Die Ausstellung Flagge zeigen! Die Deutschen und ihre Nationalsymbole im Bonner Haus der Geschichte soll keine historische Präsentation im strengen Sinn sein, sondern einen politisch-pädagogischen Zweck verfolgen. Das hat Formschwächen zur Folge, in diesem Fall des Katalogs, dessen Beiträge Autoren geschrieben haben, die von der Materie bestenfalls im allgemeinen wissen. Die Ansätze, Entwicklungen und Umschwünge in der Geschichte der deutschen Nationalsymbole werden jedenfalls kaum angemessen dargestellt. Als exemplarisches Beispiel mag der Aufsatz von Bernd Faulenbach über Schwarz-Rot-Gold dienen, der etwa in bezug auf die Entwicklung der Nachkriegszeit zu der Feststellung kommt: Im Westen wie im Osten akzeptierten die Menschen in der Nachkriegszeit Schwarz-Rot-Gold. Schon im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee habe es bis auf einzelne Abgeordnete der FDP, die für Schwarz-Weiß-Rot sprachen, einen breiten Konsens gegeben, symbolisch an die Tradition von 1848 anzuknüpfen. Solche Aussagen stehen im Kontrast zu denen eines anderen Beitrags im Katalog, der anhand von Umfrageergebnissen das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nationalsymbolen verfolgt. Demoskopische Erhebungen zeigten, daß noch 1955 eine Mehrheit von 43 Prozent für Schwarz-Weiß-Rot eintrat, während 38 Prozent Schwarz-Rot-Gold befürworteten. Erst Ende der fünfziger Jahre hatten sich die Verhältnisse eindeutig zugunsten von Schwarz-Rot-Gold geklärt, was wesentlich mit der Stabilisierung der westdeutschen Republik zusammenhing. Die Verknüpfung mit der Märzrevolution, die Faulenbach so stark zu machen sucht, ist eine reine Mystifikation. Die Erinnerungsfeiern von 1948 obwohl in Ost und West mit erheblichem Aufwand inszeniert fanden in der Bevölkerung kaum Resonanz. Zu weit entfernt waren großdeutsche Idee, Volkskaisertum und klassischer Liberalismus. Man wird auch nicht übersehen dürfen, daß bei den Debatten in Herrenchiemsee letztlich das Argument den Ausschlag gab, man betone mit Schwarz-Rot-Gold den Alleinvertretungsanspruch Westdeutschlands. Das Bundesinnenministerium veröffentlichte 1955 eine Broschüre, in deren Vorwort es dementsprechend hieß: Die Bundesrepublik hat im Jahre 1950 die Symbole der Weimarer Republik übernommen. Sie bringt damit auch in ihren Wappen und Flaggen zum Ausdruck, daß in ihr das Deutsche Reich fortbesteht. Die Farben Schwarz-Rot-Gold und der Bundesadler symbolisieren die unteilbare Einheit Deutschlands. Sie erinnern jeden einzelnen von uns täglich aufs neue an die große Aufgabe: die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Bleibt noch eine Nachbemerkung zu Schwarz-Weiß-Rot. In der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit erschienen die Farben des Kaiserreichs nur einer Minderheit entehrt. Das NS-Regime hatte die alte Nationalflagge zwar 1933 neben der Hakenkreuzflagge eingeführt, aber schon 1935 wieder abgeschafft. In den Reihen der konservativen und der militärischen Opposition wollten viele nach dem etwaigen Sturz Hitlers zu Schwarz-Weiß-Rot zurückkehren; bezeichnend ist auch, daß das von Stalin installierte Nationalkomitee Freies Deutschland ganz bewußt mit Schwarz-Weiß-Rot Propaganda trieb, weil man nicht an die werbende Kraft von Schwarz-Rot-Gold glaubte. Es war insofern nur konsequent, wenn nach 1945 verschiedene Gruppen auf der politischen Rechten ihrerseits auf Schwarz-Weiß-Rot zurückgriffen, von den Gemäßigten (Deutsche Konservative Partei, Deutsche Partei) über die Radikalen (Deutsche Rechts- /Reichspartei) bis zu den Extremen (Sozialistische Reichspartei). Erfolg hatten sie damit auf Dauer nicht, aber man sollte doch im Auge behalten, daß ein Bundesminister und nachmaliger niedersächsischer Ministerpräsident Heinrich Hellwege 1953 ganz selbstverständlich sagen konnte: Bekennen wir uns ohne Ressentiment zur Fahne des Bundes, zu Schwarz-Rot-Gold; bekennen wir uns aber auch ohne Furcht zur Achtung vor der Fahne Schwarz-Weiß-Rot als dem Tuch der Überlieferung, als einer Fahne, die vielen Deutschen teuer ist. Die JF-Serie Politische Zeichenlehre des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt. Foto: Plakat für die Landratswahlen 1946: Vielen Deutschen teuer