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Buchrezension: Ein Plädoyer für Kernkraft und Vernunft

Buchrezension: Ein Plädoyer für Kernkraft und Vernunft

Buchrezension: Ein Plädoyer für Kernkraft und Vernunft

Vor einem warmen Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang stürzen die Kühltürme des des ehemaligen Kernkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld in sich zusammen – dank des Ausstiegs aus der Kernkraft, auch Kernenergie genannt, werden sie gesprengt. Reaktor
Vor einem warmen Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang stürzen die Kühltürme des des ehemaligen Kernkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld in sich zusammen – dank des Ausstiegs aus der Kernkraft, auch Kernenergie genannt, werden sie gesprengt. Reaktor
Die Kühltürme des ehemaligen Kernkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld während der Sprengung, August 2024 / Foto: picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum
Buchrezension
 

Ein Plädoyer für Kernkraft und Vernunft

In ihrem Buch „Atomenergie – jetzt aber richtig“ legen die Autoren Manfred Haferburg und Klaus-Dieter Humpich dar, warum der deutsche Ausstieg aus der Kernkraft ein energiepolitischer Irrweg ist. Doch wie fundiert ist ihre Perspektive?
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Der Buchtitel ist ein wenig irreführend. Atomenergie ist eigentlich die Summe der in einem Atom enthaltenen Energie. Kernenergie ist jene Energie, die freigesetzt wird, wenn ein Atomkern (etwa Uran-235) gespalten wird. Die Verwendung des umgangssprachlichen Begriffs Atom- statt Kernenergie spricht daher eigentlich gegen Fachkompetenz. Auf „Atomenergie – jetzt aber richtig“ trifft dies nicht zu, zumal mit Manfred Haferburg und Klaus-Dieter Humpich zwei ausgewiesene Experten die Autoren sind. Und: Schließlich wurde auch der spätere CSU-Chef Franz Josef Strauß vor 70 Jahren „Bundesminister für Atomfragen“, der die „Deutsche Atomkommission“ gründete, die sich der „friedlichen Verwertung der Atomenergie“ widmete.

Haferburg und Humpich liefern nun einen wichtigen Beitrag zum energiepolitischen Diskurs und Munition im Kampf gegen die von falschen Annahmen und Ängsten überlagerte deutsche Debatte um die Atomkraftwerke (AKW). Diese bereichern sie durch eine fundierte Problemanalyse und einen konstruktiven Lösungsansatz. Sie legen entsprechend nicht nur die Schwächen der „Energiewende“ offen, sondern bieten zugleich praxisorientierte Ideen, die auf technischem Wissen, jahrzehntelanger Erfahrung und der inzwischen ins Ausland abgewanderten Forschungsarbeit beruhen.

Deutsche Energieversorgung taumelt

Haferburg studierte an der TU Dresden Kernenergetik, arbeitete danach im AKW Greifswald, und nach 1990 kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Kernkraftwerken. Humpich studierte Maschinenbau sowie Energie- und Verfahrenstechnik und arbeitete am Institut für Kerntechnik der TU Berlin. Bereits ihre Einleitung verdeutlicht die hohe Dringlichkeit des Themas. Beide setzen dabei konsequent auf Fakten und wissenschaftliche Analysen, um die Fehlentwicklungen seit dem 2011 von Angela Merkel verkündeten beschleunigten Atomausstieg darzustellen.

Seit dieser energiepolitischen Volte einer schwarz-gelben Bundesregierung zu Lasten der Bürger, der Unternehmen und der europäischen Nachbarn taumelt die deutsche Energieversorgung wie die deutsche Wirtschaftsleistung durch den Verzicht auf CO₂-freie Grundversorgung durch die ehemals sichersten AKW der Welt auf einem absteigenden Pfad. Insbesondere Haferburg ist dabei ein Experte, der fehlgesteuerte Energiemärkte, Produktionssysteme und die Folgen einer zusammenbrechenden Energieversorgung bereits in der DDR kennengelernt hat.

Auf dem Buchcover von "Atomenergie, jetzt aber richtig" von Manfred Haferburg und Klaus-Dieter Humpich sind rote Buchstaben auf gelben Grund zu sehen – es geht um Kernenergie
Manfred Haferburg/ Klaus-Dieter Humpich: Atomenergie. 240 Seiten, Achgut-Edition, Jetzt im JF-Buchdienst bestellen

Kernkraft bietet unschlagbare Vorteile

Seine Expertise fußt auf einer Karriere in der DDR-Stromerzeugung durch Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart und später internationalen Einsätzen für die AKW-Sicherheitskultur. Seine praktische Erfahrung und seine detailreichen Berichte machen ihn zu einem einzigartigen Chronisten der AKW-Geschichte. Humpich bringt tiefgreifendes Wissen aus der Forschung im Bereich der Kerntechnik ein und vereint Theorie und Praxis der Reaktortechnik wie der Energieversorgung und Netzstabilität. Ihre Expertise macht beide Autoren wenig überraschend zu Befürwortern der Atomenergie und zu Verfechtern von deren Ausbau über die verschiedensten neuartigen Reaktortypen der unterschiedlichen Generationen.

Dabei erklären sie anschaulich, warum AKW im Vergleich zu Wind- und Solarenergie unschlagbare Vorteile in Bezug auf Zuverlässigkeit, Energieeffizienz und CO₂-Reduktion bieten. In den Kapiteln zu den einzelnen Reaktortypen zeigen die Autoren mit beeindruckender technischer Tiefe auf, welche wirtschaftlichen und technischen Pfade der Energieproduktion durch Kernspaltung oder Zerfall beschritten werden können. Das energiewirtschaftlich wie sicherheitstechnisch sinnvolle Ziel, die Energieproduktion weg von großen Einheiten in Richtung der Verbraucher zu dezentralisieren wird erfolgreich als Kernelement einer zukunftsfähigen Energieversorgung dargestellt.

Flüssigsalz-Reaktoren eröffnen neue Chancen

Dabei gehen sie umfassend auf verschiedene Reaktortypen ein, von klassischen Leichtwasserreaktoren (etwa die 2023 abgeschalteten AKW Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2) bis hin zu fortschrittlichen Konzepten wie den Generation-IV-Reaktoren. Diese werden sowohl technisch als auch bezüglich der Auswirkungen auf Netze und Umgebung detailliert und keineswegs einseitig erläutert. Besonders hervorgehoben werden die innovativen Eigenschaften von Hochtemperaturreaktoren, deren Steuerung zwar aufwendiger ist, die jedoch die vielerorts gesuchte Abwärme liefern können, die ein langfristiger Verzicht auf kohlebasierte Heizkraftwerke erforderlich machen wird.

Auch die Vielseitigkeit von schnellen Brutreaktoren, die zur effizienteren Nutzung von Brennstoffen und zur Reduktion von strahlenden Reststoffen beitragen, wird anschaulich dargestellt. Zudem beleuchten die Autoren die Chancen, die sich durch den Einsatz von Flüssigsalz-Reaktoren ergeben, die eine inhärente Sicherheit und Flexibilität bieten.

Die weltweite AKW-Entwicklung ist sehr dynamisch, so daß sich vereinzelt Details weiterentwickelt haben. Der erste Flüssigsalzreaktor chinesischer Bauart hat Tests wie Probeläufe erfolgreich absolviert und befindet sich im Dauerbetrieb. Dies findet leider keine angemessene Erwähnung. Dagegen werden die Planungen des bleigekühlten Sealer-Reaktors vorgestellt, allerdings ist das Projekt „Swedish Advanced Lead Reactor“ hinter seinen ambitionierten Zeitplan zurückgefallen.

China, Japan, USA und Kanada setzen weiter auf Kernkraft

Anstatt einen Prototypen zu bauen, wurde erst eine Kooperationsvereinbarung mit dem schwedisch-schweizerischen ABB-Konzern durch die Entwickler unterzeichnet. Zudem werden in der Einleitung mittels historischer Beispiele die Folgen von Schwankungen der Stromversorgung, volatiler Einspeisungen und eines Blackouts beschrieben. Kontrollierte wie unkontrollierte „Brownouts“, die viel häufiger sind, und ihre potentiellen Folgeschäden in Milliardenhöhe werden allerdings nicht explizit erwähnt.

Dennoch ist das Buch eine exzellente Beschreibung des Fiaskos der deutschen Energiewende und der aktuellen wie bedauerlicherweise auch nach der Bundestagswahl weiter zu erwartenden Energiepolitik. Die beiden Autoren verfallen allerdings nicht in Stillstand, Resignation oder Akzeptanz des deutschen Irrwegs. Und die internationalen Entwicklungen geben ihnen recht: Wichtige EU-Staaten, China, Japan und Südkorea oder die USA und Kanada setzen weiterhin auf die Verwertung der Atomenergie, wie es Deutschland sieben Jahrzehnte lang auch getan hat.

Haferburg und Humpich nutzen den energiepolitischen Königsweg der Kernenergienutzung, um konkrete, erforschte und de facto sofort umsetzbare Maßnahmen aufzuzeigen. Sie tun dies in einer technisch anspruchsvollen und trotzdem leicht verständlichen Sprache, die den klar gegliederten Text mit allen Grafiken verständlich und gut lesbar macht. „Atomenergie – jetzt aber richtig“ wird so zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für wissenschaftsbasierte Entscheidungen und in der Folge ein deutsches energiepolitisches Umdenken. Das Buch ist eine exzellente Argumentationsgrundlage und bietet zugleich Überzeugungspotential für alle Realisten in der Wirtschaft, die der Atomenergie immer noch skeptisch gegenüberstehen.

Aus der JF-Ausgabe 04/25. 

Die Kühltürme des ehemaligen Kernkraftwerks im bayerischen Grafenrheinfeld während der Sprengung, August 2024 / Foto: picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum
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