Schweigend stehen sie sich gegenüber. Insgesamt zehn Männer in mittelalterlichen Plattenrüstungen, in zwei Trupps, bewaffnet mit Schwertern, Keulen und Hellebarden fixieren sich durch die schmalen Sehschlitze ihrer Helme. Auf ein Kommando setzen sie sich in Bewegung. Wie menschliche Panzer stapfen sie begleitet vom Rasseln ihrer Kettenhemden und Rüstungsplatten aufeinander zu. Die Distanz zum Gegner ist überwunden. Hiebe krachen auf Schilde, Helme und gepanzerte Körper.
Was wie eine Szene aus einem Ritterfilm klingt, hat jetzt im Sommer wieder Saison. Buhurt nennt sich das Spektakel, bei dem Sportler sich wie die Ritter des Mittelalters ausstaffiert in den Kampf stürzen.
Was macht die Faszination dieser Sportart aus? „Neben dem Spaß am Kampf in der Gruppe geht es dabei auch viel um die Ritterromantik“, erzählt Benjamin Niemeyer im Gespräch mit der JF. Der 43jährige trainiert seit vier Jahren Buhurt. Historisch interessiert seien alle, die sich auf den Pfaden der mittelalterlichen Kämpfer bewegen. „Es ist natürlich auch in gewisser Weise ein Nerd-Sport“, führt Niemeyer weiter aus. So teilten viele Buhurtler, die er kenne, neben der Leidenschaft fürs Mittelalter auch die für das Fantasy-Universum der Warhammer-Spielreihe.
Ob Massenschlachten mit zig Teilnehmern oder fünf gegen fünf, Sieger ist das Team, das zuletzt einen Kämpfer auf den Beinen stehen hat. Um die Kontrahenten zu Boden zu bringen, werden neben Schlägen vor allem Wurftechniken eingesetzt oder man rennt den Gegner schlicht über den Haufen. Dabei ist es für die meisten der rund 100 derzeit in Deutschland aktiven Buhurt-Kämpfer von Vorteil, wenn sie schon Erfahrung aus anderen Sportarten wie Boxen, Judo der MMA (Mixed Martial Arts) haben.
Buhurt-Rüstungen sollen historisch korrekt sein
„Wenn man Buhurt machen will, sollte man über 18 Jahre alt, über 1,80 Meter groß und am Besten über 90 Kilogramm schwer sein“, erläutert Niemeyer. Natürlich gebe es auch kleinere und leichtere Kämpfer, die müßten dann jedoch trotz Rüstung flink sein, um mithalten zu können. Apropos Rüstung: „Die wiegt so um die 30 bis 35 Kilogramm. Das Anlegen dauert auch so seine Zeit und ist ohne Hilfe nicht möglich.“ In die Rolle der mittelalterlichen Knappen und des Gefolges der Ritter schlüpfen bei Turnieren wahlweise die Teamkollegen oder mitgereister Anhang.
Aber Hand aufs Herz, wie historisch korrekt sind die Rüstungen im 21. Jahrhundert? Darauf werde viel Wert gelegt, daß alles so genau wie möglich ist, betont der begeisterte Buhurtler. „Die Rüstungselemente müssen entweder in schriftlichen Quellen oder auf historischen Abbildungen nachweisbar sein. Ausnahme bilden allerdings die Helme, die sind heute schwerer, um den Kopf besser zu schützen. Immerhin wollen wir Montag alle wieder zur Arbeit gehen können“, sagt der Medienproduzent lachend.
Auch die Waffen seien schwerer als die des Mittelalters. Denn da sie stumpf sind, können sie ihre Wirkung nur durch die Wucht des Schlages entfalten. Das seien eben die Kompromisse zum Schutz der Sportler, die es einzugehen gelte.
Nicht alle Historiker mögen Buhurt
Dazu gehört auch, daß im Kampf auf Stiche verzichtet wird. Zu groß ist sonst die Gefahr, den Gegner unabsichtlich schwer zu verletzen. Daher sind auch Schläge auf die ungeschützten Stellen unter den Armen oder die Kniebeugen verboten. Zumeist bleibt es bei leichteren Blessuren wie Blutergüssen, Prellungen oder daß mal ein Helm ins Gesicht gedrückt wird.
Das Verhältnis der gerüsteten Athleten zu Vertretern der Geschichtswissenschaft ist nicht ganz spannungsfrei. Zwar gibt es laut Niemeyer viele ausgebildete Historiker, die sich in der Plattenrüstung selbst ins Getümmel stürzen. Aber andere Vertreter dieser Zunft rümpfen bisweilen die Nase, da es ihnen nicht historisch korrekt genug zugeht, räumt er schulterzuckend ein. Dabei scheine es sich um eine Art Standesdünkel zu handeln.
Unter einander pflegen die Buhurt-Enthusiasten einen herzlichen, familiären Umgang. Das gilt nicht nur für die in ihren jeweiligen Trupps organisierten Mitglieder, die auf klangvolle Namen wie Ferox, Eiserne Löwen oder Nassauer Löwen hören. Auch auf internationaler Ebene herrscht ein freundschaftliches Klima zwischen den Buhurtlern, die es mittlerweile nicht nur im europäischen Ausland, sondern auch in den USA, Mexiko und sogar Japan gibt. Dementsprechend dröhnt noch der Rat aus dem Helm hervor: „Wenn ihr glücklich sein wollt, macht Buhurt. Buhurt ist Liebe.“