Lautes Vogelgezwitscher, leuchtendes Blumenbunt auf den Wiesen, sprießende Blüten an den Bäumen. Es ist wieder Frühling. Und überall im Land beginnen die Menschen, Sträucher und kleine Bäume mit bunten Ostereiern zu schmücken.
Darüber, ob dieser Brauch heidnischen oder christlichen Ursprungs ist, streiten sich Gelehrte seit Jahrzehnten. Während manche die Christianisierung von germanischen oder römischen Fruchtbarkeitskulten vermuten, weisen andere – wie etwa der JF-Autor Alexander Barti in der Osterausgabe des Jahres 2003 – auf die zeitliche Nähe zum jüdischen Pessachfest hin.
Wie dem auch sei: In Deutschland haben es die slawischen Minderheiten der in Teilen Sachsens und Brandenburgs heimischen Sorben und Wenden zur Perfektion in Sachen Ostereibemalen gebracht. Dabei haben sie verschiedene Techniken entwickelt, die längst auch in Kindergärten und Schulen oder bei familiären Treffen nachgeahmt werden: Auf die Eier wird verschieden gefärbtes Wachs getupft, bei einer anderen Technik werden die Eier in Wachs getaucht und anschließend ein Muster angelegt, indem das Wachs weggekratzt wird.
Im sorbischen Siedlungsgebiet gibt es viele Osterbräuche
Sorbische Künstler arbeiten an besonders filigranen Bildern mitunter mehr als acht Stunden. Auf Ostereiermärkten wie in Bautzen, Hoyerswerda, Weißwasser, Schleife oder Halbendorf lassen sich Volkskünstler beim Verzieren der Eier gern über die Schulter schauen.
Die aufgetragenen oder freigekratzten Dreiecke, Striche oder Punkte fügen sich zu Ornamenten und beinhalten eine Symbolik, die häufig nur den Sorben selbst bekannt ist. So steht die Sonne für den beginnenden Frühling und das erwachende Leben. Die feinen Reihen aus sogenannten Wolfszähnen stehen dagegen für die Abwehr des Bösen.
Auch andere Traditionen werden seit Jahrhunderten gepflegt oder in den vergangenen Jahrzehnten wiederbelebt: geweihte Osterfeuer, Quellenweihe, Weihe von Osterspeisen, Umritte, Kreuzsingen, Osterschießen. So wandern im sorbischen Siedlungsgebiet um Hoyerswerda und in der Niederlausitz wieder unverheiratete Frauen früh morgens am Ostersonntag zu einer Quelle oder einem Bach, um Wasser zu schöpfen und dieses nach Hause zu tragen.
Das Osterreiten zieht Touristen an
Wenn dieses in Richtung Sonnenaufgang fließt und sie es schaffen, auf dem Hin- und Rückweg kein Wort zu sprechen, dann schenkt ihnen das Wasser Schönheit, Fruchtbarkeit, Kraft und Gesundheit.
Während in einigen Dörfern die Jungen dreimal am Tag – morgens, mittags und abends – mit hölzernen Klappern zu Kapellen und Wegkreuzen pilgern, um gemeinsam zu beten, ziehen Mädchen und junge Frauen am Karfreitag singend und betend in ihren Kirchort Wittichenau und nach dem Gottesdienst wieder nach Hause. Am Ostersonnabend findet hier die Ostermesse statt.
Ein Anziehungspunkt für Touristen ist vor allem das traditionelle Osterreiten, für die katholischen Sorben ein Glaubensbekenntnis. Auf festlich geschmückten Pferden, selbst bekleidet mit Gehrock, Zylinder und Stiefeln, von der Hausfrau mit Weihwasser besprengt, versammeln sich die Reiter an der Kirche, wo ihnen der Pfarrer die Kirchenfahnen, die Statue des Auferstandenen und das Kruzifix überreicht und sie segnet. Anschließend setzt sich der Reiterzug in Bewegung, um in den umliegenden Dörfern die frohe Botschaft der Wiederauferstehung des Herrn zu verkünden.
„Weil den Frauen dieser Anblick gefällt“
Das Festhalten an Traditionen, Brauchtum, Kultur, die Pflege von Liedern, Sagen und Geschichten, die Wertschätzung der Familie – eben all das, was die Seele eines Volkes ausmacht – dürfte wesentlichen Anteil daran haben, daß die Sorben und Wenden seit 1.000 Jahren umgeben von Deutschen weiterhin als eigenständiges Volk existieren.
Übrigens haben die Sorben auf ihrer Internetseite sorbischerleben.de auch eine ganz einfache Antwort auf die Zeitgeistfrage, warum nur Jungen und Männer Osterreiter sein dürfen: „Weil den Frauen dieser Anblick gefällt und es so Brauch ist.“