Es ist nicht ungewöhnlich, daß sich Filmemacher nachgestellter Spielszenen bedienen, um ihr Thema eindringlicher zu vermitteln. Erinnert sei an die zahllosen Filme über Persönlichkeiten des Dritten Reiches aus der Fabrikation von Guido Knopp. Solange solche Passagen entsprechend kenntlich gemacht sind, ist das ein akzeptiertes Stilmittel und nicht kritikwürdig. Unseriös wird es, wo auf solche Hinweise verzichtet wird. Und peinlich ist es für die Verantwortlichen, wenn dieses Verwischen von Dokumentation und Spielfilm auffliegt.
Darüber stolperte nun die Dokumentarfilmerin Elke Margarete Lehrenkrauss mit ihrem Werk „Lovemobil“, das das Schicksal von Prostituierten in Wohnmobilen an niedersächsischen Landstraßen thematisiert. Nachdem Recherchen der NDR-Redaktion STRG_F ergeben hatten, daß Teile der angeblichen Dokumentation inszeniert waren, räumte Lehrenkrauss ein, daß die beiden Protagonistinnen keine echten Huren, sondern Darstellerinnen waren. Der Sender, der an der Produktion beteiligt war, distanzierte sich von der Regisseurin.
Doch damit nicht genug. Die Grimme-Nominierungskommission warf „Lovemobil“ aus dem Rennen für die Auszeichnung. „Nach Kenntnisnahme der massiven Vorwürfe rund um den Film ‘Lovemobil’ hat die Nominierungskommission entschieden, der Produktion auf Grund schwerwiegender Verstöße die Nominierung zu entziehen“, sagte Grimme-Direktorin Frauke Gerlach der Nachrichtenagentur am Dienstag dpa.
Die richtige Etikettierung habe gefehlt
Die Filmmacherin gab sich zerknirscht und bedauerte, sensible Gefühle der Zuschauer verletzt zu haben. „Das war nicht meine Absicht.“ Zugleich betonte sie jedoch, daß im Film nichts ausgedacht sei. Allerdings: „Wir haben es nur mit Darstellerinnen nacherzählt.“
Gegenüber STRG_F beharrte sie auf ihrem Vorgehen: „Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben, weil diese Realität, die ich in dem Film geschaffen habe, ist eine viel authentischere Realität.“
Folgt man ihrer Darstellung, trägt der NDR mindestens eine Mitschuld am nun aufgeflogenen Schwindel. So habe sie den Sender gebeten, den Film als künstlerischen Film zu kennzeichnen, was jedoch nicht geschehen sei. „Es hat einfach an der richtigen Etikettierung gefehlt“, so ihre Erklärung, die den schwarzen Peter dem NDR zuschiebt.
Filmmacherin gewinnt 10.000 Euro
Interessant ist an dem Fall, daß der mit öffentlichen Fördermitteln gedrehte Film 2019 im Kasten war. Im Juli 2020 räumte „Lovemobil“ den Deutschen Dokumentarfilmpreis ab. Den Gewinn von 20.000 Euro teilte sich Lehrenkrauss damals mit einem weiteren Erstplatzierten.
Fragt sich nur, warum die Dokumentarfilmerin spätestens an dem Zeitpunkt nicht auf die genutzten künstlerischen Freiheiten ihrer angeblichen Dokumentation aufmerksam gemacht hat?