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Aufmerksamkeit ist alles: Protestkultur absurd: Ob in Strapse oder ganz nackt

Aufmerksamkeit ist alles: Protestkultur absurd: Ob in Strapse oder ganz nackt

Aufmerksamkeit ist alles: Protestkultur absurd: Ob in Strapse oder ganz nackt

Tierschützer von Peta inszenieren ihren Protest in Hamburg mit einer halbnackten Frau und Kunstblut. Das sorgt für Aufmmerksamkeit.
Tierschützer von Peta inszenieren ihren Protest in Hamburg mit einer halbnackten Frau und Kunstblut. Das sorgt für Aufmmerksamkeit.
Tierschützer setzen bei ihren Protesten auf Aufmerksamkeitsgewinnung durch drastische Aktionen, wie hier Peta Foto: picture alliance / | –
Aufmerksamkeit ist alles
 

Protestkultur absurd: Ob in Strapse oder ganz nackt

Je mehr Aufmerksamkeit, desto besser. Auf dieses Konzept setzen nicht nur die Klima-Kleber der „Letzten Generation“, sondern auch radikale Veganer. So rennen sie mitunter nackt durch Fußgängerzonen und schrecken auch vor absurdesten historischen Vergleichen mit dem Dritten Reich nicht zurück.
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Einmal lächeln für die Kamera bitte. Während der Proteste gegen die Räumung des kleinen Dörfchens Lützerath hat sich der Widerstand nicht nur formiert – sondern vor allem inszeniert. Von Polizisten in schlammigen Hosen weggetragen oder mit Buch in der Hand zwischen den Demonstranten: „Fridays for Future“-Chefin Luisa Neubauer nutzte gleich mehrere Chancen, um für die Sozialen Medien zu posen. Das ist nicht verwunderlich: Plattformen wie TikTok bringen dem Protest zusätzliche Aufmerksamkeit oder generieren diese durch das Posting überhaupt erst.

Ob es um Kohletagebau, Veganismus oder Antirassismus geht, ist dabei nicht von Belang. Erfolg bringt, was geklickt wird. Daß dadurch immer häufiger ungewöhnliche und problematische Formen des Widerstandes auf den Medien zu finden sind, verändert die Protestkultur.

Schon als Einzelperson eine hohe Reichweite aufzubauen, ist keine große Hürde mehr. Knapp über 400.000 Abonnenten kann beispielsweise etwa die „Militante Veganerin“ auf ihrem TikTok-Account verbuchen, weitere 46.000 finden sich auf ihrem YouTube-Kanal. Auf ersterer Plattform dürfte Raffaela Raab, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, den meisten Nutzern bekannt sein. Unter dem Motto „Nicht vegan sein ist nicht ok“ konfrontiert sie Menschen auf der Straße mit deren Vorliebe für tierische Produkte, rappt über das Überleben von Nutzvieh wie Schweinen oder stellt sich nackt und mit Pappschild bewaffnet in die Fußgängerzone.

Aufmerksamkeit hat auch negative Seiten

Straßeninterviews, nackte Haut und skurrile Gesangseinlagen: Es ist die perfekte Mischung, um mit dem Protest die größtmögliche Reichweite in den algorithmusgesteurten Netzwerken zu erzielen. Für ihre konfrontative Art und Weise („du scheißt auf die Tiere“) bekommt sie dafür allerdings nicht nur Applaus. Im Gegenteil: Sie wird beleidigt, verlacht und sogar bedroht. Laut eigener Aussage kam es außerdem bereits zu tätlichen Angriffen.

Die Reaktionen des Publikums zeigen bereits das größte Problem dieser und ähnlicher Protestformen – trotz hoher Klickzahlen sind sie gesellschaftlich nicht besonders anschlußfähig. Das Argument der hohen Reichweite reicht Raab trotzdem, um das Projekt weiterzuführen: „Tatsächlich habe ich nach einer Art und Weise gesucht, wie ich möglichst viele Leute darüber aufklären kann, was ich gerne viel früher gewußt hätte. Die Tierindustrie will nicht, daß du das weißt, wenn du Fleisch, Milch und Eier kaufst“, antwortete die Aktivistin auf die Frage nach ihren Beweggründen.

Für die militante Veganerin ist auf der Straße allerdings noch nicht Schluß. Auf der Seite an3x.org verlinkt die kurzhaarige Frau nicht nur Videos, in denen sie ihren Verzicht auf tierische Produkte erklärt, sondern etwa auch einen „Bericht eines Holocaust-Überlebenden über die schockierenden Ähnlichkeiten von Auschwitz und den Tierindustrien“.

„Eat Pussy Not Animals“

Auch wenn es kaum möglich erscheint, schafft es Raab, in ihren Protesten noch einen ähnlich absurden Vergleich mitzuliefern. Auf einem Schild, daß die einflussreiche TikTok-Nutzerin durch die Straße trägt, liest sich die Aufschrift „Speziesismus = Rassismus“. Unter dem Schriftzug prangt ein Bild von dunkelhäutigen Menschen in Ketten, daneben eine Kuh im Stall. Die Vergleiche erscheinen ihr legitim, dienen sie schließlich der guten Sache.

Mit weniger problematischem, dafür umso schrägerem Aktionismus kämpft auch die Gruppierung „Lingerie Protest“ in Deutschland und der Schweiz für die Rechte von Tieren. Diesen auf den ersten Blick noblen Antrieb setzen die dazugehörigen Vorkämpfer um, indem sie in Strapse, String und mit stumpfen Parolen bewaffnet durch die Fußgängerzonen marschieren. Auf den Schildern prangen Slogans wie „Eat Pussy Not Animals“ oder „Vegans Are Better Lovers“.

Hat es früher noch gereicht, leichtbekleidete Prominente in Anti-Pelz-Kampagnen vor der Kamera zu positionieren, kämpft die nudistische Fraktion heute auf der Straße. Wie auf den Videos der Protestaktionen zu sehen ist, mag das den einen oder anderen Mann zum Schmunzeln bringen, für den Rest bleibt der Protest entweder bedeutungslos oder wird sogar als Belästigung empfunden.

Mehrheit ist genervt von Klimaprotesten

Als unnötige Belästigung kann auch den Protest von „Animal Rebellion“ auf der anderen Seite der Nordsee angesehen werden. Die britischen Ableger der Klimasekte „Extinction Rebellion“ setzten im vergangenen Oktober ein besonderes Zeichen gegen Tierhaltung und verschütteten literweise Kuhmilch in Supermärkten. Auf den entsprechenden Social Media Plattformen perfekt inszeniert und mitgefilmt, machte die Aktion auch hierzulande Schlagzeilen. Nicht nur die Sauerei war groß, sondern auch der darauffolgende Shitstorm. Während die Gruppe selbst die Verschmutzung als einen „Akt des Protestes gegen die Brutalität und Zerstörung der Milchindustrie“ einordnete, monierten gesellschaftliche Gegenstimmung vor allem die Verschwendung. Was auch hier ausbleibt: Solidarität.

Die Gruppierung, die aktuell in Deutschland auf den größten Widerstand trifft, ist die „Letzte Generation“. Eine Umfrage des Meinungsinstituts Civey im Auftrag der Augsburger Allgemeinen ergab, daß 81 Prozent der 5.000 Befragten die Proteste der Gruppe ablehnten, nur 14 Prozent hielten sie dagegen für richtig. Das Ergebnis ist wenig überraschend, schließlich fallen die selbsternannten Klimaretter immer wieder mit umstrittenen Störaktionen auf. Blockaden von Straßen, das Festkleben an allen erdenklichen Orten, Tomatensuppe, die auf wertvollen Gemälden verteilt wird: Die Liste an Absurditäten ist lang.

Protest radikalisiert sich

Doch eines haben alle aufgeführten Protestgruppen gemeinsam: Sie generieren Aufmerksamkeit, auf der Straße und vor allem in den sozialen Medien. Je stumpfsinniger die Inhalte, umso mehr Klicks erreichen sie. Kann dadurch also von Erfolg gesprochen werden? Nein, denn der Protest verfehlt sein eigentliches Ziel. Anstatt weitere Teile der Gesellschaft von den propagierten Inhalten zu überzeugen, mehrt sich stattdessen die Ablehnung.

Denn: Nicht nur die ältere Bevölkerung lehnt die radikale Form der Proteste ab, sondern auch die Jungen. Wenn selbst weite Teile der vermeintlichen „Generation Greta“ widersprechen, fehlt den Inhalten die eigentliche Zielgruppe. Daß die Radikalität der Proteste problematische Vergleiche wie den Bezug der Tierhaltung mit Sklaverei, Kolonialismus oder sogar dem Holocaust erzeugt, läßt die Aktionen zusätzlich nicht nur belanglos erscheinen, sondern erzeugt einen Faden Beigeschmack. Die Theorie ist jedoch nicht das einzige Problem: Sachbeschädigungen, wie sie etwa die „Letzte Generation“ immer wieder in Kauf nimmt, rufen in den sozialen Medien potenzielle Nachahmer auf den Plan. Daß sich der Protest dadurch immer weiter radikalisiert, war zuletzt in Lützerath zu sehen.

Tierschützer setzen bei ihren Protesten auf Aufmerksamkeitsgewinnung durch drastische Aktionen, wie hier Peta Foto: picture alliance / | –
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