Bunte Plasteeier wehen schon Wochenlang an kahlen Ästen in den Bäumen. Kostenlose Prospekte unterbieten sich gegenseitig im Schokohasen-Preisdumping. Die aus kaufmännischer Sicht verständliche, für Gläubige und Traditionalisten jedoch im besten Fall als geschmacklos zu bezeichnende Unsitte, Weihnachten in den Spätsommer zu verlegen, greift auch auf das Osterfest über.
Kaum sind Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag vorbei, folgt das höchste Fest der Christenheit: Ostern. Feiertage, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier der Tod, dort die Auferstehung. Das Zeitfenster zwischen Buße, Innehalten und Freudenzeit ist denkbar knapp bemessen. Der ganze fröhliche Dekoaufwand für nur zwei Tage? Das lohnt sich nicht. Nur, wann sollte man eigentlich damit beginnen, die Wohnung und das Haus zu schmücken?
Jesus und die Ostereier
„Wenn überall schon Ostereier hängen und Osterfeste gefeiert werden, finde ich das inhaltsleer“, sagte, zugegeben vor neun Jahren, die ehemalige evangelische Bischöfin Margot Käßmann in einem Interview mit den Lübecker Nachrichten. „Das hat mit Ostern nichts zu tun.“ Und wer will da der Theologin widersprechen? Nun, offensichtlich, wie oben beschrieben, schon mal der deutsche Einzelhandel.
Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert bekanntlich die Rechtsfindung. Ein Blick in das Buch der Bücher hilft bei der Lösung dieser Frage allerdings überhaupt nicht. Zum einen: Im Neuen Testament ist weder die Rede von bunten Eiern die selbstvergessen am Kätzchenstrauß baumeln, noch von Nestern voller Nougat. Das ist auch unmöglich, weil die Nummer mit den Eiern erst 100 Jahre nach Christi Geburt losging und Schokolade bekanntlich in Amerika angebaut wird. Und das haben die römischen Legionen dereinst weder unter Tiberius noch unter irgendeinem anderen Augustus entdeckt oder gar erobert.
Okay, legen wir die Bibel mal aus der Hand. Umfrage unter Otto Normalverbrauchern: „Wie hältst Du es mit der Religion, respektive wann schmückst Du?“ Die Frage löst bei den meisten Erstaunen aus. „Da gibt es keine Vorgaben.“ „Erlaubt ist, was gefällt.“ „Lohnt doch nicht nur Ostern. Der Frühling beginn doch schon viel früher.“ „Hat nüscht mit Jesus zu tun, der schlüpfte schließlich nicht aus dem Ei.“
Kirchen als Schmuckratgeber
Geradezu als bahnbrechende Erleuchtungen sind hier auch die Erläuterungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland zu bezeichnen. Am 28. März dieses Jahres erschien dort ein Artikel, der sich genau dieser Frage widmete. Zu lesen war Folgendes: „Da am 20. März kalendarischer Frühlingsanfang ist und viele in diesem Zeitraum auch mit dem allbekannten Frühjahrsputz beginnen, lohnt es sich doch in diesem Zuge auch, die Osterdekoration wieder hervorzukramen. Grundsätzlich läßt sich aber sagen, daß man auch Tage oder Wochen eher oder später beginnen kann.“
Himmel hilf! Solch ein Unsinn. Also, dann bleibt wirklich nichts anderes übrig, als Gottes Bodenpersonal höchstpersönlich anzuschreiben. Unsere Frage lautete: „Ab wann sollte das Heim österlich geschmückt werden?“ Hier die Antworten der Evangelischen und Katholischen Kirche. Und vorab: Sie sind sich in der Antwort auf diese Frage sehr einig.
„Der Wechsel von der Karwoche zu Ostern ist der größte inhaltliche Sprung im Kirchenjahr – ausgedrückt durch den kontrastreichen Wechsel der liturgischen Farbe von Schwarz an Karfreitag und -Samstag zu Weiß für Ostern“, erklärt ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber JUNGEN FREIHEIT. „Für das häusliche Schmücken an Feiertagen gibt es seitens der Kirche natürlich keine Richtlinien. Aber wer der inneren Logik des Kirchenjahrs folgen möchte, den Gegensatz von Tod und Leben, Hölle und Himmel, Scheitern und Gelingen selbst erleben will, der wird sein persönliches Ostern nicht ohne Karfreitag feiern.“
Der Konsumwerbung nicht auf den Leim gehen
Das Deutsche Liturgische Institut in Trier ist eine Einrichtung der deutschen Bischofskonferenz. Es erarbeitet unter anderem die Richtlinien zur Feier der Gottesdienste. „Verbindlich können wir nur etwas über das Schmücken von Kirchenräumen sagen“, so Institutsleiter Marius Linnenborn zur JUNGEN FREIHEIT. „Diese werden selbstverständlich erst am Karsamstag für das Osterfest geschmückt. Dann sollte der Osterschmuck aber auch die ganze Osterzeit gepflegt werden, sieben Wochen lang bis zum Pfingstfest. Das österliche Schmücken in der Wohnung sollte sich möglichst auch danach richten.“
In den letzten Jahren habe es sich ja immer mehr dahin entwickelt, daß Weihnachtsbäume schon lange vor Weihnachten aufgestellt würden, auch in Wohnungen, teilweise sogar in Kirchen, sagt Linnemann. Nach dem 26.12. würden sie dann häufig schon wieder entsorgt. „Das Bewußtsein für den Unterschied zwischen der Vorbereitungszeit auf ein Fest und dem Fest selbst, geht leider immer mehr verloren – zu einem großen Teil sicher wegen der Konsumwerbung, die das Fest schon ‘vorzieht’. Dabei ist es gerade die Erwartung, die mit einer gewissen Kargheit ‘Fastenzeit’ verbunden ist, die die Feier des Festes noch steigert.“ In diesem Sinne: Allen unseren Lesern ein frohes und gesegnetes Osterfest!