dabei an ein spektakuläres Großereignis, das die Fliehkräfte im Zaume hielt, die in einer mehrteiligen Serie schnell zu einem Ausfransen an den Rändern führen: einen Besuch der Königsfamilie auf Downton Abbey.
Schauplatz wechselt an die Côte d’Azur
Diesmal dreht sich nun alles um eine Filmmannschaft, die den vornehmen Landsitz der Crawleys in Beschlag nimmt und dabei so viel Unruhe verbreitet, daß Julian Fellowes seinen „Abbeyanern“ einen Tapetenwechsel verordnet: Flucht an die Côte d’Azur. Hier hat die große alte Dame der Serie, Roberts Mutter Violet (Maggie Smith), eine Villa geerbt – aufgrund einer früheren Beziehung, über die es noch einiges aus dem Dunkel der Vergangenheit an die strahlende Sonne Südfrankreichs zu zerren gilt. Der neue Schauplatz sorgt für ungewohnte Bilder, die man nicht anders als „très chic“ nennen kann.
Ansonsten kommt die bewährte Grundrezeptur weiter erfolgreich zur Anwendung: Herren und Knechte leben in ihren eigenen Welten, die sich zwar berufsbedingt oder infolge leutseliger Zuwendung edel gesinnter Adliger kreuzen, im übrigen aber Ursprungsorte jeweils eigener Geschichten und Konflikte sind. Sir Robert bleibt auch dann noch um Contenance bemüht, wenn er durch den grausigen Einbruch der Moderne bei sich zu Hause komplett bedient ist. Seine Tochter Mary besticht durch ihren unterkühlten Charme und Violet durch Bonmots wie „Sarkasmus ist die niedrigste Stufe von Esprit“. Da sie mit solchen geistreichen Einzeilern den Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln bringt, ist die exzentrische Hochbetagte die heimliche Heldin des Films.Am Ende bekommt jeder, was er verdient. Vor allem der Zuschauer.