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Der Brückenkopf des Christentums

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Der Crac des Chevaliers“ – alleine der Name läßt schon bei vielen ein bestimmtes Bild vor dem inneren Auge entstehen: der Inbegriff der Kreuzfahrerburg, der Ordensburg, wenn nicht gar der mittelalterlichen Burg überhaupt. Auch die Burgenforschung ließ sich von der gewaltigen Johanniterfestung im heutigen Syrien inspirieren. Bereits 1934 erschien von Paul Deschamps mit „Le Crac des Chevaliers“ eine Monographie, die neue Maßstäbe in der Forschung setzte. Nun setzt das im Verlag Schnell & Steiner erschienene neue Standardwerk diese Tradition fort. Am Beginn stand im Jahre 1988 eine Besichtigung der Festung durch deutsche Bauforscher, die bezüglich Deschamps‘ Darstellung Widersprüche in der Auffassung der Bauabschnitte, Datierung und Funktionszuweisung der Bauteile ausmachten. Zehn Jahre später wurden diese Fragen in einer zweiten Begehung konkretisiert und der Entschluß zu einem Forschungsprojekt gefaßt. Als Träger stand dabei die „Wartburg-Gesellschaft“, eine wissenschaftliche Vereinigung zur Erforschung von Burgen und Schlössern, im Hintergrund. Die Forschungsergebnisse mündeten in dem monumentalen vorliegenden Werk. Nach einem einleitenden Überblick über die historische Einordnung des Crac und den gegenwärtigen Forschungsstand erschließt das Buch gemäß einer systematischen Bauerfassung die Anlage in mehreren, reich bebilderten Abschnitten. Anschaulich wird die baugeschichtliche Entwicklung des Crac anhand der politischen Entwicklung dargelegt: von einem strategischen Brückenkopf in den Raum greifender Truppen der Anfangsphase hin zu einem repräsentativen Neubau der ritterlich-klösterlichen Lebensweise nach dem Erdbeben von 1170. Schließlich der durch massive Umbauten gesteigerte Verteidigungscharakter der in die Defensive gedrängten Johanniter bis zur muslimischen Eroberung 1271 und anschließenden Teilumbaus der Burg. In diesem Sinne betonen die Autoren auch den grundlegend anderen Charakter des Crac, der sich deutlich von der Burg eines europäischen Feudalherren unterscheidet. Als Truppenstützpunkt eines stehenden Heeres – für die Kreuzfahrer eine neue Erfahrung – besitzt der Crac eher Ähnlichkeiten mit römischen Kastellen oder den späteren Garnisonsfestungen des Absolutismus. So sei eigentlich der Begriff der Burg nach Ansicht der Autoren auf den Crac streng genommen nicht anwendbar. Allerdings sollte man diese Funktionstrennung möglicherweise nicht so scharf betrachten. Beschreiben die Autoren doch selbst, wie bei der Erstürmung des Crac durch die Truppen Baibars‘ diese zu ihrer großen Verwunderung entdeckten, daß die ansässige muslimische Bevölkerung ins Innere der Burg geflüchtet war. Ganz offensichtlich besaß für jene der Crac die klassische Funktion einer Schutzburg. In ihrer Untersuchung machen die Autoren die Unterschiede zur Bauauffassung Deschamps‘ deutlich. Ein plastisches Beispiel dafür ist ein Gebäude, das bei Deschamps noch als „Torturm“ interpretiert und heute Touristen als „Prinzessinenturm“ vorgestellt wird (gewiß bei einer Ordensburg von vornherein ein phantastischer Name). Dieses Gebäude konnten die Autoren als Teil einer umfassenden und technisch ausgereiften Abortanlage in der Festung identifizieren: ein Zugeständnis wohl an die im vorderen Orient häufig auftretenden Durchfallerkrankungen. Überhaupt erweitern die Autoren den konkreten Baubefund gelungen um die soziale Dimension der damaligen Bewohner. Eine mehrsprachige Zusammenfassung beschließt den Textteil. Bemerkenswert ist der umfangreiche Anhang mit Kartenmaterial. Alleine die komplette Neuvermessung des Bauaufmaßes, die im Vergleich zu der des Architekten François Anus, eines Mitarbeiters von Deschamps, wesentlich präzisiert werden konnte, beeindruckt und rechtfertigt den Anschaffungspreis des Buches. Eine besondere Attraktion dürften für den Ortsunkundigen die Farbfotografien des Crac darstellen, die durchgängig von hoher Qualität sind. Befremdlich fällt angesichts dieser durchweg sehr hochwertigen Arbeit die Einleitung des bekannten Schweizer Burgenforschers Werner Meyer aus dem Rahmen. Nach Meyer sind die Kreuzfahrerburgen „nicht nur Zeugen hoch entwickelter Festungsbaukunst, kriegerisch-ritterlichen Stolzes und königlichen Machtbewußtseins, sondern auch Mahnmale menschlicher Hybris, politischer Unfähigkeit und religiösen Wahns“. Vor allem um die Darstellung des letzteren geht es Meyer. Sicher kann eine Einleitung nur einen vergröbernden Überblick liefern, doch sollte dieser nicht derart tendenziös ausfallen. Auffallend ist hier das nahezu vollständige Ausblenden des geistigen Hintergrundes. Zwar wird beschrieben, wie sich das Kreuzfahrerreich in einem umstrittenen Grenzgebiet bildete. Daß jedoch die Ablösung der Araber durch die türkischen Seldschuken als Führungsmacht einen tiefgreifenden geistigen Wandel des Islam bedeutete, der nicht zuletzt eine deutliche Auswirkung für die in Jerusalem befindlichen Juden und Christen besaß, muß der Leser für sich ergänzen. Nichts erfährt er auch sonst über das christliche Ideal des Kreuzzugsgedankens. Statt dessen wird er auf eine Kaperfahrt von Piraten geführt, die mit mehr Glück als Verstand ein Gebiet erobern und eine kleine Weile halten können: vielleicht für die Beschreibung eines weltlichen Herrschersitzes noch angemessen, bei einer Ordensburg der Johanniter aber äußerst befremdlich. Eine paradoxe Einschätzung, steht sie doch stellvertretend für die Forschergruppe. Man fragt sich wirklich, wieso hier Wissenschaftler mit beträchtlichem Aufwand und unter großem persönlichen Einsatz den Spuren „menschlicher Hybris“ nachgegangen sind, anstelle diese konsequenterweise mit Scham zu übergehen. Statt dessen hätten sie sich doch lieber einem mittelalterlichen Orden zuwenden sollen, der freilich weniger beeindruckende Bauwerke hinterlassen hat, der aber der eigenen geistigen Stimmung wesentlich näherkommt – dem Orden der Flagellanten. Thomas Biller (Hrsg.): Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2006, gebunden, 449 Seiten, 86 Euro Foto: Die Johanniterfestung Crac de Chevaliers im heutigen Syrien: Der Inbegriff der Kreuzfahrerburg, der Ordensburg, wenn nicht gar der mittelalterlichen Burg überhaupt

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