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Im Panzer zu Hause

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Cato, Palmer, Exklusiv

Wenn sich die beiden führenden politisch-kulturellen Zeitschriften in Deutschland – der Merkur und die Sezession – parallel mit ein und demselben Thema befassen, ist das bemerkenswert. Jedenfalls wenn das Thema so weit vom Mainstream der Nachrichten und Meinungen entfernt ist wie die Casa Pound in Rom. Es handelt sich dabei um ein besetztes Haus in der italienischen Hauptstadt, benannt nach dem Dichter Ezra Pound, Literat von Weltrang – und bekennender Faschist. Das ist schon ein Hinweis auf den weltanschaulichen Hintergrund der Besetzung, die nicht wie üblich durch Anarchisten, Autonome oder sonstige Linke erfolgte, sondern durch „Neo-Squadristen“, Männer, die sich den Urfaschismus zum Vorbild nehmen, also eine Art „nationalen Sozialismus“. Pounds Kampf gegen den „Wucher“ wird als Rechtfertigung betrachtet, seit 2003 ein leerstehendes Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs Termini, mitten im asiatischen Viertel, zu okkupieren und bedürftigen Familien zur Verfügung zu stellen.

Wer sich im Umfeld der Casa Pound bewegt, kann deren symbolische Präsenz nicht übersehen. Das Gebäude selbst mit dem avantgardistischen Schriftzug, eine schwarze Fahne nach dem Muster der britischen Faschisten auf dem Dach, überall Sgraffiti und Plakate. Man spielt mit allen möglichen Emblemen und Chiffren, nicht nur aus der Zeit des historischen Faschismus, sondern auch aus dem Zeichenrepertoire der Bewegungen des Nachkriegs, von der dreifarbigen Flamme des Movimento Sociale Italiano (MSI) über die Doppelaxt bis zum Keltenkreuz, das seit den sechziger Jahren wachsende Bedeutung gewann.

Daß der Umgang mit diesen Traditionen oft einen eher spielerischen Charakter hat, erklärt auch, warum das eigentliche Symbol der Poundisti keinen Anklang an ein älteres Modell zeigt – sieht man von der Konzeption der Fahne ab. Denn die besteht aus einem roten Tuch, in dessen Mitte ein weißes Kreissegment ausgespart wurde, aufgelegt eine Schwarz und Weiß gezeichnete, stark stilisierte Schildkröte mit achteckigem Panzer, dessen Muster vier aufeinanderstoßende Pfeile bilden, deren Zwischenräume ein Tatzenkreuz freilassen.

Daß der Gesamtentwurf mit der Anlehnung an die Fahne der Nationalsozialisten provozieren soll, leuchtet unmittelbar ein, ebenso der Sinn des Tatzenkreuzes, das sich im Eisernen Kreuz wiederfindet. Naheliegend ist auch, daß die aufeinander stoßenden Pfeile für die Konzentration des politischen Angriffs stehen; ferner liegt schon der Bezug auf das Achteck als Reminiszenz an das legendäre Castel del Monte, das der Stauferkaiser Friedrichs II. errichtete, den man in der Casa zu den Heroen zählt. Was aber die Schildkröte soll, erschließt sich nur, wenn man die kanonische Erklärung kennt: Dieses Tiersymbol wurde gewählt, weil die Schildkröte ihr Haus nicht verlieren kann (unaufgebbares Wohneigentum für jede italienische Familie gehört zu den Generalforderungen der Casa Pound), weil sie wehrhaft ist und sich langsam, aber unaufhaltsam – wie ein Panzer oder die als „Schildkröte“ bezeichnete Formation der römischen Truppen – vorwärtsbewegt.

Die Gestaltung des Emblems erinnert sehr stark an ein japanisches Mon, die scharf konturierten und kontrastierten „Wappen“ der Samurai. Auch das ist kein Zufall und zeigt, daß der Entwurf von einem professionellen Graphiker angefertigt wurde. So wie man feststellt, daß die Casa Pound für eine Art von postmodernem Faschismus steht, der mit dem Programm gewisser Kleinstparteien der „sozialen Rechten“ nur am Rande zu tun hat, muß man zur Kenntnis nehmen, daß sie nicht nur im Ideologischen unerwartete Positionen (in der Verehrung Che Guevaras oder eines linken Liedermachers) bezieht, sondern auch im Hinblick auf das politische Design ungewöhnliche Wege geht, zwar auf Nostalgie und Zitate nicht verzichtet, aber eben auch versucht, etwas Neues zu setzen.

Wie erfolgreich dieses Konzept im Fall der Schildkröte ist, bleibt abzuwarten. Eine Rolle spielt nicht nur, wie weit die italienische Laxheit im Umgang mit dieser faschistischen Subkultur geht, sondern auch, wie man ein relativ schwer reproduzierbares Symbol wirklich populär machen will. Allerdings hat Martin Lichtmesz, der beste deutsche Kenner der Zusammenhänge, darauf hingewiesen, daß die Schildkröte in der antifaschistischen Propaganda Italiens schon dabei sei, Flamme, Kelten- und Hakenkreuz als Abkürzung für den verhaßten Gegner zu verdrängen.

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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