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Auszug aus Karlheinz Weißmanns neuem Nachschlagewerk: „Lexikon politischer Symbole“: Schwarz-Rot-Gold

Auszug aus Karlheinz Weißmanns neuem Nachschlagewerk: „Lexikon politischer Symbole“: Schwarz-Rot-Gold

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Schwarz-Rot-Gold: Feiernde schwenken die deutsche Flagge beim Fest der Einheit Anfang Oktober 1990
Schwarz-Rot-Gold: Feiernde schwenken die deutsche Flagge beim Fest der Einheit Anfang Oktober 1990
Schwarz-Rot-Gold: Feiernde schwenken die deutsche Flagge beim Fest der Einheit Anfang Oktober 1990 Foto: picture alliance / imageBROKER | Manfred Vollmer
Auszug aus Karlheinz Weißmanns neuem Nachschlagewerk
 

„Lexikon politischer Symbole“: Schwarz-Rot-Gold

Mit dem „Lexikon politischer Symbole“ legt der Historiker Karlheinz Weißmann ein umfassendes Nachschlagewerk vor. Bei seinem Streifzug durch die Landschaft der politischen Symbole widmet er sich auch den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold. Ein gekürzter Auszug.
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Schwarz-Rot-Gold geht als deutsches Nationalsymbol auf das Zeitalter der Befreiungskriege zurück. Studenten hatten einen großen Teil der Freiwilligen in den Kämpfen gegen Napoleon gestellt und bildeten nach deren Ende die treibende Kraft einer neuen Nationalbewegung. In einigen ihrer Gruppen war der Plan entstanden, eine umfassende Reform der studentischen Korporationen durchzuführen. An die Stelle landsmannschaftlicher Zersplitterung oder elitärer Abschließung sollte eine »Allgemeine teutsche Burschenschaft« als Selbsterziehungsgemeinschaft und gleichzeitig als Modell der zukünftigen Nation treten.

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Die Jenaer Burschenschaft war die eigentliche Keimzelle der studentischen Reformbewegung. Sie wurde bereits am 12. Juni 1815, noch ganz unter dem Eindruck der Befreiungskriege, gegründet. Von den ersten elf Mitgliedern hatten acht oder neun dem Lützowschen Freikorps angehört. (…)

Von den Uniformen des Freikorps – Fahnen durfte die Einheit auf ausdrücklichen Befehl des preußischen Königs nicht führen, nur schwarz-rote Lanzenwimpel – leitete die Jenaer Burschenschaft ihre eigenen Farben Schwarz und Rot ab. Zwar gab es an der Kleidung und der dazugehörenden Schärpe goldene Verzierungen, aber Gold war noch keine dritte Farbe. Nach der Verfassungsurkunde vom 12. Juni 1815 waren Rot und Schwarz die »Farben des Paniers«. Entsprechend zeigte auch die berühmte Fahne, die die Jenaer am 31. März 1816 von den »Frauen und Jungfrauen« der Stadt zum Geschenk erhielten, übereinander drei Tuchstreifen in Rot-Schwarz-Rot, aufgelegt – als Symbol des Deutschtums – ein gestickter goldener Eichenzweig (Eichenblatt). Und zum Wartburgfest am 18. Oktober 1817, einem Treffen von etwa fünfhundert Abgesandten von zwölf deutschen Universitäten anläßlich des dreihundertsten Jahrestages der Reformation 1517 und des vierten der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, schrieb August Daniel von Binzer ein erstes Lied auf »Schwarz Roth und Gold«.

Als nach der Pariser Juli­revolution von 1830 auch in Deutschland die Zeit für Veränderungen gekommen schien, waren die Farben, wenngleich bei unterschiedlicher Anordnung der Tuchstreifen, schon ganz allgemein akzeptiert. Auf dem Zug zum Hambacher Fest 1832 trugen die Patrioten schwarz-rot-goldene Fahnen, Kokarden und Schärpen. Zum erstenmal wurden die deutschen Farben öffentlich auf der Burgruine gehißt. (…)

Im März 1848 beschloß die Bundesversammlung die Festlegung eigener Symbole, darunter auch eine schwarz-rot-goldene Fahne: »Eben so werden die Bundesfarben der deutschen Vorzeit zu entnehmen seyn, wo das deutsche Reichspanier schwarz, roth und golden war.« (…) Die Farben des Vormärz und jene, die auf den Barrikaden der Revolution von 1848 geweht hatten, waren für das allgemeine Bewußtsein die »deutschen Farben« schlechthin geworden. (…)

Schwarz-Rot-Gold galt als Symbol des Landesverrats

Erst mit Beginn des Ersten Weltkrieges und dann im Zusammenhang mit den Diskussionen um einen »Mitteleuropäischen Staatenbund« erhoben sich auch in Deutschland zunehmend Stimmen, die das Schwarz-Rot-Gold als das Symbol der zukünftigen politischen Gemeinschaft betrachteten. Und als solche Ideen an den harten Realitäten der militärischen Niederlage zerbrachen, blieb den Großdeutschen immer noch die Hoffnung auf den Anschluß Deutsch-Österreichs an das Reich unter den alten Farben. (…)

Daß der Zusammenschluß der beiden Staaten durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verboten wurde, hatte dann eine erste Diskreditierung der Farben Schwarz-Rot-Gold zur Folge. Die zweite hing mit einem älteren Sachverhalt zusammen. Schwarz-Rot-Gold war schon zu Beginn des Krieges in den Ruf gekommen, Symbol des Landesverrates zu sein. Eine mit französischen Geldern finanzierte und von der Schweiz aus operierende Gruppe von Deutschen, die »Freunde der deutschen Republik«, benutzten die Farben bereits 1915 für ihre Sache, und noch im Frühjahr 1918 warfen Flugzeuge der Entente über der Westfront Aufrufe zur Desertion und zum Umsturz ab, die mit einem schwarz-rot-goldenen Streifen gekennzeichnet waren

Insofern waren die Ausgangsbedingungen für die Verhandlungen der Nationalversammlung in Weimar zur Flaggenfrage denkbar ungünstig. Am 24. Februar 1919 sprach der Reichsminister des Inneren, Hugo Preuß, vor der Konstituante für die Einführung einer schwarz-rot-goldenen Reichsflagge. (…) Gegen den Vorschlag der Regierung erhob sich sofort Widerspruch seitens der politischen Rechten, die die alten Reichsfarben bewahren wollte. Schließlich wurde die Frage im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung behandelt. In deren Sitzung am 3. Juni 1919 sprachen sich die Vertreter der konservativen DNVP, der nationalliberalen DVP und des katholischen Zentrums für die Beibehaltung von Schwarz-Weiß-Rot aus, die linksradikale USPD plädierte für die Reichsflagge in Rot, für Schwarz-Rot-Gold waren die Abgeordneten der DDP und der SPD. Die Abstimmung am folgenden Tag ergab eine Mehrheit für Schwarz-Rot-Gold von 23 gegen 19 Stimmen. (…)

Schwarz-Rot-Gold als gesamtdeutsches Symbol

Daß das Schwarz-Rot-Gold dann doch erneut zur deutschen Nationalflagge werden konnte, hatte nicht nur mit der militärischen Niederlage und der politischen Katastrophe von 1945 zu tun, sondern auch mit den besonderen Umständen, unter denen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine deutsche Staatlichkeit rekonstruiert werden konnte. Noch während des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, der vom 10. bis 23. August 1948 tagte, waren sehr unterschiedliche Positionen in bezug auf die Nationalsymbole eines künftigen (west-)deutschen Staates deutlich geworden.

Im dafür zuständigen Unterausschuß erhoben sich Stimmen, die überhaupt gegen die Einführung einer Flagge für ein politisches Provisorium auftraten, das die Bundesrepublik vor Wiedervereinigung und Abschluß eines Friedensvertrages zwangsläufig sein mußte. Trotzdem setzte sich schließlich der Vorschlag des Sozialdemokraten Carlo Schmid durch, den folgenden Passus in das Grundgesetz einzufügen: »Der Bund führt die schwarz-rot-goldene Flagge der Deutschen Republik. Das Nähere bestimmt ein Gesetz.« (…)

In den Sitzungen des Parlamentarischen Rates, der dann das Grundgesetz für die Bundesrepublik ausarbeitete, wurde die Flaggenfrage erneut kontrovers diskutiert. Wieder war es die Sozialdemokratie, die vorbehaltlos für eine Rückkehr zur schwarz-rot-goldenen Tri­kolore eintrat, die Gegenstimmen kamen aus dem Lager der CDU/CSU und der kleinen konservativen Deutschen Partei. Der Parlamentarische Rat beschloß, bei nur einer Gegenstimme, als Art. 22 in das Grundgesetz aufzunehmen: »Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.« (…)

Obwohl der ursprüngliche Sinn der Wahl der Farben Schwarz-Rot-Gold durch die Bundesrepublik, ähnlich wie das Gebot der Wiedervereinigung im Grundgesetz, lange in Vergessenheit geraten war, erwies sich Schwarz-Rot-Gold im Zuge der »friedlichen Revolution« von 1989 und des »Anschlusses« der neugegründeten Bundesländer auf dem Territorium der untergehenden DDR als das eigentliche gesamtdeutsche Symbol.

JF 40/22

Schwarz-Rot-Gold: Feiernde schwenken die deutsche Flagge beim Fest der Einheit Anfang Oktober 1990 Foto: picture alliance / imageBROKER | Manfred Vollmer
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