Das neue Gesetz zur Frauenquote in Unternehmen ist löchrig, die Frauenministerin wird von der eigenen Gleichstellungsbeauftragten verklagt – und diese gewinnt. Nein, es läuft nicht richtig gut im Familienministerium derzeit. Ganz unfreiwillig passen die beiden Meldungen aber wunderbar zusammen, zeigen sie doch, was passiert, wenn wir uns einmal auf Quotierungen einlassen: Im Zweifel wird geklagt und nicht einmal diejenigen Arbeitgeber, die extrem viele Frauen in Führungspositionen haben, kommen an der Macht der eigenen Gleichstellungsbeauftragten vorbei.
Da hatte sich Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) doch so ins Zeug gelegt, um mit dem Parteifreund und Kabinettskollegen Heiko Maas aus dem Justizministerium die Frauenquote endlich in Schwung zu bringen. Ein Glanzstück sollte es werden, der erste Eckpfeiler ihrer Amtsperiode. Und jetzt hat das geplante Gesetz tatsächlich Schlupflöcher – es gilt nämlich gar nicht für so viele Unternehmen wie gedacht. Da wollte man allen Aktiengesellschaften in Deutschland ab 2016 eine 30-Prozent-Quote für das weibliche Geschlecht aufhalsen, muß jetzt aber feststellen, daß über 300 dieser Gesellschaften gar nicht unter die deutschen Richtlinien fallen. Darunter auch so große Unternehmen wie etwa BASF oder die Allianz.
Sachargumente spielen schon lange keine Rolle mehr
Immer mehr Unternehmen wählen die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE), mit der sie sich dieser Verordnung entziehen können. Für sie gilt europäisches Recht, das läßt sich nicht einfach mit deutschen Vorschriften unterwandern. Offenbar hatte man das bei der Gestaltung des Gesetzes übersehen oder vergessen.
Spontan wirft das zunächst die Frage auf, wieso das den Experten aus zwei Ministerien erst im nachhinein auffällt? Es müssen ja nicht gleich die „Gelben Seiten“ sein, aber vielleicht hätte man jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt. Gleichzeitig zeigt die Anekdote, wie unglaublich kompliziert und unpraktikabel es ist, unterschiedlichste Unternehmen über einen Kamm zu scheren.
Doch wo politischer Wille und Ideologie am Werk sind, spielen Sachargumente schon lange keine Rolle mehr. Es erscheint angesichts dieser Gesetzeslücke nicht unwahrscheinlich, daß sich in Deutschland das wiederholt, was Quoten-Vorzeigeland Norwegen bereits hinter sich hat: Unternehmen wechseln einfach die Rechtsform, um sich der Quotenregelung zu entziehen. Verdenken könnte man es ihnen nicht, denn abseits vom Gerede über ominöse gläserne Decken finden sich bis heute schlicht und ergreifend nicht genug qualifizierte Frauen, die willens sind, all die Posten zu besetzen.
Eine kleine Elite höchstbezahlter Karrierefrauen
Es bleibt spannend, ob hier ein weiterer Norwegen-Effekt zuschlagen wird. Bis heute hat das Land der Fjorde Probleme, für jeden gesetzlich verlangten Frauenposten eine eigene Besetzung zu finden. Das führt dazu, daß eine kleine Elite höchstbezahlter Karrierefrauen jede Menge Toppositionen unter sich aufteilt und dafür fürstlich entlohnt wird. Als „Goldröcke“ werden sie in Norwegen verspottet, jetzt könnten sie zum Exportschlager werden. Eigentlich sollte man aus Fehlern lernen, aber wie es aussieht, werden wir hier wie so oft mit deutscher Gründlichkeit die Fehler anderer wiederholen.
Zeitgleich wurde Ministerin Schwesig diese Woche von ihrer eigenen Gleichstellungsbeauftragten erfolgreich verklagt. Es klingt wie ein schlechter Scherz, daß ausgerechnet der Ministerin, die zuständig ist für die Gleichstellung der Frau, vorgeworfen wird, sie handele nicht gleichstellungsorientiert bei der Besetzung der Posten im eigenen Ministerium. Früher hätte man gesagt: „Das kommt davon“ oder auch: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ Der Vollständigkeit halber muß erwähnt werden, daß Schwesig hier ein Erbe ihrer Amtsvorgängerin Kristina Schröder (CDU) übernommen hat.
Es geht ums Prinzip: Man hat die Frauenbeauftragte nicht gefragt
Wenn man gesetzlich verankert, daß Gleichstellungsbeauftragte überall mitreden dürfen, dann tun sie es eben auch. In diesem Fall hatte die Gleichstellungsbeauftragte des Familienministeriums, Kristin Rose-Möhring, geklagt, weil drei Posten im Haus mit Männern besetzt wurden, ohne daß sie in den Entscheidungsprozeß eingebunden war. Nicht daß es dort zu wenige Frauen in Führungsposten gäbe, im Gegenteil.
Es geht ums Prinzip: Man hat sie nicht gefragt. Das Ministerium habe in drei Fällen gesetzliche Vorgaben „mißachtet“. Der Gleichstellungsbeauftragten stehen selbst bei der Stellenbesetzung mit politischen Beamten „umfassende Beteiligungsrechte“ zu, sie dürfe an „allen Entscheidungsprozessen“ mitwirken, sagt das Gericht. Eine teure Prinzipienreiterei auf Kosten der Steuerzahler, denn selbstredend bezahlen wir alle diesen Prozeß mit unserem Geld.
Die Entscheidung könnte Schule machen und auch weitere Gleichstellungsbeauftragte ermutigen, sich noch mehr in die Personalpolitik ihrer Arbeitgeber einzumischen, sie haben die Rechtslage auf ihrer Seite. Welche Qualifikation braucht man eigentlich, um einen derart einflußreichen Posten zu bekommen? Kristin Rose-Möhring war Übersetzerin, danach war sie auch Personalratschefin im Ministerium, bis sie vom weiblichen Teil der Belegschaft als Gleichstellungsbeauftragte gewählt wurde.
Wichtigste Voraussetzung für ihr Amt ist also das Geschlecht: Männer dürfen nicht mitwählen und auch nicht Gleichstellungsbeauftragter werden, schließlich gibt es Nachteile doch nur für Frauen, oder? Das Pendel der Geschlechtergerechtigkeit hat längst zu weit ausgeschlagen und sich zu einem ideologischen Totschlagargument entwickelt. In Zeiten, in denen wir ständig darüber debattieren, daß das Geschlecht keine Rolle spielen soll, entscheidet der Besitz einer Gebärmutter über die Vergabe von Posten. Das ist ein Witz.
JF 14/21