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Waltraud adé

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Man mißachte die Moden nicht! Richtig: Daß gerade wieder Röhrenjeans angesagt sind und Frisuren mit Pony – das mögen nichtige Phänomene sein, die uns nicht unmittelbar etwas über Finanzkrisen oder andere Epochenmarker aussagen. Aber immerhin – der Minirock war über  Jahrtausende der Menschheitsgeschichte nicht denkbar, ebensowenig wie die Blue jeans als weltweite, schicht- und generationenübergreifende Uniform. Oder nehmen wir nur die Baseballkappe und  – per Variationen in Cord, Tweed, etc. – ihren Aufstieg in die Herrenmode bis hin in das fortgeschrittene Pensionärsalter. Ein Ignorant, der solche Zeichen für zufällige hält!

Solche im weitesten Sinne kosmetischen Moden überdauern gelegentlich eine Saison, manchmal stehen sie sinnbildlich für den Habitus eines Jahrzehnts. Oder eben darüber hinaus: Nehmen wir die Namensmoden, die Modenamen. Der Name, nur Schall und Rauch? Von wegen! Allein das Hinzuerfinden eines „Wilhelm“ in der langen Vornamenreihe des jungen Wirtschaftsministers von und zu Guttenberg (durch einen anonymen Internetfreak) hat tagelang für Diskussionen gesorgt. Oder: die justitiable Entscheidung im vergangenen Monat darüber, mit wie vielen Nachnamen man/frau sich schmücken darf und inwieweit ein Name identitätsstiftend sei.

Eine deutsche Mandy, ein Randy oder Ronny jedenfalls, darauf darf gewettet werden, wird sich in den nächsten Jahrzehnten nicht auf den Listen der Nobel-, Büchner- oder sonstiger renommierter Preise finden. Nomen est omen. Oder, mit Theodor Storm gesprochen: Bedenk es wohl, eh du sie taufst! Bedeutsam sind die Namen, und fasse mir das liebe Bild nun in den rechten Rahmen. Denn ob der Nam’ den Menschen macht, ob sich der Mensch den Namen, das ist, weshalb mir oft, mein Freund, bescheidne Zweifel kamen!

Der Vorname taugt – gewiß, nicht allein – zur Bürde oder zum Sprungbrett, das künftige Leben betreffend. Ohne Kenntnis der Person erweckt der Rufname Assoziationen. Im Zweifelsfall wird der Personalchef – das Antidiskriminierungsgesetz ist hier lückenhaft – bei ähnlicher Qualifikation die Stelle als Büroleiter lieber an Alexander Daniel denn an Jason Finley vergeben. Oder?

Anhand einer universitären Psychostudie wurde erforscht, daß wir anhand von Vornamen deutlich in Kategorien wie Intelligenz und Attraktivität einordnen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat nun unter Verweis auf eine demnächst veröffentlichte Studie berichtet, daß aktuelle Vornamen derzeit einem deutlichen Androgynitätstrend unterliegen: „Jungen und Mädchen gleichen sich lautlich in ihren Vornamen an“, heißt es: Das wäre Gender Mainstreaming in der Praxis und ganz ohne Gesetz. Insgesamt neigen die heute beliebtesten Vornamen zu dezidiert weichem Klang. Als Faktoren werden genannt: helle Vokale und Vermeidung von nebeneinanderstehenden Mitlauten, daneben fallen die Namensfavoriten durch Kürze auf: Adieu, Kerstin, Thorsten und Oliver (Günter und Ingeborg sind ohnehin verschwunden), ein herzliches Willkommen (oder besser: ein liebes Miau!) an Lea, Mia, Lara, Leon, Paul und Luca!

Die urbanen Modenamen, die noch zahn- und zahllosen Friedrichs, Wilhelms und Gustavs, haben, auch darauf weist der FAZ-Autor hin, noch keinen Niederschlag in der Bestenliste der gesamtdeutschen Statistik gefunden. Wie sollten wir wohl diesen hübschen Nostal­gietrend deuten?     

Ebenfalls die FAZ hatte vor Jahren mal eine kleine Serie präsentiert, in der über die Namensvergabe in verschiedenen europäischen Ländern berichtet wurde. Fazit: Wir Deutschen zeigen uns deutlich zeitgeistabhängiger als unsere Nachbarn. Während die Jacks und Harrys, die Pepes und Pacos – von den Mohammeds und Husseins in muselmanischen Gefilden ganz zu schweigen – nur wenig Rückschlüsse auf ihr Alter zulassen, sind die hiesigen Rufnamen überdeutlich nach Generationskohorten zuordenbar: Dreißigjährige heißen nur im Sonderfall Waltraud oder Wolfgang, Zehnjährige selten Nicole oder Dirk, und unter Neugeborenen sind Kevin und Zoe, bis vor einigen Jahren noch Trendnamen, bereits wieder out.     

Zeitungen bringen derlei regelmäßig unter „Vermischtes“: Daß die Vornamen Schröder, Rosenherz, Borussia und Puschkin vor deutschen Gerichten scheiterten, Emelie-Extra, Sundance oder Pumuckl aber durchgewinkt wurden, daß „Summer“ durch die Geburt einer Promi-Tochter verstärkt nachgefragt wurde und daß Benedikt und Knut dank Papst und Eisbär eine Renaissance erlebten.

In diese Reihe gehört ein Urteil, daß Ende vorigen Jahres durch das Bundesverfassungsgericht ergangen ist (1 BvR 576/07 vom 5. Dezember 2008). In Frage stand eine Dienstanweisung an Standesbeamte.

Danach soll ein Vorname, der „Zweifel am Geschlecht des Kindes aufkommen läßt“, durch die Hinzufügung eines geschlechtlich eindeutigen Vornamens ergänzt werden. Konkret verhandelt wurde (unter Vorsitz der Richter Hohmann-Dennhardt und Kirchhof) über die Gültigkeit des Vornamens Kiran für ein Mädchen eines aus Indien stammenden Paares. Der indische Name bedeutet gleichermaßen „schäbig“, „abgedroschen“ wie auch „Staub“ und „Sonnenstrahl“.

Das Amtsgericht Memmingen hatte 2006 den Eintrag dieses Namens abgelehnt. Der Streit ging durch zahlreiche Instanzen. Angeführt wurde etwa, daß die Endung „-an“ in dem Lebensumfeld, wo die Familie auch künftig zu leben beabsichtige (Deutschland), eher Personen männlichen Geschlechts bezeichne (Kilian, Julian etc.); zudem wurde auf einen der bedeutendsten Schriftsteller Indiens, Kiran Nagarkar, verwiesen. Die Diskussion berührt die Gender-Debatte mithin ebenso wie die Gegebenheiten einer multikulturellen Gesellschaft.

Entschieden wurde – entgegen dem bisherigen traditionellen Verständnis –, daß ein Name, der das Geschlecht einer Person nicht erkennen läßt, ohne weitere Ergänzungen führbar ist. Dies unter Hinweis darauf, daß im Herkunftsland der Familie der Rufname einen derartigen Stellenwert habe, daß es „unmöglich“ sei, einen zusätzlich, geschlechtlich eindeutigen Namen zu tragen. Identität? Ist machbar, Herr Nachbar.

Foto: Kurze Namen sind auf dem Vormarsch: Deutsche zeigen sich zeitgeistabhängiger als ihre Nachbarn

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