Sein ganzes Leben lang wollte er ‘Lady Chatterleys Liebhaber’ schreiben“, verriet Frieda von Richthofen über ihren verstorbenen Ehemann D. H. Lawrence. Und tatsächlich, die Befreiung menschlicher Lebenskraft, des Eros gegenüber Moral und Zivilisation artikulierte der englische Skandalautor Lawrence (1885–1930) nicht nur in der legendären „Lady Chatterley“, sondern in nahezu all seinen Werken – wie zum Beispiel „The Rainbow“ (Der Regenbogen).
Der Stoff wurde vor zwanzig Jahren durch Ken Russell erstmals verfilmt. Russell, ein filmischer Wüstling, der in „Liszomania“ (1975), „Gothic“ (1986) oder „The Last Dance of Salomé“ (1988) Rock-Exzesse ins 19. Jahrhundert projizierte, schuf drei sehr subtile Lawrence-Verfilmungen: „Women in Love“ (1969), „Lady Chatterley“ (1993) und eben „The Rainbow“ (1989).
Letzterer öffnet keine Abgründe mehr, sondern versteht sich als purer „Hymnus auf das Leben“ (Russell); zeigt, wie es sich in Gestalt der jungen Ursula Brangwen (Sammi Davis) seinen Weg bahnt und sich gegen Moral und Konventionen um 1900 durchsetzt: wie die junge Frau sich vom Elternhaus trennt, in London den Lehrberuf ergreift und die freie Liebe entdeckt.
Trotzdem ist das kein Jubelfilm. Die Regie verschweigt weder die unzähligen Fallen auf dem Weg in die Autonomie, noch beschönigt sie Enttäuschungen über unlösbare Probleme des Lebens: über die grausame Seite der Natur, die Ursula nicht akzeptieren mag. Oder ihr Versagen als Lehrerin, weil die Schüler ihre reformatorische Gutmütigkeit ausnutzen. Auch die Liebe zu einem Soldaten geht in die Brüche. Ursula scheitert auf allen Baustellen: also alle Träume widerlegt und reuige Rückkehr in den lauwarmen Hauptstrom – in den Kreis jener, die das Akzeptieren von Schrecken und Unrecht als „Reife“ mißverstehen? Nein.
Die Heldin bricht zusammen, vom Fieber befallen, aber steht wieder auf und folgt aufs neue „ihrem Regenbogen“: jener farbigen Brücke der Transzendenz, von der schon die ältesten Sagen und – vor allem – Judy Garland in „The Wizard of Oz“ (1939) erzählen. Freiheit ist kein einmal erreichbares Ziel. Sie kann nur als Prozeß durchlebt werden – jenseits von Erfolg und Scheitern. Und Ken Russell findet poetische Bilder, deren Schönheit die dazu nötige Kraft vermittelt – unterstützt durch das prall-lebendige Spiel der Hauptdarstellerin Sammi Davis, deren Lebenslust nie zur optimistischen Plattheit verkommt.
DVD: Der Regenbogen, USA 1989, Epix Media, Berlin 2009, Laufzeit etwa 112 Minuten