Der Schriftsteller Jörg Bernig aus dem sächsischen Radebeul hat an die Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Sächsischen Akademie der Künste und der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaft und Künste, denen er angehört, einen offenen Brief gerichtet, der ein Anstoß sein soll für eine Diskussion über die sich häufenden Angriffe auf die Freiheit des Wortes und der Kunst – bekannt als „Cancel Culture“ –, die Angriffe auf die bürgerliche Freiheit überhaupt sind.
„Wir hören, wenn überhaupt, zumeist nur dann davon, wenn Professoren betroffen sind, ihre von einem ominösen Mainstream abweichenden Vorträge von Radikalen gestört oder die Vortragsräume besetzt werden. Das meiste jedoch wird, gerade bei Künstlern, im verborgenen vollzogen. Abgesagte Lesungen, Streichung von der Liste in öffentlich-rechtlichen Medien präsentierter Schriftsteller, Musiker und Künstler, ausbleibende Engagements, verweigerte Ausstellungen und Konzerte, kurz: Löschung aus dem Kultur- und Medienbetrieb. Die damit geschlagenen Künstler werden so im stillen erledigt. Und keiner bemerkt es, denn es wurde ja dafür gesorgt, daß es sie in der kulturellen Öffentlichkeit nicht mehr gibt.“
Bezirksregierung spricht von „organisatorischen Gründen“
Anlaß ist ein weiterer persönlicher Tiefschlag, der ihn gerade getroffen hat. Eine vorbereitete und öffentlich angekündigte Lesung aus seinem Roman „Eschenhaus“, die im Sudetendeutschen Musikinstitut in Regensburg am Donnerstag dieser Woche stattfinden sollte, wurde vom Bezirk Oberpfalz, der bayerischen Regierungsbehörde, die dem Musikinstitut vorsteht, abgesagt. Als Grund wurde ihm mitgeteilt, daß man über ihn, Bernig, im Internet recherchiert habe und die Orte, an denen er publiziere oder publiziert habe, mißfallen würden.
Die JUNGE FREIHEIT hatte die Absage bereits vor zwei Wochen vermeldet und beim Bezirk Oberpfalz nachgefragt. Die Antwort der Pressestelle liegt vor. Darin wird behauptet, die Entscheidung sei allein durch das Sudetendeutsche Musikinstitut getroffen worden. Keineswegs sei eine „Weisung“ der Bezirksbehörde erfolgt. „Der Verzicht auf die Veranstaltung erfolgte aus organisatorischen Gründen, da sich der Termin zum angesetzten Zeitpunkt nicht verwirklichen ließ. Aufgrund eines zeitnah bevorstehenden Wechsels in der Leitung des Sudetendeutschen Musikinstituts aufgrund der Pensionierung des bisherigen Leiters ist auch keine Organisation eines Ersatztermins geplant.“ Man greift sich an den Kopf. Wie kann ein Personalwechsel einen Ersatztermin unmöglich machen?
Wikipedia dient als Ausgangspunkt
Hieb- und stichfest nachweisen lassen sich staatliche Zensurmaßnahmen kaum. Entsprechende Anweisungen werden mündlich erteilt, so daß die Abläufe sich nicht aus den Akten rekonstruieren lassen. Widerspruch und Richtigstellungen aus den nachgeordneten Institutionen sind wegen der Unterstellungs- und Abhängigkeitsverhältnisse ebenfalls nicht zu erwarten.

Die „Recherchen“ der Behörden bestehen in der Regel aus der Wikipedia-Lektüre. Und da hat Bernig schlechte Karten. Im Eintrag zu seiner Person ist das übliche Stigmatisierungs- und Denunziationsvokabular aufgeführt: „Bernig vertritt laut Kritikern ‘migrations- und islamfeindliche Thesen und Gedanken’, die ‘dem AfD- und Pegida-Denken nahe’ seien.“ Er verstehe seine Sichtweise als überparteilich, während ihn der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung, der Berliner Tagesspiegel, der Deutschlandfunk und andere der „Neuen Rechten“ zuordneten.
In der Regel geht die Initiative nicht von subalternen Beamten aus, sondern es treffen bei ihnen Mails, Briefe oder Anrufe sogenannter Aktivisten ein. Man habe ein bißchen im Netz gestöbert und sei zufällig auf diese Person und jenen Termin gestoßen. Zufällig wisse man, daß dieser Künstler – dessen Werke man zwar nicht kenne – in unmöglichen Zusammenhängen auftauche und zitiert werde, und die staatsbürgerliche Pflicht gebiete es, darauf die Behörde aufmerksam zu machen. Vorsorglich werde man auch die Medien informieren, und möglicherweise komme es zu öffentlichen Protesten. Und dann geht alles seinen sozialistischen Gang.
Bernigs Vernichtung begann 2015
Bernigs Vernichtung als öffentliche Person begann 2015, nachdem er in der in Dresden erscheinenden Sächsischen Zeitung unter der Überschrift „Zorn allenthalben“ seine Kritik an der Grenzöffnung und am orchestrierten Medienjubel publiziert hatte. 2016 präzisierte er die Einwände in seiner „Kamenzer Rede“, der Dankrede zur Verleihung des sächsischen Lessing-Preises. Er beschrieb die Legalisierung der wilden Zuwanderung als eine – zugespitzt gesagt – biopolitische Maßnahme, mit der auf „fundamentale Weise in den zukünftigen Verlauf des Lebens in Deutschland“ eingegriffen würde.
Zweitens erklärte er den innerdeutschen Ost-West-Unterschied aus einer unüblichen Perspektive. Während die Bürger aus der Ex-DDR eine Vorstellung von „Deutschland“ präferierten, würden die Westdeutschen – zumindest jene, die den Ton angeben – sich weiter auf eine „Bundesrepublik“ fixieren, die „Deutschland“ hinter sich gelassen habe und die sie als komfortablen Freizeitpark mit hypermoralischem Erbauungserlebnis erinnerten.
Den BRD-Denkhorizont dekonstruiert
Mit der Dekonstruktion seines beschränkten Denk- und Erfahrungshorizonts war der bundesdeutsche Diskursbetrieb heillos überfordert. Er tat, was er in solchen Fällen immer tut: Er erklärte seinen Kritiker zum „Rechten“ und damit zur Unperson. So auch der Radebeuler Kulturverein, der auf die Wahl Bernigs zum Kulturstadtrat im Jahr 2020 mit einem Protestschreiben reagierte, weil zu „befürchten (sei), daß dieser Kulturamtsleiter die freiheitliche Ausübung von Kunst und Kultur behindern oder einengen könnte“.

Es folgte eine bundesweite Kampagne, an der sich alle etablierten Medien und Zeitungen von der taz über die Süddeutsche bis zur FAZ beteiligten und die Bernig schließlich zum Rückzug bewog. Auch das deutsche PEN-Zentrum mochte nicht abseits stehen und wandte sich „mit aller Schärfe gegen nationalistische Bewegungen, insbesondere gegen Positionen, wie sie AfD, Pegida und ähnliche Gruppierungen vertreten“. Und ein scharf linksdrehender Feuilletonist höhnte: „Und als Chef des Kulturamtes würde er (Bernig) es tolerieren, von eben jenem Merkel-Regime Geld zu kassieren, dem er ‘totalitäre’ Methoden vorwirft. Kann diesem geschundenen Mann, der ständig zur Selbstverleugnung gezwungen wird, nicht vielleicht die AfD finanzielles Asyl gewähren?“
„Sollten wir uns nicht aushalten?“
Abgesehen vom Tonfall, der auf eine sadistische Prädisposition schließen läßt, und von der Falschbehauptung, daß es sich um das Geld des „Merkel-Regimes“ (statt des Steuerzahlers) handelt, sind die Sätze erhellend. Es geht um die Verteidigung der eigenen materiellen Privilegien und um die soziale Vernichtung des Gegners. Für die Aus- und Gleichschaltung ist der Kultur- und Medienbetrieb eine geeignete Instanz, denn Künstler müssen, um arbeiten, wirken und ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, öffentlich sein. Wer in der Öffentlichkeit nicht vorkommt, nicht auftreten oder ausstellen kann, nicht rezensiert wird, der existiert nicht.
In Bernigs Brief an die Akademiepräsidenten heißt es: „Ich sagte es: Jede und jeden von uns kann es morgen treffen, man muß nur auf einem der eben genannten Felder öffentlich seine Dissidenz kundtun. Hier nun stellt sich mir die Frage: Wie stehen wir als Akademie dazu? Stimmen wir stillschweigend zu? Sind wir im Grunde vielleicht froh darüber, daß uns unangenehme Ansichten und Personen samt ihren Werken zum Verschwinden gebracht werden? Oder sollten wir doch das, was wir in den Akademien an guten Tagen ja auch praktizieren, nämlich einander mit all unseren divergierenden Werken, Ansichten, Gedanken und Äußerungen auszuhalten, als eine grundlegende Forderung an die Welt außerhalb der Kunstakademien richten?“
Wir werden sehen, ob und was daraus folgt.