Eine alte islamische Legende erzählt, wie die Dichterin Asma bint Marwan den siegreich nach Mekka zurückgekehrten Mohammed dafür kritisierte, daß er den greisen Juden Kaab ibn Alaschraf umbrachte, da sich seine Anhänger durch dessen Spottverse in ihrer Ehre gekränkt fühlten. Daraufhin wurde auch sie mit Billigung Mohammeds in der Nacht ermordet – wie die Legende berichtet, als sie gerade ihr Kind stillte. Spätestens als der von muslimischen Ländern dominierte UN-Menschenrechtsrat im März dieses Jahres beschloß, die Meinungsfreiheit zum Schutz religiöser Gefühle einzuschränken, wurde deutlich, daß der Islam bis heute nicht mit fremden Meinungen umgehen kann. Doch es ist eine Sache, wenn muslimisch geprägte Staaten der Meinung sind, nur durch öffentliche Zensur ihr Gemeinwesen aufrechterhalten zu können. Etwas ganz anderes ist es, wenn in europäischen Ländern ein „Mißbrauch der Meinungsfreiheit“ verfolgt wird, sollte eine „rassistische oder religiöse Diskriminierung“ ausfindig gemacht werden. Denn wie hierzulande so ein „Mißbrauch“ festgestellt wird, demonstrierte kürzlich die taz. „Die Meinungsterroristen“, betitelte Cigdem Akyol ihren Artikel gegen Islamkritiker – um in den folgenden Zeilen zu zeigen, daß auch sie im „Kampf gegen den Terror“ keine Gefangenen macht. Udo Ulfkotte? Ein „Irrlicht“, sagt Akyol und empört sich über dessen Aussage, daß unsere Gesellschaft „ein wachsendes Problem mit jungen Muslimen“ hat, die unsere eigenen Werte „rundweg ablehnen“ und uns statt dessen „ihre Werte aufzwingen wollen“. Warum Akyol hier „realsatirische Züge“ ausmachen will, bleibt dem Leser verborgen. Wie es überhaupt im dunkeln bleibt, womit denn die Autorin ihre Fundamentalkritik begründen möchte. Wenn sie über Ulfkottes Internetseite „Akte Islam“ urteilt, hier gehe es „nicht um sachliche Kritik, es gibt kaum Zwischentöne, Unterscheidungen oder Hinterfragungen“, so kann man dies ohne Abstriche auf ihren eigenen Text anwenden. Doch unterscheidet bereits an dieser Stelle etwas ganz wesentlich Ulfkotte von Akyol – die Machtposition: „Volksverhetzung“ wittert Akyol allerorten im Internet und frohlockt über den „Maulkorb“, den Sebastian Edathy dem Internetportal Politically Incorrect (PI) verpassen will, da er dieses für „grenzüberschreitend, rassistisch und gefährlich“ hält. Dabei wird am Umgang mit diesem Portal deutlich, wie Akyol selbst grenzüberschreitend tätig wird. So echauffiert sie sich über den hier häufig verwendeten Begriff von „Muselmane“ für Moslem. Diesen Begriff finde er nicht verächtlich, zitiert Akyol den PI-Gründer Stefan Herre. Ein entrüstetes „Aha“ ist das einzige, was ihr als Entgegnung einfällt. Schade, denn man wäre doch sehr interessiert daran zu erfahren, was an der Bezeichnung „Muselmane“ beleidigend sei. Sollte es Akyol, der man wohl wenigstens Grundkenntnisse der türkischen Sprache unterstellen kann, entgangen sein, daß das Wort „Muselmane“ nichts anderes als ein Lehnwort aus dem Persischen beziehungsweise Türkischen ist? Akyol zeigt hier ganz nebenbei auf, wieso Meinungsfreiheit wichtig ist. Denn diese braucht man, um sie auf den Balken in ihrem Auge hinzuweisen. Aber auch Akyol möchte die Islamkritik in gewissen Grenzen zulassen: „Es geht auch anders“, belehrt sie uns und berichtet über den türkischen Karikaturisten Turhan Selçuk, der „bereits vor zwanzig Jahren“ eine Frau im Tschador mit nackten Brüsten gezeichnet hat. „Warum seine Bilder bisher keine weltweiten Proteste ausgelöst haben?“ fragt Akyol. Und findet als Antwort dessen Respekt vor „religiösen Glaubensbildern der Muslime“. Vielleicht hätte Akyol für die Antwort noch etwas länger suchen sollen. Dann wäre ihr aufgegangen, daß einerseits der Islam in der laizistischen Türkei vor zwanzig Jahren anders geartet war, andererseits Selçuks Respekt ihm herzlich wenig genützt hätte, wenn seine Karikatur zur rechten Zeit in einer dänischen Zeitung erschienen wäre. Akyols eigene Versuche in Sachen Islamkritik wirken auch nicht überzeugend. Im März berichtete sie über ein Treffen muslimischer Mädchen, zu dem die Muslimische Jugend Deutschlands (MJD) aufgerufen hatte. „Vier Tage diskutierten islamische Jugendliche über Allah und debattierten in Arbeitsgemeinschaften zu Themen wie ‚Die Kunst der Koranrezitation‘ oder ‚Wie lade ich zum Islam ein‘.“ Nur eine harmlose Einrichtung, die 2002 vom Bundesfamilienministerium ausgezeichnet wurde, da sie das „verzerrte Bild des Islam in der Öffentlichkeit“ verbessere? Nicht aus Sicht Akyols, die in ihrer Reportage Verbindungen des MJD zum radikalen Moslem Ibrahim El-Zayat aufzeigt: „Sein Bruder Bilal El-Zayat war einige Jahre Vorsitzender der MJD“, schreibt Akyol und noch so einiges andere, was die MJD zu einer Erklärung veranlaßte, in der sie Akyols Arbeit „irreführend, undifferenziert, schlecht recherchiert, hetzerisch und verleumdend“ nannte, sowie von einer „undifferenzierten und selektiven Berichterstattung“ sprach. In der Tat hat Akyol wohl über ihren Respekt vor „religiösen Glaubensbilder der Muslime“ die Quellenkritik etwas vernachlässigt. Jedenfalls wurde die taz von der MJD zu einer Berichtigung genötigt. Was übrigens nicht der erste Konflikt zwischen Akyol und der MJD war, da die taz-Autorin bereits ein Jahr zuvor über deren Arbeit berichtet hatte. Dies spricht zwar zum einen für journalistsiche Beharrlichkeit, zum anderen zeigt es aber auch die Grenzen einer Reflexionsverweigererin auf. Denn Akyol ist offensichtlich unfähig zu begreifen, daß sie es ist, die zusammen mit vielen Helfershelfern in Deutschland jenes Klima erzeugt, welches eine sachliche Kritik am Islam durch permanente Unterstellungen unmöglich macht. Damit ist ihresgleichen für unsere Demokratie weit gefährlicher, als es Einrichtungen wie die MJD jemals sein könnten. Abbildung: Karikatur von Turhan Selçuk, derzeit zu sehen in der Ausstellung „Die Nase des Sultans“ in Frankfurt am Main Die Ausstellung „Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei“ im Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main, Schaumainkai 37, ist bis zum 16. November täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, zu sehen.
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