Die bereits im 37. Jahrgang vierteljährlich im DIN-A-4-Format mit einem Umfang von vierzig Seiten erscheinende Arbeiterstimme — Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis gilt in intellektuellen linksradikalen Kreisen als publizistisches Fossil eines längst verblichenen Arbeiterbewegungsmarxismus. Dennoch führt die Gruppe Arbeiterstimme (ARSTI), die sich selbst in der Tradition der historischen KPO (Kommunistische Partei — Opposition) sieht und als deren Nachlaßverwalter betrachtet, ihren Kampf gegen das kapitalistische System unverdrossen weiter und läßt sich auch von Kritik aus dem eigenen Milieu nicht von ihrem Kurs abbringen. Daß die Linke zeitlebens die Funktion einer Avantgarde ebendieser kapitalistischen Warengesellschaft innehatte und noch in ihrem Todeskampf und ihrer Selbstverabschiedung von dieser merkwürdigen Rolle nicht loskommt, ist dementsprechend hier kein Thema. Eine fundamentale Wertkritik, eine Krisentheorie, die diesen Namen verdient, und eine Aufklärung über die dunklen Seiten der Aufklärung finden hier nicht statt. Statt dessen freut man sich über Wahlerfolge der Linkspartei, diskutiert seitenlang über Gewerkschaftspolitik und grämt sich über die „gnadenlose Realität“, daß von 81 Millionen Einwohnern gerade mal „4.250 Kommunistinnen und Kommunisten bei einem Altersdurchschnitt von um die 60 Jahre“ den Weg in die DKP gefunden haben, und die Abonnentenzahl der UZ (Unsere Zeit) von 6.482 im Januar 2006 auf jetzt 5820 gesunken ist. Damit befinde sich die Parteizeitung in der „finanziell bedenklichsten Situation seit ihrem Erscheinen als Wochenzeitung 1996. Als mögliche Gründe für den Aborückgang wird unter anderem angeführt, in Teilen der Partei werde die Meinung vertreten, „daß die UZ keinen(!) Gebrauchswert habe, daß man sie nicht verkaufen könne“. Das ist fürwahr bitter, aber vielleicht hätte man zumindest in diesem speziellen Fall einmal von den Genossen Wertkritikern lernen können, daß die bürgerlichen Formprinzipien, Fetischzwänge und das totalisierende Fortschreiten der Warengesellschaft auch vor den unermüdlichsten Klassenkämpfern nicht haltmacht. Hin und wieder wagt sich aber sogar die ARSTI an ein brisantes Thema. In der aktuellen Ausgabe (Herbst 2008) weist Werner Seppmann den Versuch, Nietzsche für den Marxismus zu „retten“ und zu „beerben“, als „vergiftetes Erbe“ entschieden zurück. Zwar sei dieser kein „Rassetheoretiker des Faschismus“ gewesen, und zweifellos hätten die Nationalsozialisten mit „dem ganzen Nietzsche ihre Probleme gehabt“, dennoch verortet der Autor Nietzsches „philosophischen Irrationalismus zwischen Kulturkritik, Faschismus und Neoliberalismus“. Besonders originell ist das allerdings nicht, da war Stephan Hermlin schon viel weiter, als er Nietzsches Gedicht „An den Mistral“ wegen seiner ästhetischen Qualitäten in sein 1976 in der DDR erschienenes „Deutsches Lesebuch“ aufnahm. Recht aufschlußreich ist dagegen ein Beitrag über den Niedergang der sich als „Befreiungsbewegung“ FARC tarnenden kolumbianischen Drogen- und Entführungsmafia. Anschrift: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg. Das Einzelheft kostet 3 Euro, das Jahresabo 13 Euro. Internet: www.arbeiterstimme.org