Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Das mußte der italienische Bildhauer Davide Dormino auf skurrile Art und Weise erfahren. Er hatte vorübergehend Skulpturen am Brandenburger Tor aufgestellt. Sie zeigen die Whistleblower Julian Assange, Eward Snowden und Chelsea Manning. Die Präsentation begleitete eine Veranstaltung der Linksfraktion zum Thema „Medien unter Beschuß“, die sich auch den Whistleblowern widmete.
Ein Künstler zeigt seine Sympathien für die drei Personen, die wegen ihrer Enthüllung von Geheimdienstinformationen bekannt wurden. So weit so gut; sollte man meinen. Doch im Jahr 2019 ist alles komplizierter.
Auch die Linkspartei steht in der Kritik
In der linken Filterblase sorgte die Abbildung der Statuen für Schnappatmung und Wutausbrüche. Grund ist die Darstellung von Chelsea Manning als Mann. Als solcher wurde Bradley Manning vor seiner Geschlechtsumwandlung geboren. Auf Twitter machten jedoch Nutzer ihrer Empörung über diesen Akt der „Transfeindlichkeit“ Luft. Ziel der Vorwürfe wurde unter anderem die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel. Hatte sie es doch gewagt, sich nicht öffentlich dafür zu schämen, daß Mannings Statue diese als Mann zeigt.
tw misgendern, transfeindlichkeit
sie schämen sich nicht mal dafür, dass chelsea manning, die schon so viel transfeindlichkeit überstehen musste, als mann dargestellt wird. wow.
das fühlt sich gerade wie ein schlag in die magengrube an. wünsche chelsea viel kraft. https://t.co/2lVlVk1FQl
— kristoph (@queerkristoph) November 27, 2019
Andere Nutzer des sozialen Netzwerks waren ob der grauen Statue gar „entsetzt“ und warfen dem Künstler vor, einen „Arschloch-move“ vollzogen zu haben. Andere Beispiele für die herzlichen Diskussionskultur der linken Trans-Freunde gefällig? Bitteschön:
Es wäre ja ne coole Aktion gewesen … hätte man Chelsea Manning gegenüber auch nur den geringsten Respekt gezeigt und sie so dargestellt wie sie heute aussieht. Aber naja, trans Personen zu respektieren ist wohl zu viel verlangt. https://t.co/ZGTyyaw9l3
— Zoey Matthies (@ZoeyMatthies) November 27, 2019
Was soll die Scheiße? Warum zeigt ihr eine transfeindliche Skulptur und scheißt damit auf das Andenken von Chelsea Manning?
— 💫💖 Magische Glitzer-Maya 💖💫 (@MayaMitKind) November 27, 2019
Was soll diese trans-feindliche Darstellung von Chelsea Manning? Damit tretet ihr nicht nur ihren Verdienst sondern auch alle anderen trans Personen mit Füßen. Schämen solltet Ihr euch.
— Esther (@selfawaresoup) November 27, 2019
In Berlin wird eine Skulptur aufgestellt, die neben Julian Assange und Edward Snowden auch Chelsea Manning, allerdings vor Transition zeigt. (Die Skulptur ist eventuell schon älter, das ändert aber nichts an der Tatsache.)
Das ist Gewalt. #Transfeindlichkeit
— Rudi Riot (@Rudi_Riot) November 28, 2019
Angesichts dieser hysterischen Reaktionen muß man schon Mitleid mit dem Schöpfer der Skulpturen haben. Beim einmal in Fahrt gekommenen Aufstand in der linken Echokammer half es auch nicht, daß er die Statuen laut eigener Aussage bereits 2015 angefertigt habe. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen versuchte gegenüber dem Spiegel die Wogen zu glätten: „Die Darstellung der Personen richtet sich laut dem Künstler nach dem Zeitpunkt des Geschehens. Demnach wurde die Whistleblowerin Chelsea Manning abgebildet, wie sie damals ausgesehen hat.“ Dumm nur, daß das die leicht reizbare „Trans-Community“ herzlich wenig interessiert.
Sind Statuen als Kunstform noch zeitgemäß?
Künstler sollten demnach in ihrem Schaffensprozeß künftig so vorgehen, daß sie ihre einmal erstellten Werke für solche Fälle schnell umrüsten können. Eine Langhaarperücke und ein Kleid hätte vielleicht im Fall der Manning-Statue dem aktuellen Geschlechtsstatus der Vorlage Tribut zollen können. Oder wäre das frauenfeindlich gwesen wegen solch klischeebelasteter Zuschreibungen von Weiblichkeit?
Scheinbar hat die Statue in Zeiten des Geschlechtswechsels und der allgegenwärtigen Empörungswilligkeit als Kunstform ausgedient. Oder ist es möglicherweise doch nur ein Phänomen des linken Narrensaums?