Da hat es die mutwillige Meute der Islamkritiker doch tatsächlich gewagt, das mächtige Imperium des Gutmenschentums herauszufordern! Doch nun schlägt das Imperium zurück – oder versucht es zumindest. Denn statt furchteinflößender Armeen jagt es nur einen einsamen Don Quichotte hinaus auf die Walstatt: Patrick Bahners, im Zivilleben Feuilletonchef der FAZ und „Ehrenpräsidente“ (sic!) der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus.
Dieser mutige Kämpfer für religiöse Toleranz, in dessen Biographie sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, daß er schon einmal ernsthaft mit den Auswüchsen der islamischen Parallelgesellschaft konfrontiert war, will die Nation mit seiner „brillanten Streitschrift“ (so das überhaupt nicht peinliche Lob auf dem Umschlag aus der Feder eines anonymen Sancho Pansa) davon überzeugen, daß sich hierzulande niemand, aber auch wirklich niemand, vor dem Islam fürchten muß: Alles was man derzeit von verwirrten „Berserkern“ wie Henryk M. Broder oder Thilo Sarrazin (Bahners: „Pöbel-Thilo“) über diese weitgehend treffliche Religion höre, seien „Kurisositäten von gestern“, „schreckliche Vereinfachungen“ oder „bizzare Phantasien“.
Doch wer ist nun wirklich „in die eigene Plumpheit vernarrt“: Sarrazin und Broder, die Dissidentin Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali (welche sich doch tatsächlich von ein paar Morddrohungen ins Bockshorn jagen ließ), der umtriebige Ulf Ulfkotte oder vielleicht doch Bahners mit seiner Larmoyanz angesichts der „radikalen Hermeneutik des Verdachts“, unter der die Politische Korrektheit und die Mainstream-Medien in Islamfragen neuerdings zu leiden hätten?
Bedrohungsgefühle der „Ungläubigen“
Jedenfalls hetzt Bahners in dem krampfhaften Bemühen, den „wahnhaft“ besorgten Nichtmuslimen wortreich – und dadurch manchmal auch arg einschläfernd – klarzumachen, daß sie völlig falsch liegen, seine japsende Rosinante ständig zwischen zwei Argumentationsfeldern hin und her: mal bezeichnet er das Handeln der Muslime als völlig legitim (etwa wenn weibliche Staatsdienerinnen partout auf ihrem Kopftuch bestehen), mal charakterisiert er die Bedrohungsgefühle der „Ungläubigen“ als Ergebnis paranoider Fehlwahrnehmungen. So sieht Bahners in der schleichenden Einführung der Scharia in bestimmten Bereichen unserer Gesellschaft „nichts als die Wahrnehmung von Gestaltungschancen, die der Rechtsstaat den Rechtssubjekten eröffnet“.
Ebenso leugnet er entschieden, daß muslimische Straftäter bei der Urteilszumessung für „Ehrenmorde“, Zwangsheiraten, Sozialbetrug und dergleichen regelmäßig einen „kulturellen Rabatt“ erhalten. Zustimmend referiert der Islam-Verteidiger zudem die Ansicht des Erlanger Juristen Mathias Rohe, daß die Todesstrafe für den Abfall vom islamischen Glauben zwar ein gewisses „rechtskulturelles Problem“ darstelle – aber doch bitte nur in den „rückständigsten Ländern“ weit weg von Deutschland!
In der ebenfalls nun kaum mehr zu ignorierenden Gewaltbereitschaft und Deutschenfeindlichkeit junger Muslime sieht Bahners ein bloßes „Disziplinproblem“, welches boshafterweise zur Legitimierung von Ausländerfeindlichkeit mißbraucht werde. Allerdings sei es tatsächlich zu einer „Verrohung des öffentlichen Lebens“ gekommen – jedoch mitnichten als Folge des herausfordernden Auftretens von Noch-Minderheiten, sondern ausschließlich als von Deutschen zu verantwortende Konsequenz aus der Kopftuch-, Moschee- und Sarrazin-Debatte.
„Der Verniedlicher“
Hier zeigt Bahners tatsächlich Ansätze von Brillanz: man beachte seine Gewandtheit bei der Kreation neuer Spielarten des Sprachmißbrauchs im Stile von George Orwells „Neusprech“! Manchmal freilich hüllt sich der Panikbekämpfer auch in vornehmes Schweigen, denn zu den diversen entlarvenden Passagen des Koran fiel ihm offenbar genausowenig etwas Apologetisches ein wie zu den Gewaltphantasien rund um den Jihad, den Morden an Islamkritikern oder der prekären Situation von Christen in islamischen Ländern.
Ebenso scheint die Debatte um den Charakter des Urislam, an der historisch-kritisch vorgehende westliche Islamforscher teilweise nur noch unter Pseudonym teilnehmen können, um nicht Leib und Leben zu riskieren, spurlos an dem selbsternannten Islamfachmann vorübergegangen zu sein. Aber sei’s drum: Den Ehrentitel „Der Verniedlicher“ hat sich Bahners trotzdem redlich verdient! Und dann noch der überaus fulminante Schluß, in dem den morschen Windmühlen der Islamkritik endgültig der Garaus gemacht werden soll. Hier nämlich kommt nun die Mutter aller Argumente gutmenschlicher Provenienz zum Einsatz: Wer den Islam für eine Bedrohung halte, folge demselben Reaktionsmuster wie der Antisemitismus!
Nichtsdestotrotz freilich bleiben nach dieser Klimax hochambitionierter Rabulistik mindestens zwei Fragen offen: Hätte der Anti-Sarrazin tatsächlich das Format, als Ghostwriter von Erdogan zu fungieren, wie der oberste aller „Panikmacher“ in der Hausgazette seines Widerparts anregte, oder würde Bahners doch am Ende Angst vor der eigenen Courage bekommen? Und wird sich die wohlkalkulierte Provokation ebenso gut verkaufen wie „Deutschland schafft sich ab“?
Dann bekäme der bekennende Donaldist endlich die Chance, es dem Donald-Onkel Dagobert gleichzutun und im Gelde zu baden. Auf jeden Fall würde es für Bahners kein Problem darstellen, wenn bei diesem freudigen Ereignis nur Männer zugegen wären, denn selbstverständlich sieht er es auch nicht als schnöde Feigheit an, die verstaubten Moralvorstellungen einer Religion hinzunehmen, welche jedwede Form des Kontakts zwischen den Geschlechtern unter Verdacht stellt.
Patrick Bahners: Die Panikmacher Die deutsche Angst vor dem Islam. Verlag C.H. Beck, München 2011, gebunden, 320 Seiten, 19,95 Euro
JF 10/10