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Masken, Feuer, Dunkelheit: Wenn die Perchten umgehen

Masken, Feuer, Dunkelheit: Wenn die Perchten umgehen

Masken, Feuer, Dunkelheit: Wenn die Perchten umgehen

Zwei Perchten in zotteligen Kostümen stehen, brennende Fackeln in der Hand, in der Dunkelheit
Zwei Perchten in zotteligen Kostümen stehen, brennende Fackeln in der Hand, in der Dunkelheit
Perchtenlauf mit Fackeln. Foto: IMAGO / Panthermedia
Masken, Feuer, Dunkelheit
 

Wenn die Perchten umgehen

In den Alpen beginnt bald wieder die Zeit der Perchtenläufe – was heute Touristen anlockt, stammt allerdings tatsächlich aus archaischer Vorzeit. Jedenfalls ist es gespenstisch schön.
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Zottelfell und Hörner, knallende Peitschen und Gebrüll aus grimmigen Gesichtern: nein, es handelt sich natürlich nicht um den Zusammentrieb einer urigen Ziegenherde. Im alpinen Raum ist es jetzt, in den dunkelkalten Winternächten, wieder Zeit für den Perchtenlauf.

Unter Tierfellen und furchterregenden Masken verbergen sich Menschen (bei weitem nicht nur Männer), die mit Gebrüll und dem Lärm von Peitschen, Trommeln und Aperschnalzen, das sind traditionelle Peitschen, die man beim Lauf in der Luft knallen läßt, aber auch mit Feuer, Räuchern und Fegen durch Dörfer und Gemeinden ziehen. Das nicht etwa, um die Bewohner zu verängstigen – ganz im Gegenteil: Die Perchten vertreiben durch ihren furchterregenden Auftritt böse Geister und Dämonen und tragen zu einem sicheren Jahreswechsel bei.

Dementsprechend treten sie eigentlich in den sogenannten Rauhnächten, also den Nächten vor und nach dem Jahreswechsel auf. Denn die Ursprünge des Perchtenbrauchs haben eine lange Tradition; sie stammen aus einer Zeit, in der Winter nicht nur Jahreszeit, sondern tatsächlich eine Herausforderung für Leib und Leben – und damit natürlich auch für die Seele – war. Während Dunkelheit, Kälte und Existenznot die Menschen bedrohten, sollten schützende Rituale helfen, den Übergang ins neue Jahr zu begleiten und Gefahren zu vertreiben.

In den Rauhnächten gehen Geister um

Denn in den Rauhnächten, also jener Zwischenzeit zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag, steht gemäß altem Volksglauben das Geisterreich offen und die Seelen der Verstorbenen ebenso wie böse Geister nutzen ihren Freigang für die „wilde Jagd“ auf die Lebenden. Diese aber können zu ihrem Schutz jene mystischen Gestalten, die „Perchten“ herbeirufen, damit sie all das Böse vertreiben. Ein ganzes Dorf vereint gegen die Unterwelt – was konnte da noch schiefgehen?

Allerdings waren die Dorfbewohner auch angehalten, sich selbst als würdige Mitglieder der Gemeinschaft zu erweisen. Hierüber wiederum wachte eine Frau, die irgendwo zwischen Sagengestalt, Schutzfigur und mythischer Richterin anzusiedeln ist: Frau Percht nämlich, auch bekannt als Berchta oder Perchta, beobachtete in dieser dunkel dräuenden Zwischenzeit das Verhalten der Menschen, begutachtete ihren Fleiß, ihre Haushaltsordnung sowie das Einhalten gemeinschaftlicher Regeln.

Sie ist eine schillernde Figur, deren Herkunft – vielleicht auch besser gesagt: Entstehung – weitestgehend ungeklärt ist. Höchst interessant ist, daß sie eine Doppelnatur ihr eigen nennt, kann sie doch in zwei einander entgegengesetzten Personifikationen auftreten: als freundlich-heller und ordnender Schönpercht oder als Schiachpercht, mithin wild, laut und angsteinflößend.

Mittlerweile sind Perchten ein Touristenmagnet

Traditionell erschien Frau Percht um die Wintersonnenwende, um dann mit ihrer Gefolgschaft aus Winterpercht, dem Perchtenriesen und dem Woidmandl, dem Raxkönig und der Hobagoas durch Täler und über Berge zu ziehen, das alte Jahr auszukehren und das neue Jahr einzuläuten. Und immerhin beziehen sich noch heute – wissentlich oder nicht – all jene auf Frau Percht, die die Rauhnächte als Zeit der inneren Einkehr und zur Neuordnung ihres Daseins nutzen.

Der Perchtenlauf erfreut auch heute noch großer Beliebtheit, doch ist er inzwischen irgendwo zwischen Traditionspflege und touristischem Event angesiedelt; die Spannbreite reicht vom kleinen Umzug innerhalb einer Dorfgemeinschaft bis hin zur Megaveranstaltung, die Tausende Besucher anzieht. Auch ist er nicht mehr auf die Rauhnächte beschränkt: Immer öfter werden Perchtenläufe die gesamte Adventszeit hindurch abgehalten. Immerhin wird so, durch Vereine und Brauchtumsgruppen, eine alte Tradition erhalten, die – im besten Fall – den Grundgedanken der Gemeinschaft lebendig erhält.

Ebenso wie eine traditionelle Handwerksform: Die Masken der Perchtenläufer dienten einst dem Schutz vor Verwandlung. Mit ihren grauslichen Gesichtszügen, bewehrt mit Hörnern und Reißzähnen, sind sie oftmals beeindruckende Beweise für die regionale Holzschnitzkunst, die Kostüme bestehen aus Tierfellen.

Perchtenläufe gehören zum Weltkulturerbe

Ein weiteres Markenzeichen des Perchtenlaufs sind die schweren Glocken, die die Läufer um die Hüften tragen. Ihr charakteristisches Dröhnen erzeugt eine regelrechte Welle von Energie, sobald die Läufer einen gemeinsamen Rhythmus gefunden haben. Eine Welle übrigens, der man nicht aus dem Weg gehen sollte, auch wenn man als Zuschauer durchaus mit Schlägen rechnen muß: Auch sie sollen das Böse und dazu noch Schwäche und Krankheit austreiben; noch dazu sollen sie Glück und Fruchtbarkeit bringen.

Ein solcher auf heidnische Wurzeln zurückgehender Perchtenlauf ist tatsächlich ein imposantes Erlebnis, das nicht nur die Christianisierung, sondern auch die modernen Zeiten überstanden hat. Und das nicht nur in den Alpen; auch Bulgarien und Slowenien, selbst das weitaus mildere Sardinien kennen ganz ähnliche Figuren und Rituale, um den Winter zu bewältigen. Der Perchtenlauf im bayerischen Kirchseeon gehört sogar seit 2024 zum Immateriellen Kulturerbe der Unesco.

Vielerorts haben sich übrigens auch „Krampusläufe“ etabliert, die teilweise bereits im November starten. Sie sind allerdings eine Erfindung des 20. Jahrhunderts und werden von manchem als touristisches Massenspektakel ohne historischen Hintergrund kritisiert. Doch selbstredend gehen viele neuere Events auf die Tradition der Perchten zurück – ob aber das vor Plastik starrende Halloween (JF berichtete) oder die aktuelle Form des Silvesterbombardements in Großstädten tatsächlich dazu in der Lage sind, das Böse zu vertreiben und Glück zu bringen? Man weiß es nicht.

Aus der JF-Ausgabe 50/25.

Perchtenlauf mit Fackeln. Foto: IMAGO / Panthermedia
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