Schon wieder ein Ossi-Buch! Wurde den Wessis 36 Jahre nach dem Mauerfall immer noch nicht ausreichend erklärt, wie der Osten tickt? Alexander Prinz, einigen vielleicht als Youtuber bekannt (die JF porträtierte ihn ausführlich), kommt aus der ärmsten Region des armen Ostens, aus Sachsen-Anhalt.
Prinz wurde fünf Jahre nach dem Mauerfall geboren, kennt also die DDR nur vom Hörensagen. Im Kaff Nemsdorf-Göhrendorf, 800 Einwohner, kam von den blühenden Landschaften, die den Ossis einst vollmundig versprochen wurden, nichts an. Und so widmet er sein Buch den „Freunden, die es nicht geschafft haben. Ihr seid unvergessen.“ Als Youtuber ist es Prinz gewohnt, starke Headlines zu kreieren, um „User“ anzulocken, und sie dann möglichst bis zum Ende des Videos online zu halten.

Für Prinz war der Westen „eine andere Welt“
Zum Glück hat der Verlag diesem Schema widerstanden, das Buch liest sich wie ein ganz normales Buch, mit ordentlichen Kapiteln, die ohne reißerische Titel auskommen. Der Inhalt hat es jedoch in sich. Mixt Prinz am Anfang noch viel Statistikmaterial („Nur 1,7 Prozent aller Übernachtungen in Deutschland entfallen auf Sachsen-Anhalt“) in den Text ein, so gerät er im Laufe des Buches immer mehr in den biographischen Erzählmodus.
Und man erkennt schnell: Ein Aufwachsen im tiefen Osten unterscheidet sich fundamental vom Aufwachsen in, sagen wir mal, Überlingen am Bodensee. Dorthin fuhr der Schüler Prinz einmal in Urlaub mit seinen Eltern, und er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dort kurvten jene Autos wie Audi R8, Porsche oder Aston Martin DB9, die er nur als Supertrümpfe seines Auto-Quartetts kannte, ganz normal im Alltag mit ganz normalen Menschen herum! „Eine andere Welt, nur wenige hundert Kilometer entfernt“, resümiert Prinz. Doch der Zoni verbindet Gesellschaftskritik mit Hoffnung.
Er führt nicht nur Klage über Ungerechtigkeit, sondern zeigt auch Möglichkeiten auf. In seinem Fall war es das Internet, speziell Youtube. Während Jugendliche in seiner Region kaum Hoffnung auf Karriere hatten, sondern froh sein konnten, überhaupt einen der wenigen Niedriglohn-Arbeitsplätze zu ergattern, tobte sich Prinz im Internet aus und machte sein Hobby, Metal-Musik, zum Beruf. Schon 2012, Prinz war 18 Jahre alt, startete er seinen Youtube-Kanal „Der Parabelritter“ und produzierte Videos über Musikthemen, insbesondere über Heavy Metal. Seit 2024 ist sein Kanal Teil des „Funk“-Netzwerks von ARD und ZDF.
Der Autor fordert mehr Sichtbarkeit für den Osten
Während Autoren wie Ilko-Sascha Kowalczuk, Hendrik Bolz oder Steffen Mau über den Osten eher sozialwissenschaftlich referieren, nimmt Prinz den Leser mit in seinen Alltag, seine Schule, sein Elternhaus. Und das erklärt Lesern, denen der Osten nicht so vertraut ist, die Verhältnisse wesentlich anschaulicher und eindringlicher. Prinz versucht, Brücken zu schlagen, zu inspirieren.
Während sich seine Jugendfreunde oft rechts oder links radikalisierten, bleibt Prinz eher nüchterner Beobachter. „Es ist nicht verwunderlich, daß meine Eltern mir in allen Lebenslagen gebetsmühlenartig die Empfehlung gaben, auf Sicherheit zu spielen – man muß doch rational an die Sache herangehen. Wer vom Staat bezahlt wird, dessen Job ist sicher.“ Tatsächlich probiert sich Prinz auch erst einmal als Lehrer aus – gesteht sich dann aber doch schnell ein, daß dieser Beruf nichts für ihn ist. Und daß er von weiten Teilen der Bevölkerung völlig unterschätzt wird, gerade heute.
„Oststolz“ bietet keine einfachen Antworten, aber es öffnet Räume für Gespräche, Identität und Veränderung. Prinz thematisiert, wie viele Menschen aus seiner Generation sich lange als „Zweite Klasse“ fühlten. Seine Biographie, die vom Rand in die Öffentlichkeit führt, symbolisiert genau das, was das Buch fordert: Sichtbarkeit. Der Appell eines Nachwendekindes ist also nicht nur theoretisch, sondern biographisch verwurzelt. Der Lebensweg von Prinz steht exemplarisch dafür, wie man sich trotz struktureller Nachteile behaupten kann. Prinz gelingt mit „Oststolz“ etwas, das in der aktuellen Ostdeutschland-Debatte selten ist: Er spricht weder von oben herab noch im Opfermodus. Er sucht den Dialog.






