Alice Schwarzer muß derzeit wegen ihres gemeinsam mit der Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht veröffentlichten „Manifestes für den Frieden“ viele Anfeindungen ertragen, Vorwürfe aus ihrem Milieu wie von der Grünen Katrin Göring-Eckardt als „naiv“ fallen da noch verhätnismäßig harmlos aus. Bereits 2022 wurde Alice Schwarzer von denselben Kreisen heftig angefeindet. Grund war seinerzeit das zusammen mit der für den WDR tätigen Journalistin Chantal Louis herausgegebene Buch „Transsexualität“. Die Emma-Erfinderin, im vergangenen Dezember 80 Jahre alt geworden, griff darin den aktuellen Trans-Trend massiv an. Wie ihre feministische Glaubensgenossin Kathleen Stock, die deswegen von ihrem Arbeitsplatz, der Universität Sussex, weggeätzt wurde, bekennt Schwarzer sich zum biologischen Geschlecht und stellt unpopuläre Verbindungen her.
Beispielsweise zwischen der um sagenhafte 4.000 Prozent gestiegenen Zahl von Jugendlichen, die sich als transsexuell empfinden, und Angststörungen bzw. Depressionserkrankungen. Die weiteten sich im selben Zeitraum nämlich ähnlich drastisch aus wie der Trans-Kult. Wie die Mediziner Marie Galmiche und Pierre Déchelotte 2019 in ihrer Studie „Prevalence of eating disorders over the 2000–2018 period“ nachwiesen, hat auch die Zahl der Menschen mit Eß-, Brech- oder Magersucht ebenso drastisch zugenommen wie jene mit körperästhetischen Behandlungen, wie eine 2020 veröffentlichte Studie (Rainer Radtke: Anzahl von Schönheitsoperationen weltweit bis 2019) offenbarte.
Vor allem Mädchen sehen sich unter Druck, den dort abgebildeten, oft falschen Idealen nachzueifern. Das führt zur Ablehnung des eigenen Körpers, ausgerechnet in der entwicklungspsychologisch relevanten Phase zwischen zwölf und sechzehn Jahren. Monika Albert schreibt darüber in ihrem Aufsatz „Vom Haß gegen den eigenen Körper“ in dem von Schwarzer herausgegebenen Buch. Neben der Magersucht und dem, was die Psychologie selbstverletzendes Verhalten nennt, ist die Umdeutung des eigenen Ichs, zu der die LGBT-Ideologie einlädt, ein weiterer Ausweg aus einer als leidvoll erfahrenen Selbstwahrnehmung.
LGBTQ-Kampagnen wollen alles dekonstruieren
So sieht es die Medizinerin Lisa Littmann. Für sie ist das Gefühl, „im falschen Körper zu Hause“ zu sein (Transsexualität), eine mit der Magersucht sachverwandte Bewältigungsstrategie. Das ist der Grund für Schwarzers Kritik am sogenannten Selbstbestimmungsgesetz des aktuellen Ampel-Koalitionsvertrags, das Kindern schon ab 14 Jahren und notfalls ohne Zustimmung der Eltern das Recht einräumen soll, einen Geschlechtswechsel – in der Regel begleitet von ersten Hormonzuführungen – vorzunehmen.
Der humanbiologisch nicht in Frage zu stellende klinische Befund, daß bei einigen Menschen anatomische Merkmale beider Geschlechter festzustellen sind (Intersexualität), ist dabei vom ideologisch motivierten Geschlechtsrevisionismus zu unterscheiden. Mediziner stufen Intersexualität als Störung der geschlechtlichen Entwicklung („disorder of sex development“) ein. Im universitären Elfenbeinturm der Sozial- und Geisteswissenschaftler wurde aus diesen klinischen Befunden ein ideologisch manipuliertes Riesen-Ei, dem in linksextremen und radikalfeministischen Brutstätten ein Monstrum entschlüpfte, das kein Halten mehr kannte und den Westen in Anlehnung an einen Horrorfilm-Klassiker in einen Idiotic Park zu verwandeln droht.
Antidiskriminierungsinitiativen, anfangs eine gute Sache, wurden zur Steilvorlage für die Geschlechtsrevisionisten-Liga, die international bekannt geworden ist unter den wechselnden, also gleichsam promiskuitiv verwendeten Majuskel-Kombinationen LSBT, LGBT, LGBTQ etc. Ihr Hauptanliegen ist es, unter dem Vielfaltsbanner des Regenbogens biblische Überzeugungen und naturgesetzliche Erkenntnisse zu dekonstruieren und letztlich abzuschaffen. Zur Überraschung einer gesellschaftlichen Mehrheit, die biologische Gesetze für maßgeblich hält, gelingt das auch immer öfter.
Angriffe kommen aus dem linken Juste milieu
Denn in den Chefpropagandisten aus Medien und Politik hat das Monstrum, das Frauen wie Schwarzer, inzwischen als „Cis-Frauen“ oder „Terfs“ stigmatisiert, willige Vollstrecker gefunden. Wenn ein Staatssekretär im Familienministerium als sogenannter „Queer-Beauftragter“ öffentlich unwissenschaftlichen Nonsens verbreiten darf und dafür kaum medialen Gegenwind bekommt, weiß man, wie schlimm die Lage ist.
Diesen Gegenwind, teilweise in gehässiger Form, erfuhr stattdessen Alice Schwarzer für ihre Streitschrift. Daß sie schildert, wie sich unter dem Mantel der Transsexualität Männer als Frauen getarnt Zugang zu Umkleidekabinen verschaffen oder in Frauenhaftanstalten weibliche Mithäftlinge vergewaltigen, wird ihr als Gossenjournalismus im Boulevardstil ausgelegt. Der Deutschlandfunk urteilte, Schwarzer mache mit ihrem „unsympathischen“ Buch „auf dem Rücken einer der am stärksten diskriminierten Minderheiten unserer Gesellschaft Auflage und Stimmung“.
Die taz, sonst nicht als oberkritischtes Medium der Emma-Grandin bekannt, moserte über das besonders eklatante Defizit des Buches: Keine der beiden Herausgeberinnen „ist eine trans*Person“. Für die Spiegel-Kolumnistin Sibylle Berg ist „das Buch argumentativ so schnell an die Wand zu klatschen, daß man keinen Shitstorm benötigen würde“. Und der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands hält die Erklärungen von Alice Schwarzer zur Transgeschlechtlichkeit sogar für „grundlegend falsch und unverantwortlich“.
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Alice Schwarzer, Chantal Louis (Hrsg.): Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift.Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022, broschiert, 224 Seiten, 15 Euro.