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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Zeichen am Himmel

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Die Europawahlen machen es wieder allgegenwärtig: unser „Sternenbanner“ (das den Namen viel eher verdient als das amerikanische), die Europaflagge. Mit diesem Begriff wird heute – im Gegensatz zu der nach dem Zweiten Weltkrieg verbreiteten weißen Flagge mit einem roten oder grünen „E“ – das blaue Tuch bezeichnet, auf dem zwölf gelbe fünfzackige Sterne im Kreis angeordnet sind.

Ursprünglich handelte es sich um die für den Europarat eingeführte Flagge. Dieses Gremium war am 5. Mai 1949 von Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Großbritannien gegründet worden und bildet die älteste politische Institution der EU. Die Gestaltung eines eigenen Symbols erwies sich aber als schwierig und nahm mehrere Jahre in Anspruch. Nur das Sternmotiv und die Farbgebung hatte man früh festgelegt. So scheiterte etwa der Vorschlag der beratenden Versammlung an den Europarat vom 25. September 1953, dem zufolge die Zahl der Sterne nach der Menge der Mitglieder auf fünfzehn festzulegen war, am Widerstand der Bundesrepublik, die das Zählen des Saargebiets (auf dessen Rückgliederung man hoffte) als selbständigen Staat ablehnte.

Danach blieb es bei der einmal angenommenen Zahl Zwölf, eine Regelung, die der Ministerrat am 9. Dezember 1955 formell anerkannte. Die damals gegebene Interpretation stellte eine Verbindung von Zwölfzahl und Tierkreis her und wies darauf hin, es seien – da Zwölf eine Gesamtheit symbolisiere – durch die Sterne alle Völker Europas gemeint, auch diejenigen, die durch die Zugehörigkeit zum Ostblock an einem Beitritt zum vereinten Europa gehindert würden.

Befriedigend fanden diese Deutung nicht alle, und es blieb deshalb neben der offiziellen immer eine abweichende Interpretation im Umlauf. Der zufolg soll der Vorschlag für die Gestaltung auf den Leiter der Kultur­abteilung des Europarats, Paul Lévi, zurückgehen. Lévi war ein belgischer Jude, der während des Zweiten Weltkriegs das Gelübde abgelegt haben soll, im Fall seines Überlebens zum Katholizismus zu konvertieren. Diesem Versprechen gemäß trat er nach Kriegsende in die katholische Kirche ein. Als 1955 die Frage entschieden werden mußte, wie die Flagge des Europarates aussehen sollte, sei Lévi am Straßburger Münster eine Marienstatue mit dem Sternenkranz aufgefallen. Lévi habe daraufhin den Generalsekretär des Europarates, Graf Benvenuti, aufgesucht und ihm als Motiv für die Europaflagge zwölf Sterne auf blauem Grund vorgeschlagen, und sein Vorschlag sei akzeptiert worden.

Das Motiv des Sternenkranzes Marias geht auf den Anfang des zwölften Kapitels der Offenbarung zurück, wo es heißt: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel. Eine Frau mit der Sonne bekleidet. Der Mond war unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen.“ (Offenbarung 12,1). In der christlichen Kunst ist das „apokalyptische Weib“ immer mit Maria identifiziert worden, zu deren Attributen deshalb die Mondsichel unter dem Fuß und der Sternenkranz als eine Art Nimbus gehören.

So plausibel die Herleitung in vielem erscheint, es gibt keine Belege für einen derartigen Entstehungsweg der Europaflagge, und Lévi hat 1989 auf Befragen eine religiöse Motivation ausdrücklich bestritten. Es ist aber die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß das geschah, um gewisse Empfindlichkeiten bei potentiellen Mitgliedsstaaten der EU zu schonen und der veränderten religiösen Machtlage in Europa Rechnung zu tragen.

Seit Anfang der sechziger Jahre wurde die Europaflagge von zahlreichen Organisationen der jetzt so genannten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) übernommen und bei verschiedenen Anlässen – etwa dem halboffiziellen „Europatag“, dem 5. Mai – auch in den Mitgliedsstaaten an öffentlichen Gebäuden gehißt.

Das Emblem der Europaflagge wurde außerdem von Anfang an in freier Darstellung wie eine Art Wappen verwendet, so daß es nahelag, mit dem Übergang von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union das entsprechende Motiv an den Landesgrenzen und Außengrenzen der EU neben oder an Stelle der nationalen Hoheitszeichen anzubringen. Das Emblem findet sich außerdem auf den Autokennzeichen und in zahlreichen anderen Verbindungen, die einen ausgesprochen europäischen Bezug haben.

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

Foto: Europafahne: Zwölf Sterne für Maria

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