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Aus väterlicher Einfühlsamkeit

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Der Osservatore Romano, die Zeitung des Vatikan, schrieb kürzlich, die Aufhebung der Exkommunikation für die vier Bischöfe der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. sei „nach einem falschen Drehbuch abgelaufen“. Es sei beleidigend, dem Papst Verrat am Konzil vorzuwerfen oder zu behaupten, er stelle den Dialog mit dem Judentum in Frage. Tatsächlich ist das Brisante an dem vom Vatikan erlassenen Versöhnungsdekret, das massiven Protest und Papst-Kritik hervorgerufen hat, das Veröffentlichungsdatum, der 25. Januar. Einerseits jährte sich an diesem Tag zum fünfzigsten Mal die Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) durch Papst Johannes XXIII., andererseits hatte sich vier Tage zuvor, am 21. Januar, als der Papst das Dekret unterzeichnete, einer der vier jetzt wiederversöhnten Bischöfe in einem Interview im schwedischen Fernsehen relativierend zum Holocaust geäußert. Höchstens 300.000 Juden seien getötet worden, kein einziger davon in den Gaskammern, behauptete der in Argentinien lebende Bischof Richard Williamson. Seither ist vielerorts von einem nur schwer behebbaren Flurschaden für die katholische Kirche die Rede. Das israelische Oberrabbinat hat seine offiziellen Kontakte zum Vatikan abgebrochen, und auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sieht unter den gegebenen Umständen keine Möglichkeit eines Dialogs mit der katholischen Kirche. Selbst die noch für Mai dieses Jahres geplante Papstreise ins „Heilige Land“ ist jetzt wieder in Frage gestellt. Nicht Benedikt XVI. richtete den Schaden an Diese Konsequenzen waren vom Papst gewiß weder gewollt noch vorausgesehen. Schon gar hat Benedikt XVI. damit „einen Holocaust-Leugner gesellschaftsfähig gemacht“, wie nicht nur der Vizepräsident des Zentralrat der Juden in Deutschland, Salomon Korn, am Montag dieser Woche in einem Zeitschrifteninterview behauptete. Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen verkannte offenbar die Motive des Papstes und erklärte im Hamburger Abendblatt: „Einen Holocaust-Leugner zu rehabilitieren, ist immer eine schlechte Entscheidung.“ Dabei war Benedikt XVI. ganz offensichtlich vor allem um die Einheit der Kirche besorgt. So ist in dem Dekret, mit dem die Exkommunikation der vier Bischöfe zurückgenommen wird, ausdrücklich von einem „Geschenk“ die Rede, um „das Ärgernis der Spaltung zu überwinden“. Es sei zu hoffen, daß diesem Schritt „die baldmögliche Verwirklichung der vollen Gemeinschaft von Seiten der gesamten Bruderschaft St. Pius X. mit der Kirche folgt, um so die echte Treue und wahre Anerkennung des Lehramts und der Autorität des Papstes durch ein Zeichen der sichtbaren Einheit zu bezeugen.“ Gut möglich, daß man im Vatikan unterschätzt hat, welche Folgen Bischof Williamsons Äußerungen haben könnten, die schon vor der Veröffentlichung des Dekrets im Internet verbreitet wurden. Mit dieser Kritik an seinen Beratern wird sich auch Benedikt XVI. auseinandersetzen müssen. Völlig zu Recht weist jedoch der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der Williamson Hausverbot für seine Diözese erteilte, darauf hin, daß es sich hier um „zwei verschiedene Vorgänge“ handele, „die weder sachlich noch von der persönlichen Kenntnislage des Papstes etwas miteinander zu tun haben“. Den Schaden habe nicht Benedikt XVI. angerichtet, sondern Williamson, betonte Müller. Wahrscheinlich hielt der Papst auch das symbolische Datum für ein äußerst wichtiges Zeichen. Die Euphorie der ersten Nachkonzilsjahre, die Hoffnung, eine „moderne Kirche“ könnte die Kirchenbänke füllen, hat sich längst gelegt. Viele nachkonziliare Entwicklungen werden auch in den obersten Instanzen als problematisch beurteilt. Dennoch will der Papst das Zweite Vatikanische Konzil selbst und den Wortlaut der Konzilskonstitutionen keineswegs aufheben. Ihm, der als theologischer Berater an diesem Konzil teilnahm, geht es vielmehr um die rechte, mit der Tradition vereinbare Auslegung der tatsächlich oft recht schwammigen Formulierungen. Eben das ist der Punkt, in dem linke wie rechte Papst-Kritiker sich von Benedikt XVI. unterscheiden: Sowohl progressive Theologen als auch die Traditionalisten, die sich seit 1970 um die Priesterbruderschaft Pius X. sammeln, sehen in der Konzilskirche eine völlig neue Kirche, die mit der Tradition gebrochen hat. Gegründet wurde die Priesterbruderschaft Pius X., die heute nach eigenen Angaben 500.000 Gläubige und 500 Priester zählt, von dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905–1991), der selbst Konzilsteilnehmer war und alle Konzilsdokumente bis auf zwei auch unterzeichnete – jenes über die Religionsfreiheit und jenes über die Liturgie. Er weihte Priester, die weiterhin die „alte Messe“ lasen, und errichtete weltweit Zentren, in denen er die traditionalistischen Gläubigen sammelte. Damit befand er sich zwar in Ungehorsam gegenüber Rom, aber noch in voller Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche. Dies änderte sich, als Lefebvre, um seine eigene Nachfolge zu sichern, am 29. Juni 1988 ohne päpstliche Erlaubnis vier Bischöfe weihte, was für alle fünf als Tatstrafe die Exkommunikation nach sich zog, den Ausschluß aus der sakramentalen Gemeinschaft der katholischen Kirche. Vorausgegangen waren Gespräche mit dem damaligen Kardinal Josef Ratzinger, in denen nach einem gemeinsamen Lösungsweg gesucht wurde. Es ist daher verständlich, daß gerade diesem Papst so sehr an der Versöhnung mit den Traditionalisten gelegen ist. Mit Beginn des Pontifikats Benedikts XVI. verstärkten sich daher auch die Annäherungsversuche von seiten der Priesterbruderschaft. Insbesondere zwei Forderungen wurden gestellt: die allgemeine Zulassung der „alten Messe“ und die Aufhebung der Exkommunikation. Die erste Forderung erfüllte der Papst im Juli 2007, die zweite jetzt im Januar 2009. Die Auseinandersetzung wird noch lange andauern Unklar ist allerdings noch, welchen Status diese Gemeinschaft künftig haben wird. Gedacht wird an die Errichtung einer Personalprälatur, was der Gemeinschaft eine weitgehende Selbständigkeit sichert. Bisher wurde diese juristische Form nur dem Opus Dei gewährt; doch auch für die Anglikaner, die sich im vorigen Jahr wegen der Weihe von Homosexuellen und der Weihe von Frauen von der englischen Staatskirche lösten, wurde diese Möglichkeit bereits erwogen. Mit der Versöhnung aus „väterlicher Einfühlsamkeit“ ist ein erster Schritt geschehen. Doch die Auseinandersetzung mit den Traditionalisten wird noch lange Zeit die innerkirchlichen Debatten bestimmen. Auch der Papst erwähnt in seinem Dekret notwendige „Gespräche“. Hierbei wird es vor allem um das letzte Konzil und seine Auslegung gehen. Bisher hat Benedikt XVI. bewußt eine inhaltliche Diskussion vermieden und einen Minimalkonsens gesucht, der darin besteht, daß die „Lefebvrianer“ die katholische Kirche mit dem Papst als Oberhaupt anerkennen und auf öffentliche Kritik verzichten. Letzteres war keineswegs immer gegeben. Erst kürzlich bezeichnete Bernard Tissier de Mallerais, ein weiterer der vier betroffenen Bischöfe, Benedikt XVI. als „wirklichen Modernisten“. Um so mehr erstaunt die Großzügigkeit und Güte, die der Papst einer Gruppe erweist, die sich in den letzten Jahren mit scharfen Urteilen gegenüber dem Vatikan und gegenüber der Person des Papstes nicht zurückgehalten hat. Kritik an der Versöhnung kommt paradoxerweise hauptsächlich aus jenen Kirchenkreisen, die bisher besonders lautstark Toleranz und Weitherzigkeit forderten. Die Bruderschaft erteilte  Williamson einen Maulkorb Doch die Priesterbruderschaft Pius X. und ihre Anhängerschaft ist keineswegs so homogen, wie das nach außen scheint. Ein großer Teil unter der Führung des Generaloberen Bischof Bernhard Fellay ist durchaus an einer Einigung mit Rom interessiert und dankbar für den erwiesenen Gnadenakt. In anderen Teilen der Priesterbruderschaft hingegen hat eine Radikalisierung stattgefunden, die überall Verschwörungen wittert und die Auffassung vertritt, was von Rom kommt, könne prinzipiell nicht gut sein. Es sei nur ein Trick, mit dem man die „wahre“ Lehre bekämpfen will. Geistlicher Exponat und Führer dieser separatistischen Bewegung ist Bischof Richard Williamson – ein fast schon pathologischer Fall. Während auf der Internetseite der Priesterbruderschaft die Rundschreiben der anderen drei Bischöfe immer zu lesen sind, werden die von Bischof Williamson wegen ihrer Peinlichkeit meist schnell wieder entfernt. Richard Williamson wurde 1940 in London geboren. Er konvertierte von der anglikanischen zur römisch-katholischen Kirche und trat 1972 ins Priesterseminar der Priesterbruderschaft Pius X. ein. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet Williamson als „eine erneute Kreuzigung des Herrn“. Auch sonst vertritt er sehr ungewöhnliche Positionen, so will er zum Beispiel Mädchen ein Studium verbieten. Im Originalton: „Richtige Universitäten sind für Gedanken da, Gedanken sind aber nichts für richtige Mädchen. Daher passen richtige Mädchen nicht an richtige Universitäten.“ Doch sind diese Äußerungen des Bischofs keinesfalls repräsentativ für die Priesterbruderschaft. Bischof Fellay hat Williamson jetzt auch jede Aussage zu politischen oder historischen Fragen untersagt. Beobachter rechnen damit, daß es innerhalb der Bruderschaft bald zu einer Spaltung kommen wird. Eine Minderheit um Bischof Williamson könnte sich endgültig von Rom trennen, während der Großteil das Versöhnungs-angebot aus Rom annimmt und sich damit auch in disziplinarischen Fragen dem Vatikan unterstellt. Dann würde künftig der Papst entscheiden, wer in der Priesterbruderschaft Pius X. zum Bischof geweiht wird.

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