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Das Ahrtal nach dem Hochwasser: „Das sieht hier aus wie im Krieg“

Das Ahrtal nach dem Hochwasser: „Das sieht hier aus wie im Krieg“

Das Ahrtal nach dem Hochwasser: „Das sieht hier aus wie im Krieg“

Mayschloß
Mayschloß
Zerstörtes Gebäude in Mayschoß Foto: mec
Das Ahrtal nach dem Hochwasser
 

„Das sieht hier aus wie im Krieg“

Vor ziemlich genau vier Monaten, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli, verwandelte sich der kleine Fluß Ahr in eine über neun Meter hohe alles verschlingende Wasserwalze. Über 180 Tote, Milliarden Schäden. Und wie sieht es heute aus? Ein Ortsbesuch.
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Mit dumpfen Krachen und Funken sprühend gräbt sich die Schaufel des 30-Tonnen schweren Kettenbaggers in den meterhohen grauen Steinhaufen. 25 Tonnen davon hat ein Laster ihm gerade vor die Schaufel gekippt. In Minuten wird der Bagger die Steine als Ufersicherung an der Ahr verteilen. „Das wird noch drei Wochen dauern, bis wir fertig sind“, sagt der Bauleiter.

Vor ziemlich genau vier Monaten, in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli, verwandelte sich der kleine Fluß Ahr in eine über neun Meter hohe alles verschlingende Wasserwalze. Über 180 Tote, Milliarden Schäden. Die JUNGE FREIHEIT war damals vor Ort, sprach mit Betroffenen. Und wie sieht es heute aus?

bagger
Uferarbeiten in Mayschoß Foto: mec

„Wir treffen uns in der Winzergenossenschaft Mayschoß“, sagt Thorsten Rech am Telefon. Der Weg dorthin von Bad Neuenahr führt durch das Ahrtal. Entlang abgerissener Brücken, auf Schotterpisten, vorbei an zerstörten Häusern. „Das sieht hier aus wie im Krieg“, sagt der Taxifahrer.

„Warum kann das nicht günstiger sein?“

Er hat sein Geschäft in Bad Neuenahr verloren. „Jetzt bin ich froh, diesen Job zu haben.“ Der Mann ist empört über die Verwaltung: „Ich habe ein Zelt für mein Geschäft gemietet, zahle 13 Euro den Quadratmeter, mit Mehrwertsteuer bist Du bei 15 Euro, macht 600 im Monat. Wir haben doch alles verloren, warum kann das nicht günstiger sein?“

In Mayschoß steht Thorsten Rech vor dem Gebäude der Genossenschaft. Das Handy am Ohr ruft er: „Ich muß noch Termine verlegen, ich komme gleich.“ Hoch geht es über eine steile Treppe ins Restaurant „Krisenherd“. „Das Gebäude sollte vor der Flut abgerissen werden, heute ist es Gold wert.“

Mayschoß
Winzergenossenschaft Mayschoß Foto: mec

Die mehrgeschossigen Keller voller Weinfässer standen unter Wasser. Jetzt sind sie leergeebbt. Hier wird wieder Wein verkauft. Funkelnagelneue Fässer liegen dicht beieinander. Oben drüber im „Krisenherd“ trifft sich das Dorf zum Essen. Heute gibt es Spinatkäsespätzle und Bananenquark. Wer kann, spendet ein paar Euro.

Krisenherd
Blick in den Krisenherd Foto: mec

Riesige Hilfsbereitschaft

Rech trafen wir am 17. Juli einige Kilometer von seinem Dorf entfernt. Er zeigte uns von einem Bergkamm das Tal. Unten hatte er stundenlang in seinem Haus ausgeharrt. Sechs Menschen, davon zwei Touristen, verloren dort ihr Leben. Drei Frauen wurden aus ihren Häusern gerissen, überlebten, teils schwer verletzt. Trotz der 9,80 Meter hohen Flut hielt Rechs Haus dem Wasser stand.

„Seit September kann ich wieder im 1. Stock wohnen. Es ist total entkernt.“ Dann ergänzt Rech: „Ich muß sagen, was wir seitdem an Hilfsbereitschaft erlebt haben, aus ganz Deutschland, das kann man nicht genug betonen.“

An Zäunen und Straßenkreuzungen hängen selbstgemachte Plakate. Auf allen steht ein Wort: „Danke“. Es gilt allen Helfern und Spendern. So wie dem älteren Herrn aus Gießen, der eine Spende abgeben will.

Helferwand an einem Haus im Ahrtal Foto: mec

„Ich bin von einer Kirmesgesellschaft, war in all den Jahren schon oft hier“, sagt er. „Jetzt erkenne ich das schöne Mayschoß nicht wieder.“ Seine letzten Worte sind kaum noch zu verstehen. Ein Laster kippt in dem Moment gerade weitere 25 Tonnen Steine ans Ufer der Ahr.

Zerstörtes Gebäude in Mayschoß Foto: mec
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