Die Historikerin Annalena Schmidt hat ein Problem mit Lumumba. Nicht mit dem ehemaligen Präsidenten des Kongos, sondern mit dem Kakao-mit-Schuß-Heißgetränk, das traditionell auf Weihnachtsmärkten serviert wird. Das beliebte Getränk soll, so Schmidt, einen rassistisch motivierten Namen haben. Denn Patrice Lumumba wurde 1961 ermordet, erschossen, um genau zu sein.
Kurz darauf verbreitete sich der Name Lumumba in Westdeutschland. Dabei hatte die Bundesrepublik mit der Erschießung nichts zu tun. Als kongolesischer Unabhängigkeitsführer wurde Lumumba der erste Präsident des Kongos im Jahr 1960. Seine Amtszeit wurde jedoch von politischen Intrigen und internationalen Einflüssen überschattet. Er wurde abgesetzt, inhaftiert und schließlich im Beisein belgischer Offiziere erschossen.
Wie der Name anschließend nach Deutschland kam, ist so nebulös wie die Motivation des Namensgebers. Makaber? Sicherlich. Rassistisch? Vielleicht. Denn die Herkunft konnte bisher nicht abschließend geklärt werden.
Ein Name, zwei Erzählungen
Da Lumumba 1960 auch im Kongo getrunken wurde, könnte es sich um eine Ehrung handeln. Denn das Getränk wird aus Zuckerrohr und Kakao hergestellt, klassischen Kolonialwaren. Die Historikerinnen Kerstin Ehmer und Beate Hindermann schließen in ihrem Buch The School of Sophisticated Drinking beide Ansätze nicht aus: „Heute wird kontrovers diskutiert, ob das Getränk zu Ehren eines Freiheitskämpfers benannt wurde oder ob es sich um eine verschleierte Form des Rassismus handelt.“
Doch für Schmidt, die bereits für die Grünen im Stadtrat Bautzen saß, ist die Sache eindeutig: „Patrice Lumumba steht für die Unabhängigkeitsbewegung in Afrika! Er wurde erschossen!“ Daher muß die Bezeichnung rassistisch sein, behauptete die Historikerin auf X.
Ist „Bismarckhering“ auch problematisch?
„Er hat das Deutsche Reich gegründet! Und Ihr benennt Heringe nach ihm!“
— Matthias von Kaler zu Lanzenheim (@Kaler_Berlin) December 2, 2023
Gleichwohl ist Schmidt weder die Erste noch wird sie die Letzte sein, die darauf besteht, daß es sich um eine rassistisch motivierte Bezeichnung handelt. Auf X fand sie jedoch wenig Anschluß. X-Nutzer reagierten mehrheitlich negativ auf den Vorstoß von Schmidt. Ein Nutzer scherzte: Ähnlich kritisch würden die Preußen den Bismarckhering betrachten.
Lumumba trinken, Lumumba ehren
Ein anderer hinterfragte kritisch: „Weil er erschossen wurde, ist das rassistisch? Da fällt mir jetzt auch nichts mehr ein. Außer, daß ich es wunderbar finde, ein Getränk nach einem bedeutenden Mann zu benennen.“
„Scheinbar gibt es auch Menschen, die die Unabhängigkeitsbewegung in Afrika unter den Tisch kehren wollen. Interessant. Ich trinke den Lumumba ja, um diesen tollen Mann zu ehren“, resümierte ein Nutzer.
Im übrigen gibt es eine alternative Bezeichnung für das L-Wort. So wird in Norddeutschland, den Niederlanden und Dänemark eine „Tote Tante“ bestellt. Diese ebenfalls makabre Bezeichnung geht auf eine Legende der nordfriesischen Insel Föhr zurück. Dorthin soll die Asche einer verstorbenen Föhrerin aus Amerika in einer Kakaokiste zurückgekehrt sein. Wie daraus ein Getränk wurde, ist ebenfalls unklar.