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Architekturstreit: Neue Großkampagne will Berliner Schloß zerstören

Architekturstreit: Neue Großkampagne will Berliner Schloß zerstören

Architekturstreit: Neue Großkampagne will Berliner Schloß zerstören

Berliner Schloß und Vera Lengsfeld
Berliner Schloß und Vera Lengsfeld
Das wiederaufgebaute Berliner Schloß ist ein großer Touristenmagnet | Foto: picture alliance / Shotshop | Martin G. Dr. Baumgärtner
Architekturstreit
 

Neue Großkampagne will Berliner Schloß zerstören

Der Streit um das Berliner Stadtschloß geht in die nächste Runde. Kritiker der historischen Fassade wittern „Antisemitismus“ und „Rechtslastigkeit“ bei den Spendern für den Bau. Die Publizistin Vera Lengsfeld kontert und spricht von „Denunziation“.
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Die Feinde des Berliner Schlosses, das längst zum Touristenmagneten geworden ist und dessen Fassade und Kuppel die Besucher verzaubern, können sich nach wie vor nicht damit abfinden, daß sie den Kampf verloren haben.

In ihrer Verzweiflung über diese selbstbeigefügte Niederlage werden ihre Attacken immer lächerlicher. Oder sollte ich sagen, sie wären lächerlich, wenn die Atmosphäre in unserer Gesellschaft nicht so vergiftet wäre?

Das ist also nun die (hoffentlich) letzte Schlacht des verlorenen Haufens um Philipp Oswalt, den man in der Öffentlichkeit nur kennt, weil er immer wieder mit immer absurderen Argumenten als Gegner des Schlosses in den „Qualitätsmedien“ präsentiert wurde, jüngst sogar mit einer Homestory in der Berliner Zeitung, die ihm mächtig zu Kopf gestiegen zu sein scheint.

Neue Kampagne gegen die Geschichte

„Schloßaneignung“ wird die neueste Kampagne genannt. Es ist eine in abstoßend-faschistoid anmutendem Schwarz-Weiß gehaltene Webseite mit mehreren Säulen, eine davon enthält Fotocollagen der angeblich überschriebenen Geschichte am wunderschön wiederrekonstruierten Stadtschloß.

Medialer Kern ist aber die Säule „Rechtslastige Spender“, die im Begleittext sogar vorsichtshalber nur „Fragwürdige Spender“ heißen. Oswalt macht sich dabei zunutze, daß es der radikalen Linken durch ausdauernde Kampagnen gelungen ist, vergessen zu machen, daß es in einer Demokratie, die diesen Namen verdient, eine demokratische Rechte gibt, genauso wie eine demokratische Linke. Und daß es überhaupt kein Problem ist, wenn Vertreter der Rechten einem Spendenaufruf eines gemeinnützigen Vereins folgen.

Feind der Schloßfeinde – Ehrhardt Bödecker

Vera Lengsfeld, Dieter Stein, Ehrhardt Bödecker (verstorben 2016), Fürst Ferdinand von Bismarck (verstorben 2019), Klaus Dittel, Jan von Flocken waren einige von Tausenden von Spendern für die Stadtschloßrekonstruktion. Das ist seit Jahren bekannt. Wo ist der Skandal? Irgendwie in Oswalts Kopf und seinem offenbar unbezähmbaren Drang zu denunzieren – mit Vorliebe Tote, denn „die beißen nicht“, wie es so schön in der Schatzinsel vom Oberpiraten kolportiert wird.

Oswalt hat sehr viel Mühe darauf verwendet, eine Anklage gegen den vor bald acht Jahren im ehrwürdigen Alter von 91 verstorbenen, wohl ziemlich wohlhabenden Privatbankier und großen Preußenfan Ehrhardt Bödecker zu zimmern. Zentrales „Beweisstück“ ist ein wissenschaftliches Gutachten voller Andeutungen und Vermutungen. Angeblich hätte ein von Bödecker finanziertes Privatmuseum eine Mission gehabt: „Die Mission des Museums äußerte sich auch in Tafeln, die Preußen als aufgeklärten und progressiven Staat gegenüber anderen Staaten abzuheben suchten.“

Ein Gutachten sieht „Topoi antisemitischer Vorstellungswelten“

Dieses Preußen war übrigens der Staat, in dem jeder nach seiner Façon selig werden und ein Müller gegen den König einen Prozeß gewinnen konnte. Deshalb war es bei den französischen Aufklärern hoch angesehen. Preußenfan zu sein reicht aber nicht. Die Machete des deutschen Denunzianten ist ein Antisemitismus-Vorwurf. Ich zitiere die gesamte Passage unter dem Titel „Ehrhardt Bödecker und die Frage des Antisemitismus“:

Eine zentrale Frage des politisch-historischen und des historiographischen Welt- und Geschichtsbildes ist die im Herbst 2021 vorgebrachte Problematisierung von Formulierungen Ehrhardt Bödeckers zum Thema Juden beziehungsweise Antisemitismus. Hierbei erweist sich die analytische Differenzierung als bisweilen diffizil, weil die „Argumente“ Bödeckers in manchen Annahmen und Vorstellungen bisweilen unklar und uneindeutig bleiben. Zugleich ist unübersehbar, daß Topoi antisemitischer Vorstellungswelten regelmäßig in der Metaphorik und den Argumentationsmustern mitschwingen oder auch explizit formuliert werden.

„Topoi“ und „Vorstellungswelten“ schwingen also laut Gutachten in der Gedankenwelt des verstorbenen Bödecker mit. Trotzdem kommen die Autoren nicht umhin auch das Folgende festzuhalten. Die Hervorhebungen stammen wieder von mir:

Aus dieser Zusammenschau ergibt sich: In den analysierten Texten Ehrhardt Bödeckers lassen sich wiederholt antisemitische Passagen identifizieren. Aus ihnen geht nicht hervor, daß Bödecker in seinen Äußerungen einen systematisierten oder aggressiven Antisemitismus vertrat, der von allen Gesprächspartnern oder Leserinnen sofort als solcher erkannt wurde, oder daß Antisemitismus für Bödecker eine bewußt handlungsleitende Funktion besaß.

Ohne wirklich alle Verästelungen der Kampagne von Oswalt gegen den verstorbenen Bödecker zu kennen und ausdrücklich ohne mir ein komplettes eigenes Urteil gebildet zu haben (ich hatte auch keinen bewußten Kontakt mit dem verstorbenen Ehepaar Bödecker oder der Familie) stellt sich für mich die Sache eindeutig dar: Der Kernfehler war das Zurückweichen der Familie nach der ersten Welle der Vorwürfe und das Abhängen der Spenderplakette am Schloß – so wurde der „Beweis“ geliefert und die Denunziation durch Kontaktschuld war fertig.

Mehr als Geraune und fadenscheinige Vorwürfe kommt nicht herum

Was machen Oswalt und sein Trupp aus dieser dünnen Suppe? Diesen infamen Denunziantensatz unterhalb der Überschrift „Rechtslastige Spender“:

Von einer Reihe von Spendern, die die Fassadenrekonstruktion finanzierten, ist bekannt, daß sie rechtslastige, antisemitische und auch rechtsradikale Positionen vertraten.

Brutal, aggressiv und feige – alles auf einmal. Die Formulierung ist so gewählt, daß sie juristisch von allen gelisteten Spendern nur ganz schwer anzugreifen ist, obwohl sie auf alle zurückfällt. So wird aus dem eigentlich läppischen Vorwurf der Rechtslastigkeit eine schlimme deutsche Denunziation.

Übrigens, was die „Rechtslastigkeit“ betrifft, so bekenne ich mich gern dazu: Ich habe das Herz auf dem rechten Fleck, ich bemühe mich, die Rechtschreibung einzuhalten, obwohl das immer schwieriger wird, ich will den Rechtsstaat statt einer Gesinnungsdiktatur, ich bin – o Gott! – von Geburt an Rechtshänderin und im Straßenverkehr bestehe ich auf rechts vor links.

Denunziation durch Kontaktschuld

Wo bei mir der Spaß aufhört, ist, von linkslastigen Denunzianten auf feige Weise mit Antisemitismus in Verbindung gebracht zu werden. Und der Vorwurf wird noch weitergetrieben: Der Förderverein Berliner Schloß habe sich „auch nach Bekanntwerden nicht von seinen rechtsradikalen Spendern distanziert. Zu seinen Funktionsträgern haben auch rechtsradikale Politiker gehört“. Rechtsradikale Politiker?

Im Denunzationssystem Oswalt wird natürlich keine konkrete Aussage gemacht, er kann sich immer auf irgendwelche Taten zu Westzeiten vor dem Mauerfall zurückziehen, aber es ist schon interessant, daß die Auflistung „Fragwürdige Spender“ auch den folgenden Eintrag enthält:

Thomas Sambuc. Der Jurist kandidierte 2019 für die AfD bei der Kommunalwahl in Stuttgart, gemeinsam mit Fördervereinsmitglied Roland Dieter Lieberwirth.

Soll Thomas Sambuc hier etwa als ein „rechtsradikaler Politiker“ gesehen werden? Formaljuristisch sicher nicht, aber Oswalt nutzt jedenfalls perfide die etablierten Denunziationsassoziationen in diesem Land.

Und so wird aus der Kandidatur bei einer Kommunalwahl, einem lobenswerten demokratischen Engagement etwas Anrüchiges. Denunziation durch Kontaktschuld sei Dank!

Im Duktus des Bödecker-Gutachtens würde ich sagen, daß bei Oswalt „linksdenunziatorische Topoi und Vorstellungswelten regelmäßig in der Metaphorik und den Argumentationsmustern mitschwingen“.

Abgeschrieben bei der Wikipedia

Philipp Oswalt ist seines Zeichens Architekturtheoretiker. Trotzdem hat er in seiner Zeit als Bauhausdirektor auch historische Rekonstruktionen verantwortet: Die Trinkhalle und die rekonstruierten Meisterhäuser in Dessau sind einen Besuch wert. Als Publizist und Agitator dagegen kann man ihn nur als drittklassig bezeichnen.

Lesen Sie die folgende Passage über Heinrich Weiss. Der Kernsatz ist übrigens eine Kopie aus der deutschen Wikipedia, dem Tummelplatz der Freizeitdenunzianten:

Heinrich Weiss: Der Grundstock des Vermögens von Heinrich Weiss geht auf seinen Vater Bernhard Weiss zurück, der in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wegen seiner Tätigkeit für den Flick-Konzern und sein eigenes Unternehmen Siemag wegen Sklavenarbeit verurteilt wurde. 1974 löste Heinrich Weiss seinen verstorbenen Vater als Vorstandvorsitzender der Siemag ab. In den Jahren 2014/2015 unterstütze Heinrich Weiss die AfD ideell und finanziell. Er spendete dem Förderverein Berliner Schloß über 100.000 Euro.

Oswalt ist sich in seinem Denunziationseifer nicht zu schade, die Verbrechen der Väter alttestamentarisch bis ins dritte und vierte Glied zu verfolgen – 40 Jahre Berufsleben sind für ihn ein Katzensprung. Im Übrigen hatten wir einen Bundespräsidenten, der seinen Vater vor dem Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg verteidigt hat. Warum sollte Herr Weiß nicht für das Schloß spenden dürfen?

Wie schon eingangs erwähnt, ich schwanke zwischen Wut und Schulterzucken – im Prinzip ist die Oswalt-Denunziation ein Witz. Andererseits haben wir eine aufgeheizte Stimmung im Land. Aber zum Glück ist Verfassungsschutzpräsident Haldenwang kein Beria, sonst müßte man vor der Oswalt-Denunziation vielleicht doch Angst haben. So können wir einfach das Schloß genießen und die deutsche Denunziantencombo links liegenlassen.

Das wiederaufgebaute Berliner Schloß ist ein großer Touristenmagnet | Foto: picture alliance / Shotshop | Martin G. Dr. Baumgärtner
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