Das moderne Leben, so bemerkt Steven Patrick Morrissey gleich zu Beginn seiner aktuellen CD „Years of Refusal“ (Decca/ Universal), kenne keine Liebe, keine Hoffnung und auch keine wahren Freunde. Die Weltsicht, aus der heraus der in Manchester aufgewachsene Sohn irischer Einwanderer wieder einmal aufs neue seine musikalischen Rollenspiele vorführt, beweist somit eine bemerkenswerte Konstanz gegenüber dem unsteten Vagabundieren zwischen den Kontinenten, dem er sich aus lauter Überdruß über die seelische Enge Britanniens anheimgegeben haben soll. So oder so ähnlich klang es nämlich auch schon vor einem Vierteljahrhundert, als er mit Johnny Marr und anderen unter dem Firmennamen The Smiths ein kleines, beachtliches Stück Popgeschichte schrieb.
Was damals in jungen Jahren naturgemäß noch als altklug oder einfach nur exzentrisch abgetan werden konnte, darf heute jedoch den Anspruch erheben, so etwas wie eine Lebensweisheit zu sein. Diejenigen, die ihm bereits seit ihrer Jugend lauschen, erfüllen derartige Botschaften mit wachsender Genugtuung. Sie haben es mit Morrissey von Anfang an gewußt. Die Pose, die er ihnen zur Nachahmung anbietet und in der sie sich gut gefallen, ist keine, die darauf abzielen würde, sich gegen irgend etwas zu wenden, das für die eigene emotionale Unterauslastung die Verantwortung trüge. Morrisseys Blick ist auf den individuellen Nächstbereich gerichtet, und das große Ganze interessiert nur en passant, wo es gelegentliche Nahrung bietet für einen Spleen oder einen launigen Zynismus. Fügt man seine Ich-Erzählungen gleichwohl zu einer Art Gesellschaftsbild zusammen, so zeigt dieses eine gewisse Verwandtschaft mit jenem, das Michel Houellebecq zeichnet. Im sozialen Raum begegnen sich Elementarteilchen, die einander anziehen oder sich voneinander abstoßen, zwischen denen aber keine Verbindung zustande kommt.
Anders als der französische Modeautor läßt Morrissey seine Figuren allerdings nicht ihre Persönlichkeitskonturen verlieren, lakonisch implodieren oder beim antriebslosen Herumirren aufglimmen und verlöschen. Sie finden wenigstens Halt in der klaren Formulierung eines Begehrens, das bedauerlicherweise bloß nicht zu stillen ist. Darüber hinaus bewahren sie noch in der Selbstentlarvung einen vornehmen Sinn. Die dem nackten Wortsinn der Verse oft entgegengesetzte, mitunter sogar euphorische Melodienführung ist ein Stilmittel, das weniger auf Ironie, sondern auf Haltung hindeutet.
Wo sich der so häufig des Narzißmus gescholtene Morrissey dann doch als mitfühlender Chronist modernerer Befindlichkeiten herausstellt, läßt sich das Duo Palms von purem Kunstwillen als Ausdruck unbeirrter Selbstverwirklichung leiten. Das Ergebnis ist so steril, wie es die kolportierten Bedingungen der Musikproduktion erwarten lassen: Eine in Berlin tätige Dokumentarfilmerin und eine in New York residierende Künstlerexistenz fahren über den Atlantik hinweg ihre schöpferischen Ideen zu einem blasierten Ganzen zusammen, das mit einem möglichst enigmatischen, letztlich aber dämlichen Titel, „It’s Midnight in Honolulu“ (Rare Book Room Records), allen armen Tröpfen einen Kaufanreiz bietet, die in ihrem Freundeskreis nur geduldet werden, weil sie ab und zu mit einem geschmäcklerischen Geheimtip aufzuwarten wissen.
Wer in diese Falle läuft, wird mit neoromantisch angehauchten Bagatellen bestraft, die sich auf nichts festlegen wollen. Es blubbert zumeist minimalistisch vor sich hin, notdürftig strukturiert durch gewollt unterkühlten Singsang der Dokumentarfilmerin, die insbesondere in dem noch recht passablen Stück „Der Koenig“ den Eindruck erweckt, Nico nachahmen zu wollen. Wie hieß es aber bei Depeche Mode in solchen Fällen: „You’ll stumble in my footsteps.“