Ein wenig vermessen ist sie ja schon, die Lola. Der Deutsche Filmpreis, benannt nach der Heinrich-Mann-Verfilmung „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich sowie den beiden „Lolas“ von Rainer Werner Fassbinder und Tom Tykwer, wäre gern der hiesige Oscar. Dafür bräuchte es freilich eine vergleichbar hohe Produktion herausragender Filme. Doch es ist wie bei der Wehrfähigkeit: Sowohl qualitativ als auch quantitativ ist das, was die Bundesrepublik zu bieten hat, im Vergleich zu den Vereinigten Staaten nur ein laues Lüftchen.
Claudia Roth, die Grünen-Politikerin, deren Faible für Vielfalt sich über die Jahre am Umgang mit dem eigenen Haar ablesen ließ, ist nun endlich dort angekommen, wo sie sich vermutlich schon als kleines Mädchen hingeträumt hat: Als Kulturstaatsministerin darf sie abends mit Promis die Sektgläser klirren lassen und tagsüber huldvoll wie einst Marie Antoinette Steuermillionen für Kunstwerke ausgeben, die grünen Lieblingspflanzen wie Feminismus, Genderismus und Multikulti zu üppigem Gedeihen verhelfen. „In Zukunft wollen wir die Filmförderung ökologischer, diverser und geschlechtergerechter aufstellen“, verkündete Roth Anfang des Jahres.
Botschaften sollen zeitgeistkonform sein
Mehr denn je kommt es also für Autoren und Regisseure nun darauf an, geschickt oder auch mal plump, die Botschaften zu vermitteln, mit denen die staatlich erwünschte Gehirnwäsche besonders nachhaltig zum Erfolg geführt werden kann. Und als wäre das nicht schon Lohn genug, streicht die Grüne für ihren Posten von Väterchen Staat auch noch ein üppiges Ministersalär ein. Wer würde da wohl nicht mit ihr tauschen wollen?
Drei Dramen tauchen auf der von Roth bekanntgegebenen Nominierungsliste für den Filmpreis immer wieder auf: „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“, „Große Freiheit“ und „Lieber Thomas“. Auch Sönke Wortmanns „Contra“, ein Neuaufguß der französischen Komödie „Die brillante Mademoiselle Neïla“ aus dem Jahr 2017 könnte mit einem Preis belohnt werden. Christoph Maria Herbst verkörpert darin fabelhaft aufgelegt einen Sprechcodes mißachtenden Rhetorik-Professor. Außerdem nominiert sind Karoline Herfurths „Wunderschön“ sowie die internationale Koproduktion „Spencer“ über Lady Di.
Grüner Zeitgeist-Sieger wäre Migrantenfilm
Läuft es wie beim großen Eurovision Songcontest vergangene Woche, steht der Sieger von vornherein fest und heißt „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“. Denn wie das berühmte Kinder-Überraschungsei erfüllt der Film gleich drei grüne Wünsche auf einmal: Es geht um Migranten, eine starke Frau und die Republikaner sind die Bösen. Das sollte für eine Flut von Auszeichnungen genügen. Das Migrantendrama von Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“) erzählt die Geschichte von Rabiye Kurnaz, der Mutter des Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz. Die Türkin mit Wohnsitz in Bremen setzt alle Hebel in Bewegung, um ihren Sohn nach dessen Gefangennahme durch US-Behörden freizubekommen. Für die Rolle der temperamentvollen türkischen Mutter erhielte Meltem Kaptan, ebenso wie das Drehbuch von Laila Stieler, bereits einen Silbernen Bären auf der diesjährigen Berlinale. Für beide könnte jetzt je eine Lola hinzukommen. Außerdem ist Andreas Dresen für den Regiepreis nominiert.
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Voll auf Linie mit dem Zeitgeist liegt auch Sebastian Meises „Große Freiheit“. Es ist der Homosexuellen-Befreiungsfilm des Jahres, eine Art „Brokeback Mountain“ hinter Gittern. Meise folgt über einen Zeitraum von 25 Jahren dem Lebensweg seiner Protagonisten Hans (Franz Rogowski) und Viktor (Georg Friedrich). Die beiden Männer begegnen sich erstmals Ende des Zweiten Weltkriegs. 1968 treffen sie sich im Gefängnis wieder – zwei Jahre vor der Zeitenwende von 1969, der Liberalisierung des Paragraph 175 des Strafgesetzbuches, der die sittenwidrige Unzucht zwischen Männern unter Strafe stellte.
Im Zeitalter des Geschlechtsrevisionismus kann ein Film zu dem Thema gar nicht zu spröde-kammerspielhaft inszeniert sein – die regenbogenaffinen Juroren der Filmakademie geraten auf jeden Fall ins Schwärmen.
Wäre nicht ideologischer Konformismus, sondern allein die Leistung ausschlaggebend für eine Auszeichnung, dürfte sich „Lieber Thomas“ wohl die besten Chancen auf den Hauptpreis ausrechnen. Der Schwarzweiß-Film von Andreas Kleinert über den Künstler Thomas Brasch ist ein sensibles Exzentrikerporträt im Stil von Oskar Roehlers „Die Unberührbare“ aus dem Jahr 2000. Brasch, als Jude 1945 im englischen Exil geboren, wurde in den fünfziger Jahren von seinem Vater in die DDR mitgeschleppt, weil dieser den Kommunismus mit aufbauen wollte. So viel Euphorie für das vermeintlich bessere Deutschland vermag der junge Brasch jedoch nicht zu entwickeln. Er versucht sich künstlerisch als Dramatiker und Filmemacher, eckt bald bei Systemkonformisten an und wird schließlich von seinem staatstreuen Vater an die Stasi verraten.
Gendersprache ist bei Lola-Nominierung allgegenwärtig
Albrecht Schuch macht als Hauptdarsteller auch diesen Film zum Ereignis. Nur Mitleid mit den anderen Nominierten, die im Leistungsvergleich mit ihm schier chancenlos dastehen, kann wohl verhindern, daß das Ausnahmetalent, das 2020 für seine Rollen in „Berlin Alexanderplatz“ und „Systemsprenger“ gleich doppelt ausgezeichnet wurde, auch in diesem Jahr den Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller einfährt.
Die Entscheidungen in den 17 Preis-Kategorien werden am 24. Juni im Berliner Palais am Funkturm bei einer feierlichen Verleihungszeremonie bekanntgegeben. Zwei Lola-Gewinner und eine große Verliererin stehen bereits fest: Kameramann Jürgen Jürges erhält den Ehrenpreis und das Regenbogenkitsch-Kindermärchen „Die Schule der magischen Tiere“ den Preis für den besucherstärksten Film. Die Verliererin ist die deutsche Sprache. Schon die Pressemitteilung zu den diesjährigen Lola-Nominierungen steckt so voller „Präsident: innen“ und „Zuschauer: innen“, daß man den mißbrauchten Doppelpunkt am liebsten in ein folterfreies Exil schicken würde.