Der Markenname Lambrusco schien unter deutschen Weinliebhabern für alle Zeiten verbrannt. Die Rebsorte wird allgemein assoziiert mit minderwertiger Qualität. Tankstellen in Bahnhofsnähe verkauften früher 2-Liter-Bomben fragwürdiger Flüssigkeit namens „Lambrusco“ an Penner, die den Inhalt in wüsten Gelagen auf der Straße verzehrten.
In einem satirischen Comic des Tübinger Zeichners Peter Puck bietet ein Tippelbruder in der U-Bahn den Fahrgästen ein Obdachlosen-Magazin mit dem Namen „Lambrusco-Express“ an (Auf dem Titel: „12 Schlafpappen im Test“). Dieses Stereotyp vom Wein Marke „Pennerglück“ hat sich bei den Konsumenten eingebrannt.
In der Tat wurden und werden große Mengen des Rotweins exportiert. Lambrusco („Lambruscum“, lat. = wilde Rebe) wird jung getrunken und läßt sich kostensparend produzieren. Das Ergebnis ist oft entsprechend. Dabei gibt es in den italienischen Herkunftsregionen Emilia und Lombardei ganz vorzügliche Weine aus der Lambrusco-Traube, die schon den Römern bekannt war.
Guter Lambrusco kostet mehr
Junge Winzer mit Idealismus wollen dem Lambrusco daher das verdiente Ansehen zurückgeben und keltern Qualitätserzeugnisse. Dabei wird die Gärung des Mostes durch plötzliche Kälte gestoppt, was eine fruchtige Frische konserviert.
Die Investition in entsprechende Technik ist jedoch eine Kostenhürde. Das schlägt sich natürlich auch im Verbraucherpreis nieder, wo die Flasche dementsprechend statt fünf nun auch mehr als 20 Euro kosten kann. Aber das ist bei Standard-Rotweinsorten ja nicht anders. Besonders der moussierende Lambrusco Frizzante ist eine exquisite Spezialität.
Die mineralreichen Böden der Reggio Emilia-Romagna (im Norden des Landes, rund um Bologna und übrigens die Heimat der Roman- und Filmhelden Don Camillo und Peppone) sorgen für intensive und charakterstarke Aromen. Fruchtige und florale Noten ergeben in Kombination mit der sprudelnden Frische und dem moderaten Alkoholgehalt von etwa zehn bis zwölf Prozent ein stimmungsvolles und belebendes Getränk. Trocken ausgebaut (secco) ist er der ideale Kompagnon für warme Sommerabende und zaubert mediterrane Stimmung auf die Terrasse. Auch herzhafte Speisen begleitet er brav, ob Vitello Tonnato oder Käseteller.
Der spritzige Rote hat es verdient, zum Sommerwein zu werden
Leider hat sich das nördlich der Alpen noch kaum herumgesprochen, und die Gabe des Bacchus leidet nach wie vor unter dem zweifelhaften Ruf als süßliches Gesöff mit Kopfweh-Garantie. „Brauch’ ich nicht zu bestellen, kauft keiner“, sagt der Weinhändler an der Ecke.
Auch in den immer besser sortierten Weinregalen der Supermärkte, wo sich derzeit die zur Mode gewordenen und entsprechend hastig produzierten Primitivos drängen, sucht man vergebens nach dem roten Schaumwein aus dem Norden des Stiefels.
Dabei hat es der spritzige Rote verdient, der Lieblings-Vino dieses Sommers zu werden. Zur Hölle mit dem fürchterlichen Aperol Spritz, diesem klebrigen Erzeugnis der chemischen Industrie, mit dem Banausen guten Winzersekt verunreinigen! In den Abfluß mit dieser Mixtur aus Zucker, Farbstoff und diversen Betriebsstoffen, die schmeckt wie Paradiesapfel mit Bremsenreiniger!
Ein guter Lambrusco versetzt einen nach Brescello
Zum Glück haben einige Pioniere des Fachhandels das Potential des Lambrusco (wieder-)erkannt und wagen den Import im Vertrauen darauf, daß die Kunden ihre liebgewonnenen Vorurteile doch noch beherzt über Bord werfen, so wie die CDU ihre Werte. Wer sich traut und eine gute Flasche ersteht, gewinnt einen leichten Genuß und kostenlos dazu das imaginäre Flair des Marktplatzes von Brescello, der Kulisse der kultigen Don-Camillo-Filme.
Etwa zehn Euro sollte man schon für einen Lambrusco frizzante anlegen, als Trinktemperatur wird ebenfalls zehn Grad empfohlen. Paßt zu allen italienischen Speisen oder einfach zu guten Gesprächen. Jetzt muß nur die Sonne in hiesigen Landen wieder vorbeischauen. Salute!