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Omnipräsent

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Madonnas Parteinahme für den demokratischen US-Präsidentschaftsbewerber war mit einem — wahrscheinlich wohlkalkulierten — propagandistischen Ausrutscher verbunden: dem Zusammenstellen der Bilder des Republikaners McCain und Hitlers. Das hat wieder einmal, wie zuletzt die Attacke auf die Figur des „Führers“ im Berliner Wachsfigurenkabinett, gezeigt, daß das Gesicht Hitlers mehr ist und wohl mehr bleiben wird als eine Physiognomie. Es kann im Grunde als Symbol betrachtet werden, und im Zweifel genügen ein Oval, eine Haarsträhne und das Chaplin-Bärtchen. Kopfbilder haben natürlich auch schon in der Vergangenheit symbolische Qualität gehabt. Im Zeitalter des Hellenismus und im römischen Imperium dienten Statuen und Büsten, vor allem aber die Darstellung auf Münzen, der Absicht, den Herrschaftsanspruch des Monarchen zu demonstrieren, und dieses Modell übernahm man auch im Mittelalter. Ein weiterer Schritt wurde vollzogen mit der Erfindung des Buchdrucks, der seit der Reformation zu regelrechten „Flugblattkriegen“ führte, bei denen es nicht in erster Linie um Text und Information, sondern um Bild und Agitation ging. Neben allegorischen Darstellungen wurden dabei die handelnden Personen präsentiert, so daß auch ein Mensch des 16. Jahrhunderts eine relativ richtige Vorstellung vom Aussehen Luthers haben konnte, ohne diesem jemals begegnet zu sein. Eine weitere qualitative Steigerung ermöglichte dann die Erfindung der modernen Reproduktionsverfahren. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat zuerst die Warenwerbung diese Möglichkeit erkannt und genutzt, dann übernahm die politische Agitation in den USA, später in Frankreich und Großbritannien entsprechende Konzepte. In Deutschland machte vor 1914 praktisch nur die oppositionelle sozialistische Bewegung von den so erweiterten Möglichkeiten der Propaganda Gebrauch und führte bei ihren Demonstrationen Transparente im großen und Anstecknadeln im kleinen mit, auf denen die Konterfeis von Karl Marx, Friedrich Engels, Ferdinand Lassalle oder August Bebel zu sehen waren. Ihren eigentlichen Durchbruch erlebte die Bildpropaganda mit dem Ersten Weltkrieg und der Bolschewistischen Revolution. Auf alliierter wie auf Seite der Mittelmächte präsentierte man die eigenen Anführer oder symbolische Gestalten, aber auch Darstellungen des Feindes in realistischer oder karikierter Manier, und Rußland ertrank nach dem Umsturz von 1917 in einer Bilderflut. Millionen von Postkarten, Flugblättern, Zeitungen, Zeitschriften und Plakaten, später Foto, Fotocollage und Film, brachten nicht nur das ideologische Programm der Bolschewiki in die Bevölkerung, sondern auch einen bestimmten symbolischen Kanon. In dessen Zentrum standen neben der roten Farbe und den Emblemen der Bewegung die Gesichter Lenins, Trotzkis und Stalins. Das bolschewistische Modell hat nicht nur Mussolini, den Staatschef des faschistischen Italien, nachhaltig beeindruckt und zu entsprechenden Anstrengungen getrieben, sondern seine Wirkung auch auf Hitler und dessen Propagandisten Goebbels gehabt. Dominierte in der Anfangszeit noch das Schriftplakat die Agitation der NSDAP, änderte sich das ab 1926 radikal. Es kam nicht nur zu einer immer stärkeren Identifizierung der Partei mit Hitlers Person, sondern auch zu einer Konzentration der Bildpropaganda auf sein Gesicht. Bekanntermaßen hat Hitler dabei eng mit dem Fotografen Heinrich Hoffmann zusammengearbeitet. Es war im weiteren nur konsequent, wenn Hitler nach 1933 seine optische Allgegenwärtigkeit mit jedem zur Verfügung stehenden Mittel förderte. Gleichzeitig achtete er akribisch darauf, daß in Deutschland keine Bilder von ihm ohne Genehmigung veröffentlicht wurden. Die Einheitlichkeit der Ikonographie sollte unbedingt gewährleistet sein. Es gab keine Wochenschau und keine Illustrierte ohne eine Darstellung Hitlers, und selbst im kleinen war an solche Omnipräsenz gedacht. Deshalb befahl Hitler nach dem Tod Hindenburgs 1934, daß die Freimarken zukünftig sein Kopfbild tragen sollten. Interessanterweise hat er aber ausdrücklich verboten, Münzen mit seinem Bild zu schlagen. Ähnlich wie im Fall des Hakenkreuzes haben Niederlage und Zusammenbruch des NS-Regimes auch in bezug auf das Konterfei Hitlers zu einer totalen Umwertung geführt; am Bekanntheitsgrad ändert das nichts, wahrscheinlich sind Hitlers Züge bis heute die bekanntesten eines Menschen überhaupt. Bild: Im Zweifel genügen Scheitel und Bärtchen Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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