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100 Jahre Loriot: Humor und Satire als Wunderwaffen gegen politische Einfalt

100 Jahre Loriot: Humor und Satire als Wunderwaffen gegen politische Einfalt

100 Jahre Loriot: Humor und Satire als Wunderwaffen gegen politische Einfalt

Auf dem Foto zeigt ein älterer Mann auf eine Karikatur von Loriot. Der Humorist war vor 100 Jahren geboren wurden und seine Satire genießt einen Kultstatus in Deutschland. (Themenbild/Symbolbild)
Auf dem Foto zeigt ein älterer Mann auf eine Karikatur von Loriot. Der Humorist war vor 100 Jahren geboren wurden und seine Satire genießt einen Kultstatus in Deutschland. (Themenbild/Symbolbild)
Loriot: Auch für heutige Satiriker ein Vorbild. Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
100 Jahre Loriot
 

Humor und Satire als Wunderwaffen gegen politische Einfalt

Was hat es mit dem Humor auf sich? Was zeichnet eine gute Satire aus? Schon vor Jahren versuchte Vicco von Bülow, dem breiteren Publikum als Loriot bekannt, die Frage zu beantworten – doch nicht jeder verstand ihn. Bernd Zeller schreibt, was einen guten Satiriker ausmacht.
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Loriot hat das Nötige gesagt, in drei verschiedenen Fernsehinterviews in drei verschiedenen Jahrzehnten. Der Humor solle immer auf die Herrschenden zielen, im Kaiserreich ist das der Kaiser und in der Demokratie eben das Volk, das die Politiker gewählt hat.

Er wünsche sich, so sagte er in einer Talkrunde, daß im Fernsehen bei allen politischen Äußerungen und den Kommentatoren deutlich gemacht werde, welcher Partei die Person zuzurechnen wäre, also mit Einblendung: „Hier spricht die SPD“ oder „Hier spricht die CDU“. Die Moderatorin Marianne Koch hielt dies für völlig unmöglich, worauf Loriot erwiderte, wer nicht das Unmögliche versuche, der habe doch in der Fernsehbranche nichts verloren.

Gute Zeiten für Satire, schlechte für Satiriker

Johannes B. Kerner fragte ihn, woher er denn wisse, daß ein Sketch komisch, Kerner sagte: lustig, sei. Loriot erklärte, das wisse er gar nicht, die Szene funktioniert nur so. Damit sehen wir, was schiefläuft in diesem Land. Im Fernsehen sind ausschließlich Personen beschäftigt, die der Branche fernbleiben müßten. Was sollte überhaupt eingeblendet werden, „Hier spricht die Grüne Partei“, „Hier spricht Agora Energiewende“, „Hier spricht die Heinrich-Böll-Stiftung“, „Hier spricht die taz“? Wir wären ja so weit, daß man auch bei CDU-Politikern einblenden müßte: Hier sprechen die Grünen.

Womit wir bei der Frage angelangt wären, wer die Herrschenden sind und welche Eignung für satirische Verwendung sie bieten. Manche sagen, jetzt müsse doch eine gute Zeit für Satire sein, während andere über dieselbe Zeit meinen, jetzt sei doch alles so wahnsinnig, daß für Satiriker nichts bleibt. Das muß kein Widerspruch sein. Es ist gut möglich, daß die Zeiten gut sind für Satire und schlecht für Satiriker. Die satirische Methode, auf den Wahnsinn noch eins draufzusetzen oder, wie Loriot sagte, an der Realität leicht zu drehen, um Komik zu erzeugen, kann den, der es macht, in Bedrängnis bringen.

Fähnchen im Wind

Wenn man die kabarettistische Attitüde, so zu tun, als wäre man voll kritisch und als würde man sich mit denen da oben oder den als solche auserkorenen Falschen unerschrocken anlegen, für Satire hält, dann natürlich nicht. In Bedrängnis brächte es indes, dies nicht zu tun. Der meßbare Grad der Satire ist das Risiko, welches man damit eingeht. Wer über dieses Risiko bestimmt, über das tatsächliche, das sind die Herrschenden.

Journalisten bemühen gern das Gewäsch, jeder könne alles sagen, müsse nur eben mit Gegenwind rechnen. Die das sagen, denen wird dies nicht unterlaufen. Der Wind, den sie spüren, ist kein Gegenwind, das ist Wind, genau jener Wind, in den sie ihr Spektralfähnchen hängen. Gelegentlich führen sie als Beispiel an, sie hätten auch schon geharnischte, sprachlich unausgereifte Leserbriefe abbekommen für die Verwendung des Deppinnensternchens.

Was Satire ist, entscheidet das Publikum

Auch Politiker rühmen sich, ihre hochbezahlte Zeit dem Kampf gegen den Haß gegen sich zu widmen. Komischerweise lacht darüber niemand. In der D-Mark-Zeit hätte sich ein Minister mit dem Vorhaben, gesetzlich gegen Haß vorzugehen, lächerlich gemacht. Mit dem Minister zugleich sein Kanzler, seine Partei, seine Wählerschaft. All die, die nun zusammen gegen Haß ihre Gesichter zeigen, wenn es risikobefreit getan werden kann. Läßt sich so eine Lächerlichkeit satirisch aufbereiten, ohne daß man neue Ecken in seiner Wohnung kennenlernt und einem das Bankguthaben ausgezahlt wird?

Die Entscheidung liegt letztlich beim Publikum. Wenn die überbezahlten Haltungskabarettisten und öffentlich-rechtlichen Wuthöflinge als Satiriker angesehen werden, dann halten diese dem Publikum den Spiegel vor. Unbeabsichtigte Satire im Gewand der beabsichtigen. Weder gewollt noch gekonnt, aber getan. Puristen des Humors könnten einwenden, bei dieser Art der Funkstaatssatire fehle die Komik. Doch die Komik ist nicht weg, sie ist nur transformiert, oder wie Wirtschaftsminister Robert Habeck sagen würde, die Leute sind nicht unkomisch, sie hören bloß auf zu unterhalten.

Gute Humoristen sind möglichst politikfern

Man muß die Szene nur erweitert betrachten und den Satirefunktionär als Teil der Dramaturgie sehen, dann funktioniert die Szene wieder: Diese Leute haben Angst. Wenn man das bemerkt, kann man wieder über sie lachen. Darum ist es falsch, sie, wie es gelegentlich in abschätzender Absicht getan wird, als Clown zu bezeichnen. Ein Clown im Zirkus oder auf der Kinderveranstaltung hat vielleicht die Befürchtung, daß sein Kunststück mißlingt oder die Zuschauer nicht lachen, gegebenenfalls würde er aus dieser gewonnenen Traurigkeit heraus ein noch melancholischerer Clown mit noch mehr menschlichem Tiefgang, aber er hat in aller Regel keine Angst um seinen Posten als Clown.

Er ist nicht von Angst gesteuert. Er muß nicht in jeder Nummer die großartige Zirkusdirektion rühmen und kleine Seitenhiebe gegen den Kapellmeister bringen zum Zeichen seiner strukturellen Aufmüpfigkeit und nicht das Publikum beschimpfen, das jederzeit verleitbar wäre, sich zum Haß gegen den Zirkusbetrieb aufstacheln zu lassen. Es wartet kein anderer Clown auf seinen Posten, schon gar keiner, der schlechter in der Artistik wäre und besser im Bemerken unkorrekter Clownereien.

Das aber wäre die Situation, wenn der Clown mehr verdient als Zirkusdirektor, Kapellmeister und Dompteur zusammen, und dann müßte unser Clown seine Arbeitszeiten und Kompetenzen darauf verwenden, sich als Stabilisator des Zirkuswesens darzustellen und mögliche Konkurrenten frühzeitig auszuschalten. Wenn immer weniger Eintrittskarten verkauft werden, müssen staatliche Fördermittel die Vielfalt der Zirkuskulturen sichern. Was wir daraus lernen können, ist, ein Humorist sollte sich von Politikern vielleicht nicht gleich gänzlich fernhalten, aber sich im klaren darüber sein, mit solchen Leuten nichts zu tun zu haben.

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Bernd Zeller, Jahrgang 1966, Karikaturist, Verfasser des Lehrbuchs „Komik und Satire“, betreibt eine Online-Satirezeitung.

JF 46/23

Loriot: Auch für heutige Satiriker ein Vorbild. Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd
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